Название | Fixin |
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Автор произведения | Rayton Martin Villa |
Жанр | Контркультура |
Серия | |
Издательство | Контркультура |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783347108936 |
London war wegen seiner von Grönland abgewandten Lage und seiner Schutzeinrichtungen noch relativ glimpflich davon gekommen.
Die letzten Reste von Holland und Belgien hingegen wurden jetzt vollständig überflutet. Sie lagen zu großen Teilen schon vor dem Ansteigen des Meeresspiegels ein bis zwei Meter unter dessen Niveau und mussten deswegen schon in der Vergangenheit mit Dämmen zum Meer und den Flüssen hin vor Überflutungen geschützt werden. Dies funktionierte wegen des Meerespiegelanstiegs jedoch immer weniger.
Die Bevölkerung hatte damit andererseits enormes Glück im Unglück, denn sie war aus diesem Grund schon ab 2039 in höher gelegene Länder Europas evakuiert worden. Andernfalls wären dort etwa dreißig Millionen Menschen durch diesen Tsunami ums Leben gekommen.
Seit diesem Ereignis war der Meeresspiegel bereits wieder um einen weiteren Meter angestiegen und damit war jetzt auch London dem Untergang geweiht.
Es war jetzt siebzehn Uhr. Julie Dawkins saß im Innenraum der Aussichtsplattform in dreihundertsechzig Metern Höhe in Londons höchstem Gebäude, dem Aurora Plaza, und überlegte, wie lange es wohl dauern würde, bis sie es wieder verlassen könnte. Draußen war es stockfinster, auch von der Stadt war wegen des Stromausfalls überhaupt nichts zu sehen und der Orkan heulte in einer Lautstärke, dass selbst hier im Inneren des Gebäudes ein ohrenbetäubender Lärm herrschte. Die Fenster zitterten und die Böden und Wände bebten derart, wie sie es bisher nur einmal während des Bebens in Kalifornien erlebt hatte. Die vorhergesagten Windgeschwindigkeiten von zweihundert Stundenkilometern waren heute bei weitem übertroffen worden. Die neuesten Nachrichten meldeten von den Messbojen draußen auf der Nordsee dreihundertfünfzig Stundenkilometer, in der Stadt an den neuen autonomen Wetterstationen lagen die Werte sogar über vierhundertdreißig zwischen den hohen Gebäuden.
Weil Orkan und Hochwasser sie im Gebäude gefangen hielten, würde sie hier zum zweiten Mal übernachten müssen. Dies war gestern von ihr zwar schon eingeplant worden, doch nachdem was sie heute gesehen hatte, waren ihr erhebliche Zweifel gekommen, ob sie nicht noch deutlich länger ausharren müsste. Dann könnte auch ihr Proviant zur Neige gehen, obwohl sie bei der Planung der Aktion zur Sicherheit sogar Reserven für weitere drei Tage kalkuliert hatte. Der Sturm war aber viel schlimmer, als vom Wetterdienst vorhergesagt und auch als sie es sich hatte vorstellen können.
In den nächsten Tagen würde mit Sicherheit niemand in der Lage sein, ihr zu helfen. Nicht nur wegen des hohen Wasserstandes und der riesigen Wellen in den Straßen, sondern auch wegen der nicht mehr zu beherrschenden Windgeschwindigkeiten.
Als sie gestern Vormittag von ihrem Chef gefragt worden war, ob sie während des vorhergesagten Sturms in der Stadt bleiben könne, um Aufnahmen vom Verlauf der Katastrophe mit der erwarteten Überflutung der Innenstadt zu machen, hatte sie spontan zugesagt. Eine solch spektakuläre Reportage würde ihrem Nachrichten-Portal einen gewaltigen Publicity-Schub verleihen. So glaubte sie zumindest noch gestern. Nach den katastrophalen Ereignissen von heute würde sich aber wohl niemand mehr für ihr Portal interessieren.
Außer von hier oben waren kaum Aufnahmen vom Geschehen möglich, weil der Einsatz einer Drohne oder eines Helikopters wegen des Orkans nicht in Frage kam. Sie war daher gestern Nachmittag mit dem Fahrrad hierher gefahren. Es war das einzige Verkehrsmittel, das flexibel genug war, um gegen den Strom der überall flüchtenden Menschenmengen voranzukommen und mit dem sie gleichzeitig ihr schweres Gepäck, das sie in zwei riesigen Seesäcken verstaut hatte, transportieren konnte.
Obwohl das Militär eingesetzt wurde, um einen völligen Stillstand des Verkehrs zu verhindern, herrschte überall das komplette Chaos. Die Menschen flüchteten mit Fahrzeugen aller Art und selbst zu Fuß aus der Stadt. Das U-Bahn-Netz war aus Sicherheitsgründen schon stillgelegt worden, was viele überrascht hatte und die Verkehrssituation noch verschärfte. Die Versuche von einigen der Flüchtenden, ihr das Fahrrad zu entreißen, konnte sie glücklicherweise abwehren.
Kurz bevor sie ihr Ziel im Zentrum erreicht hatte, war sie plötzlich vollkommen alleine unterwegs, denn aus diesem, am meisten gefährdeten Bereich der Stadt waren alle Menschen schon geflohen.
Ganz alleine bei diesem Sturm und den angekündigten Ereignissen über die menschenleeren Straßen und Plätze zu fahren, die sonst rund um die Uhr zu den belebtesten Orten der Welt gehörten, war ausgesprochen unheimlich. Für einen Moment spielte sie mit dem Gedanken, wieder umzukehren, denn möglicherweise war sie ja gerade im Begriff, den größten Fehler ihres Lebens zu machen und sich in tödliche Gefahr zu begeben. Doch ihr journalistischer Ehrgeiz war stärker und so kämpfte sie sich weiter gegen den heftigen Wind und die Böen voran. Dies wurde wegen der vielen Gegenstände, die durch die Luft gewirbelt wurden, immer gefährlicher. Viele waren wie scharfkantige Geschosse, denen sie oft gerade noch im letzten Augenblick ausweichen konnte.
Als sie schließlich die Zufahrtsstraße zur Tower Bridge erreichte, war der Wind schon auf Orkanstärke angewachsen. Hier konnte sie endlich ihr Ziel vor sich sehen. Rechts lag die Festungsanlage des Tower of London, dahinter auf der anderen Flussseite die ungleichen Türme des Shards und des Aurora Plazas, den höchsten Gebäuden der Stadt. Es war bis dorthin zwar nur noch etwa einen Kilometer, aber die freie Strecke über die Themse würde der schwierigste Teil der ganzen Anfahrt werden. Die Böen waren jetzt so stark, dass Julie sich nicht mehr auf dem Rad halten konnte. Sie stieg ab und schob es weiter.
Nach weiteren dreihundert Metern erreichte sie die Tower Bridge, die sie noch überqueren musste, um zu ihrem Ziel zu gelangen. Da sie jetzt den Schutz der Häuser verlassen musste, traf sie der Orkan mit voller Wucht. Er war hier so stark, dass sie Angst bekam, in die Themse gerissen zu werden. Um weniger Angriffsfläche zu bieten, ging sie tief in die Hocke und versuchte, ihr Rad so weiter zu schieben. Von der Mitte der Brücke an war jedoch selbst dies nicht mehr möglich. Auf Händen und Knien kroch sie weiter. Ihr Fahrrad samt Gepäck hielt sie krampfhaft fest und zog es hinter sich her. Völlig erschöpft kam sie auf der anderen Seite an. Die weitere Route zum Aurora Plaza konnte sie teilweise im Windschatten von Gebäuden wieder aufrecht gehen, trotzdem war sie völlig abgekämpft, als sie schließlich hier am Plaza ankam. Ein Geschäftsfreund ihres Chefs, der gute Verbindungen zum Betreiber der Sicherheitsfirma hatte, die das Gebäude kontrollierte, hatte ermöglicht, dass sie sich dort über einen Notausgang Zutritt verschaffen konnte. Das war natürlich keine vom Besitzer des Gebäudes autorisierte Sache, aber für diese exklusive Story war es den Aufwand und auch das Risiko wert, später dafür vielleicht belangt zu werden.
Der Aufstieg in den einhundertsten Stock mit einem Großteil der Ausrüstung war eine echte Strapaze gewesen, obwohl sie sich als Extremklettererin, Marathonläuferin und Fallschirmspringerin körperlich in Bestform befand. Wegen des abgeschalteten Stroms im Gebäude war das aber leider nicht anders zu machen.
Die aktuelle Wettersituation war eine Folge des sich seit einigen Jahren rapide verändernden Weltklimas und des stark ansteigenden Meeresspiegels durch die unvorstellbar großen Mengen des in der Antarktis und auf Grönland abtauenden Inlandeises.
Selbst die zuletzt erbaute Schutzbarriere quer durch die Themse kurz vor deren Mündung bei Canvey Island war schon wieder nicht mehr ausreichend hoch, um die heutige Sturmflut abzuwehren. Sie war für einen Meeresspiegelanstieg von insgesamt dreieinhalb Metern konzipiert worden. Bei der Planung vor zwanzig Jahren war man der Überzeugung gewesen, dass diese Höhe grundsätzlich sogar für den Anstieg der nächsten eintausend Jahre ausreichend sein würde.
Selbst zu Beginn des Baus der Anlage vor fünfzehn Jahren hatten sich die Experten immer noch nicht ein so dramatisch schnelles Abschmelzen vorstellen können. Es war jedoch in den vergangenen fünf Jahren so extrem geworden, dass der Meeresspiegel weltweit alleine in diesem Zeitraum um zweieinhalb Meter angestiegen war. Die Barriere war deswegen schon jetzt zu niedrig und wurde bei Sturm in Verbindung mit Springfluten bei Volloder Neumond immer öfter überspült. Bei einem Orkan wie heute war sie völlig wirkungslos, was sich gerade auf verheerende Weise zeigte.
Eine noch höhere Barriere zum Meer hin war aber einfach nicht möglich, denn diese wirkte natürlich auch auf den Fluss wie eine Staumauer,