Ein Buch für Keinen. Stefan Gruber

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Название Ein Buch für Keinen
Автор произведения Stefan Gruber
Жанр Афоризмы и цитаты
Серия
Издательство Афоризмы и цитаты
Год выпуска 0
isbn 9783347043282



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Wechselspiel gemeinsam an der Erhöhung der Gesamtkomplexität arbeiten. Die Demokratie ist dabei ein wahrer Komplexitätsgenerator. Die Dynamik zwischen Staat und Volk sorgt für eine Flut an neuen Gesetzen, Regulierungen, Verboten, Einschränkungen usw. Da die Demokratie kulturzyklisch immer erst nach einer Periode der Aufklärung Einzug hält, ist sie gleichzeitig die Spielwiese für Ersatzreligionen in Form sozialer und ökonomischer Ideologien und Utopien. Es genügt, am Stammtisch zuzuhören: »Wenn ich an der Macht wäre, dann würde ich dieses und jenes verbieten, anders machen, abschaffen etc.« So denkt nicht nur die Unter- und Mittelschicht im Wirtshaus. So denkt vor allem auch die intellektuelle Schicht, die der Kapitalismus in der Wohlstandsphase hervorbringt und die sich heute vor allem aus dem Gedankengut der 68er speist. Die Verheißung des Paradieses war unter Intellektuellen schon immer beliebt. Schumpeter sah 1942 eine Ursache für den Niedergang des Kapitalismus im Aufkommen der Klasse der Intellektuellen. Nach seiner These ermöglicht der Kapitalismus den Menschen eine immer höhere Bildung, während Bildung in vorkapitalistischer Zeit nur wenigen Menschen vorbehalten war: »Da die Führungspositionen nicht automatisch mit der Flut an Gebildeten mitwachsen, werden immer mehr von ihnen unbefriedigt beschäftigt oder bleiben arbeitslos. Diese Unzufriedenheit versuchen die Intellektuellen auf ihre Mitmenschen zu übertragen, organisieren Proteste gegen bestehende Zustände, fassen sozialkritisches Denken in Worte und liefern der Arbeiterbewegung Theorien und Schlagworte (wie das vom Klassenkampf). Sie schüren Unmut über das wirtschaftliche und politische System, versprechen der Arbeiterschaft bessere Zustände, wenn sie ihnen folgt und schaffen so eine dem Kapitalismus feindselig eingestellte Atmosphäre.«1

      Diese Entwicklung gab es im 20. Jh. zwei Mal: einmal durch die intellektuelle 33er-Nazi-Bewegung mit dem SA-Pöbel, zum Zweiten durch die intellektuelle Studentenbewegung 1968 mit dem heute verlängerten Arm der »Antifa«. Beim ersten Mal fand die Bewegung in den Wirren der Weltwirtschaftskrise und des Versailler Vertrages fruchtbaren Boden; dies hängt vor allem auch mit dem Phänomen des Geburtenüberschusses zusammen, auf den wir später noch eingehen. Beim zweiten Mal schaffte die Bewegung den Marsch durch die Institutionen, d.h. die damaligen Revolutionäre bekleiden heute hohe Ämter in Medien, Politik und Justiz. Die wirklich breite Unterstützung durch die Gesellschaft blieb ihnen aber aufgrund des allgemeinen Wohlstandes und insbesondere des danach einsetzenden Geburtenschwunds verwehrt.

      Die 68er

      Der Herausgeber der libertären Zeitschrift eigentümlich frei, André F. Lichtschlag, brachte es auf den Punkt, als er in seinem Essay »Die Achtundsechziger als schlechte Kopie der Dreiunddreißiger?« schrieb:

       »Aber wer hat eigentlich mehr geirrt, die Achtundsechziger oder deren Vätergeneration? Schauen wir uns die Ausgangssituation an. Dort: Weltwirtschaftskrise, Versailler Vertragsbürden, breites Bedrohungsempfinden durch den Bolschewismus. Hier: Wohlstand wie nie zuvor, Schutz und Freiheit durch die USA garantiert. Dann dort der Irrtum, in großer Not dem viertgrößten Massenmörder der Geschichte hinterhergelaufen zu sein. Hier der Irrtum, ohne Not einem oder mehreren der drei größten Massenmörder der Geschichte hinterhergelaufen zu sein. Dort nach dem Irrtum Abkehr vom Sozialismus sowie tatkräftiger und mühsamer Aufbau des Landes und Schaffung von Werten. Hier nach dem Irrtum Leben wie die Made im Speck, immer mehr Sozialismus, steter Verbrauch der Substanz. Dort am Ende Übergabe einer positiven Bilanz und eines Landes, in dem Menschen an sich selbst glauben. Hier irgendwann Übergabe eines bankrotten Wohlfahrtsstaats mit Menschen, denen man eingeredet hat, sie hätten ein Recht, auf Kosten Dritter zu leben. Und das Vererben einer unbezahlbaren Rechnung an die Nachfolgegeneration. Ja, es ist schwer zu entscheiden, wer mehr danebenlag.«

      Die 68er waren mit Sicherheit eine Reaktion auf die verkrusteten, konservativen Nachkriegsstrukturen, aber noch viel mehr eine Reaktion auf die Wohlstandslangeweile. Man sollte die nachhaltigen Impulse, welche die 68er auf die damaligen reaktionären Strukturen hatten, bei aller Kritik nicht kleinreden.1 Ja, es ist überhaupt sinnlos, eine notwendige spätkapitalistische Erscheinung wie die 68er kritisieren zu wollen. Ich will mit meiner Kritik den Kern des Totalitarismus aufzeigen – wo und wie er schlummert und wie wenig es braucht, um ihn zum Ausbruch zu bringen. Das Glück jener Ära war, dass die 68er nie breiten Rückhalt in der Bevölkerung genossen, weshalb der sozialistisch-totalitäre Kern der Lehre sich nie nach außen stülpen konnte, wie das bei der RAF der Fall war. In Deutschland und Österreich waren die 68er eine Art tiefenpsychologische Reaktion auf ihre Elterngeneration. Es war, als wollten sie die Erbsünde des Holocausts, die auf ihnen lastete, durch eine Simulation der Geschichte tilgen. Sie erschufen und erschaffen bis heute eine Welt voller Nazis (was bei ihnen gleichbedeutend war und ist mit Kapitalisten, Bürgerlichen, Konservativen, Katholiken etc.), indem sie das gesamte demokratische Spektrum als rechts klassifizierten. Danach spielen sie die wagemutigen Helden im »Kampf gegen Rechts«. Es war, als sollten sie die Geschichte wiederholen, um einer metaphysischen Vaterfigur (die eigenen Väter wurden ja verteufelt als Zeichen des heroischen Generationswechsels) zu zeigen, dass sie die besseren Menschen sind: Widerstandskämpfer, die der nationalsozialistischen Versuchung widerstehen. Dabei beschränkte sich der »Kampf gegen Rechts« in der Hauptsache auf Nationalismus, Rassismus und das, was sie als Faschismus definierten. Wäre der Nationalsozialismus tatsächlich aufgearbeitet worden, so wären die verblüffenden Parallelen mit ihrer eigenen Bewegung offensichtlich gewesen. Man hätte dann begriffen, dass der Sozialismus der 68er und der nationale Sozialismus der 33er keine Gegensätze sind, sondern vielmehr einer gemeinsamen Quelle entspringen. Nicht nur der überall herrschende Wohlstand machte diesen psychologischen Versuch der Abgrenzung von den schlechten sozialistischen Elementen unglaubwürdig, auch die Demonstrationen mit Bildern von Mao und Stalin ohne bemühte Gegenstimmen (von Widerstand ganz zu schweigen) aus den eigenen Reihen ließen das ganze Unternehmen zur Farce werden. Warf man den Eltern in moralinsaurer Manier stets vor, »nichts dagegen getan« zu haben, so lief man nun in Zeiten des größten Wohlstandes selbst mit den Bildern der größten Massenmörder umher. Dabei hätte man diesmal garantiert wissen können, welche Gräueltaten ihre Idole begingen, hätte man auch bloß wenige Stunden zur Recherche investiert. Doch dies waren wohl die »notwendigen Opfer« zur Verwirklichung des sozialistischen Paradieses. Das nationale und rassistische Element wurde durch die 68er ins Gegenteil verkehrt. Penibel achtet man in den ehemals nationalsozialistischen Ländern darauf, dass die Schuld des Holocausts in den jeweiligen Ländergrenzen und der jeweiligen »Rasse« bzw. genetischen Abstammungslinie verweilt. Zuwanderer übernehmen diese Erbschuld nicht, sondern sind im Gegenteil stets potentielles Opfer der durch das Nazi-Gen gebrandmarkten Nachkriegsgeneration. Global kristallisiert sich das Feindbild der 68er auch klar heraus: Es ist der weiße, heterosexuelle, bürgerliche Mann. Wenn man sich vor Augen hält, dass der ausufernde Wohlfahrtsstaat, der die letzten 40 Jahre durch Schulden finanziert wurde, maßgeblich durch die »Wohlstand für jedermann«-Ideologie der 68er mitgetragen wurde, wäre es nicht verwunderlich, wenn nun die (spärlich gesäten) Kinder der 68er an ihre Elterngeneration herantreten und sie fragen würden, warum sie »nichts dagegen getan« haben – nichts dagegen getan, dass diese Art der Politik nun irreversibel in den Staatsbankrott führt und damit zur Erstarkung totalitärer Strukturen.

      Heute erschöpfen sich die Wohltaten der alten Revolutionäre hauptsächlich in der üblichen sozialistischen Uniformierung. Nicht nur die Klassenunterschiede sollen durch Umverteilung aufgehoben werden (wovon man aber in Regierungsverantwortung wieder abkommt), auch die Geschlechter (Gender-Ideologie) und die Ethnien (Einwanderung), bis letztendlich der totale Einheitsmensch in seiner ganzen Pracht erstrahlt. Dazu bedienen sich die Alt-68er und ihr totalitärer Arm, die Antifa, des Orwellschen Neusprechs und einer besonders perfiden Form der Hegelianischen Dialektik: durch undemokratische Aktionen die Demokratie sichern, durch faschistischen Radau den Antifaschismus erhalten, durch Krawalle und Übergriffe den Weltfrieden hervorbringen und durch Zensur die Meinungsfreiheit garantieren (schließlich ist jede Meinung abseits des linksliberalen Blickwinkels grundsätzlich ein nationalsozialistisches Derivat). Die Antifa ist tatsächlich neben dem in wirtschaftlich schlechten Zeiten aufkeimenden Rechtsextremismus und der wachsenden islamistischen Parallelgesellschaft eine der wenigen zu 100% faschistischen Erscheinungen der Nachkriegszeit und die Verwandtschaft mit der 33er-Revolte ist nicht zu leugnen. Dass der Antisemitismus der Nazis in Wahrheit aus der sozialistischen Gleichsetzung des internationalen Kapitals mit dem internationalen Judentum entstand, Juden daher als fleischgewordene Kapitalisten