Science-Fiction-Romane: 33 Titel in einem Buch. Walther Kabel

Читать онлайн.
Название Science-Fiction-Romane: 33 Titel in einem Buch
Автор произведения Walther Kabel
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788075835246



Скачать книгу

den Händen reißt, – sie fällt von Ast zu Ast und liegt tief unter mir auf einer Wurzel.

      Aus den Weiden zwei neue Schüsse, – trotz der schlechten Beleuchtung sehe ich die Strohhüte der Kuli-Schützen, und der Tiger sinkt mit einem gurgelnden Stöhnen zurück, Äste brechen, – er rollt ins Wasser, will wieder auf die Beine, – ein kurzer Todeskampf, und er liegt still.

      Wohl ihm. Er hat alles überstanden. Und ich?!

      Die beiden Chinesen springen schon von der Uferböschung in den Fluß, – sie müssen mich sehen, wenn ich auf dem Stamm rückwärts krieche … Es ist zu spät.

      Sie sind schon vor mir, – der eine, ein alter, schrumpeliger Bursche mit verschlagenen Zügen, glotzt mir gerade ins Gesicht … Seine Lippen öffnen sich schon … Sein Schrei wird die ganze Bande herbeilocken, und …

      Wie eine Vision sehe ich da die Szene im Blockhaus, in dem lilaseidenen Zimmer, sehe Wassili Gowin die Hand auf das Herz drücken, – – das Geheimzeichen der Wangs …

      Eingebung des Augenblicks: Ein allerletzter Versuch …!

      Ich richte mich etwas auf, ich presse den Handballen genau wie Gowin auf die Stelle des Herzens, flüstere dazu:

      »Tschu-Wang!!« … und lege den Zeigefinger auf die Lippen und schiebe mich eilends der Insel zu. Mag werden, was will, – es ist das Letzte, das ich zu unserer Rettung tun konnte …

      Die beiden Chinesen?!

      Ich könnte jubeln …: Sie nehmen keinerlei Notiz mehr von mir, sie packen den Tiger bei den Hinterbeinen, schleppen ihn ans Ufer, versetzen den andrängenden Hunden Fußtritte … Man zieht die Beute dann mit Riemen durch die Weiden, – es ist so dunkel, daß ich kaum mehr die einzelnen Gestalten unterscheide, nur den Lärm höre ich, … er entfernt sich … Und dann ist die Nacht da und die Stille, der Fluß plätschert und wispert, der Wind singt in den schlanken Weiden, jedes Blättchen scheint mir lustig zitternd Glück zu wünschen.

      Ich hole meine Büchse. Und als ich dann festen Boden erreiche, stehen Wera und Wrangel vor mir, Wera tief gebückt, sie hält dem Hunde das Maul zu, und in ihr leises, frohes Lachen klingt das dumpfe Knurren Wrangels wie der mürrische Baß eines enttäuschten Jagdeifrigen hinein.

      »Er hätte uns verraten …« sagt sie hastig … »Die Schüsse weckten mich … Wie haben Sie es nur fertiggebracht, Olaf, daß die beiden Chinesen Sie nicht mehr beachteten und so eilends abzogen?!«

      Es ist dunkel, sie kann mein Gesicht nicht erkennen. Der Schreck über diese Frage wäre mir sicherlich an meiner bestürzten Miene abzulesen gewesen.

      Ich will Zeit gewinnen.

      »Gehen wir in die Hütte, Fürstin …«

      Mein Ton macht sie stutzig.

      »Kannten Sie die Leute?«

      Mißtrauen spüre ich …

      »Nein, wirklich nicht … Ich kannte sie nicht, aber es gab ein Mittel, sie für mich zu gewinnen.«

      »Geld?!« Und das ist feiner Spott. »Ach Olaf, Sie schleppen sich doch mit Geld niemals herum … Denken Sie an die Flußfahrt im Nebel … Sie erzählten mir so vieles, zu viel oder … zu wenig, Olaf! Sie haben Macht über diese Kulis von den Ölfeldern – woher?!«

      Sie hat sich aufgerichtet, und ihre Linke drückt meine Schulter.

      »Woher?!«

      Ich bin in die Enge getrieben. Mein Zögern macht sie noch argwöhnischer. Sie ist klug, eine Wera Zubanoff läßt sich nicht so leicht täuschen.

      »Kommen Sie, Fürstin …«

      Einmal muß sie ja doch die Wahrheit erfahren.

      9. Kapitel

       Tschanli, der Wang

       Inhaltsverzeichnis

      Chedees Hütte verträgt keinen Vergleich mit dem großen Blockhause. Chedee-Ponas Hütte ist ein nachlässiges Bauwerk nach Giljakenart: Doppelte Wände aus dünnen Tannenstämmen, die Ritzen mit Lehm verschmiert, der Zwischenraum mit Moos, Sand, Laub ausgefüllt, dazu ein flaches Dach aus demselben Material, bespannt mit rohen Robbenhäuten, eine Tür aus Flechtwerk, beiderseits mit Fellen abgedichtet, und zwei Fensteröffnungen unter der Decke, von denen die eine auch dem Rauch des Steinherdes Abzug gewähren soll.

      Innen nur das Allernotdürftigste, Tannenstämme als Fußboden, darüber Lehm, der rissig und bröckelig ist, – ein altes Segel teilt Weras Kemenate ab … Zwei Petroleumlaternen sind fast Luxus. –

      Wera verhängt die Fensterlöcher, ich zünde die beiden Laternen an, und zwei Schemel aus Wurzelknorren bilden unsere Sitze neben dem Herde, auf dem die Flammen langsam höher lecken und den eisernen Kessel umspielen.

      Wera wird uns nachher Reis kochen …

      Nachher.

      »Fürstin, ich hätte Ihnen gern gerade dies verschwiegen,« beginne ich wenig diplomatisch.

      »Gerade dies?!« Sie wird bitter. »Es gibt nichts, das meine Seele noch mehr zermürben könnte, – höchstens das Gefühl, daß auch Sie nicht aufrichtig sind!«

      In diesem Vorwurf klingt etwas mit, das mir geradezu wohltut. Wera ist mir im Verlauf von anderthalb Tagen mehr geworden als nur Kameradin. Was mich zu ihr hinzieht, ist nicht lediglich das vergröberte Gefühl des Augenblicksbegehrens. Zwischen uns schwingen feinere Saiten. Und daß auch sie dies empfindet, zeigte mir ihre letzte Bemerkung.

      Wir sitzen uns gegenüber, das Herdfeuer beleuchtet ihr rassiges Antlitz … Kein Künstler könnte die Feinheiten dieses einseitig von rosigem Licht bestrahlten Gesichtes wiedergeben. Ich strecke ihr die Hand hin, und Hand in Hand erzähle ich ihr von meiner Vermutung, daß ihr Gatte der dreizehnte Tschu-Wang, der Großmeister, sein müsse und die beiden Chinesen vorhin gleichfalls zum Bunde gehören.

      Ihre Züge zeigen keinerlei Veränderung. Sie denkt scheinbar angestrengt nach, schweigt und sagt schließlich mit unmerklichem Kopfschütteln:

      »Fürst Zubanoff ist Europäer, europäischer Russe … Wie könnte er den phantastischen Ideen des Doktor Wang Ho, eines Chinesen, dienen?!«

      Auch die Frage habe ich mir längst überlegt.

      »Bedenken Sie, Fürstin: Er muß die neuen Machthaber Rußlands hassen! Oder die Zubanoffs waren, wie Sie mir selbst mitteilten, Tscherkessenfürsten … Sollte in dieser Familie nicht irgendwie auch Asien vertreten sein?«

      Sie nickt widerwillig. »Ja … Sie haben recht, Olaf … Witschas Mutter war die Tochter des Baschkirenschans Umir Dabar, der zu den modernsten asiatischen Steppenfürsten zählt …« Sie nickt energischer. »Ja … – nicht Haß, Olaf, nein, – mein Gatte war wohl immer ein wenig Schwärmer, redete oft von Dingen, die mir gänzlich fernlagen.« Ihre Hand zuckt in der meinen, und sie fügt bitter hinzu: »So hat er also seine politischen Phantastereien mir vorgezogen!! Eine herbe Erkenntnis für eine Frau, die all diese Jahre ihn gesucht hat, während er doch zweifellos mit Doktor Wang Ho bis zu dessen Hinrichtung in engster Verbindung stand.«

      Sie starrt in die Flammen. »Eine sehr herbe Erkenntnis!! Und dennoch, – irgend etwas bei alledem stimmt nicht, Olaf … kann nicht stimmen! Tatsache ist doch, daß er nach Rußland von den beiden Schurken, deren Tod ich wahrlich nicht bedauere, ausgeliefert wurde. Wie entfloh er? Weshalb erhielt ich nie Nachricht von ihm?! Weshalb und wie erwählte Doktor Wang gerade ihn zu seinem Nachfolger?! – Olaf, wir tappen noch immer im Dunkeln, – Olaf, wir dürfen nicht urteilen, erst recht nicht verurteilen, bevor wir nicht vollkommen Klarheit gewonnen haben!« Sie drückt meine Hand, steht auf und wendet sich dem Herde zu. »Olaf, es ist besser, wir lassen diese Dinge vorläufig ruhen … Etwas wird geschehen. Hier bleiben wir nicht. Ich bin nicht die Frau, die abwartet. Mir wird schon irgendein Weg einfallen, der für uns gangbar ist …« Sie dreht mir jetzt