Science-Fiction-Romane: 33 Titel in einem Buch. Walther Kabel

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Название Science-Fiction-Romane: 33 Titel in einem Buch
Автор произведения Walther Kabel
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788075835246



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zu sterben wissen. Bluß hatte mir es beim ergebnislosen Verhör ins Gesicht geschrien, daß Bell Dingo hier auf der Farm aufgewachsen war, daß er ein jämmerlicher armer Nigger gewesen, daß er alles versucht hatte, um sich emporzuarbeiten, besessen von einem Ehrgeiz, der seiner Intelligenz entsprach. Es stimmte schon, – er hatte den Glauben für einen halbwegs anständigen Anzug gewechselt, – alles stimmte, nur die Hauptsache hatte Freund Ai Ai mir verschwiegen: Daß er an den Nordabhängen des Mount Guide vor vier Jahren eine Goldader entdeckt hatte, die ihn über Nacht zum vielfachen Millionär machte. Nun besaß Dingo ein Dutzend Großfarmen, Bergwerke, eine Villa in Sydney, Autos, eine Jacht, Flugzeuge … Sein Generaldirektor war ein englischer Edelmann, seine Mitarbeiter waren Weiße, und er der Herr …

      Schwarzes Schwein hatte Bluß ihn genannt.

      Und nun sollte Bell Dingo sterben.

      Mir gefror das Blut in den Adern.

      Ich konnte nicht schweigen, ich durfte diesen infamen Mord nicht zulassen, Bluß war nicht zurechnungsfähig …

      „Kolonel!“ brüllte ich über das Wasser …

      Er hatte das andere Fenster geöffnet und antwortete mir nur mit einer Handbewegung. Sein Gesicht war grau und starr.

      Man hob Dingo auf das Fensterbrett, man nahm ihm die Fußfesseln ab und legte ihm die Schlinge um den Hals.

      Die Queensländer waren betrunken, merkte ich erst jetzt. Der Alkohol, wilde Erinnerungen machten sie zu Bestien.

      Bluß stand mit verschränkten Armen im Abendsonnenschein. Er rauchte, aber die Zigarre in seinem Mundwinkel war erloschen.

      Dingo schritt langsam auf dem Balken bis zur Spitze. Seine Augen waren seltsam stier auf die dunkle Pforte des düsteren Mausoleums gerichtet, in dem die Eltern der Schwestern in offener Gruft in schweren Särgen aus Teakholz ruhten.

      Mein Herz setzte aus, jagte, setzte aus …

      Und wieder versuchte ich ein Letztes. Meine Stimme fuhr hinüber über den von blanken Fischen belebten Weiher, der einen Ab- und Zufluß hatte und der jetzt rosig schimmerte und rosige Palmen wiederspiegelte.

      „Oberst Bluß, Gott wird Sie strafen!!“

      Ich wußte nicht, wie ich gerade auf Gott kam …

      Bluß lachte verächtlich.

      Dingos Augen hafteten auf dem Mausoleum der Ruxas. Er hatte glückliche Tage hier auf der Farm verlebt, und seine Liebe zu Ethel und seine Treue waren erhaben, wuchsen über Menschliches hinaus.

      Dingo stand stolz da, Bluß den Rücken zugekehrt.

      „Stoßt das Schwein hinab …!“ geiferte Bluß … „Schwarzer Lump, springe!! Wo sind die Weiber?“

      „Suche Sie … Du wirst sie nicht finden, Kolonel … Sie sind längst bei den Toten.“

      Bluß kreischte: „Stoßt ihn hinab!!“

      Aber jetzt zögerten seine Leute …

      Er riß die Stange hoch … Sein Gesicht war gräßliche Fratze …

      Er stieß zu …

      Dingo taumelte… Sauste in die Tiefe, und ich schloß die Augen, mein Herz stand still, für Sekunden verlor ich das Bewußtsein. Übelkeit würgte mir in der Kehle, – eine ohnmächtige Wut machte mich zittern, mein Leib flatterte wie im Fieber.

      Meine Nerven hatten versagt. Ich hatte Nerven aus Eisen zu haben geglaubt, – dieser schändliche Mord spottete ihrer.

      Die Wut wuchs, und diese Wut, gesteigert bis zur Ekstase, machte meine Hände frei. Hautfetzen blieben in den Schlingen – ich fühlte nichts, und die Nebel vor meinen Augen wichen.

      Ich schaute hin.

      Das Bild hatte sich verändert. Was ich zu sehen fürchtete, sah ich nicht. Ich sah unter den Fenstern des Galgens in denen des ersten Stocks gerade noch ein großes Bügelnetz verschwinden, in dessen Netzbeutel Dingo lag. An jenen Fenstern kribbelte es von schwarzen Leibern. Und Dingo lebte, – er sprang in das Zimmer hinein.

      Das war nicht alles.

      Unten im Park kribbelte es gleichfalls von Schwarzen …

      Das waren nicht hundert, das waren hunderte.

      Das war ein breiter Ring Bewaffneter, der den Palast umgab. Da waren kleinere Trupps, die die Türen besetzt hielten, – an allen Fenstern erschienen sie …

      Bluß und die Queensländer waren verschwunden.

      Unter mir Rufe, Geräusche … Drei Schwarze turnten empor. Mein Wächter stand waffenlos dabei. Die drei schafften mich behutsam hinab, und sie mußten mich stützen, meine Beine waren tot, mein Leib ein einziger Schmerz.

      Man führte mich mit geradezu zärtlicher Sorgfalt um den Weiher, dessen Fische ich jetzt liebte. Nur das Fischnetz mit der starken Stange, dem starken Bügel und den derben Maschen hatten Dingo gerettet.

      Die, die mich stützten, waren Leute in blauen Arbeitsanzügen, Leute von Dingos Nachbarfarm, aus Borraloola … – Das Telephon hätte Bluß vielleicht unbrauchbar gemacht beim Anmarsch, aber die Leitung lief unterirdisch. Das Telephon hatte die hunderte herbeigeholt, und die Queensländer wären in Fetzen zerfleischt worden, wenn Dingo schon tot gewesen.

      Auf der Terrasse saß Bell Dingo, bereits wieder in sauberem neuen Anzug, mit zwei Weißen, die er mir als Kolonel Mallingrott aus der Stadt Borraloola und Leutnant Schell vorstellte…

      … Ganz so, als ob wir uns etwa im Speisesaal des Astor-Hotel in Sydney begegnet wären.

      „Mallingrott, dies ist Mr. Elsen, der heute kurze Zeit mein Gast war …“ sagte Dingo und bettete mich in einen Liegestuhl.

      Der Oberst entschuldigte sich bei mir.

      „Bluß ist zweifellos krank, irrsinnig geworden, Mr. Elsen … Wir haben ihn fesseln müssen, er tobt …“

      Der Diener Kanarra brachte Wein, Zigarren, Zigaretten und bediente uns lautlos und gewandt.

      Mallingrott trank Dingo zu. „Mr. Dingo, ich freue mich, daß wir noch zur rechten Zeit kamen …“

      „Sie haben allen Grund sich zu freuen,“ meinte Bell kühl. „Mein Tod wäre furchtbar gerächt worden, – ich glaube, hier in hunderte Meilen Umkreis gäbe es keinen lebenden Europäer mehr, sobald … – doch lassen wir das. Sie nehmen Bluß’ Leute wohl mit nach Borraloola …“

      „Natürlich,“ beeilte sich der Oberst zu versichern. „Die Burschen werden unter Anklage gestellt werden, und …“

      „Das wünsche ich nicht. Bluß hat sie betrunken gemacht, und Bluß wird in einer Anstalt enden. Auch ihm trage ich nichts nach. Er ist auch nur ein Mensch …“

      Der Oberst schnitt verlegen die Spitze seiner Zigarre ab. „Mr. Dingo, das ist sehr großmütig … Haben Sie sonst noch Befehle?“

      „Nein … – Kanarra, wann können wir speisen?“

      „Um halb neun wie immer, Mr. Dingo.“

      „Es ist gut …“

      Mallingrott wandte sich mir zu.

      „Mr. Elsen, Sie werden recht peinliche Erinnerungen von diesem Ausflug mit an Bord Ihrer Jacht nehmen …“

      „Ich pflege für derlei ein sehr schlechtes Gedächtnis zu haben …“ meinte ich höflich.

      „Sie bleiben hoffentlich noch einige Tage bei mir,“ bat Dingo und betrachtete seine Fingernägel. – Der Ring am kleinen Finger fehlte.

      „Sehr gern …“ und das kam mir von Herzen. –

      Die Abendtafel dehnte sich bis gegen Zehn aus. Dann verabschiedeten sich der Oberst und sein Leutnant, und Dingo geleitete sie bis zur Terrasse. Die schwarzen Arbeiter zogen gleichfalls ab. Der lange Zug verschwand nach Nordwest in der sternklaren Nacht. Der Oberst