Science-Fiction-Romane: 33 Titel in einem Buch. Walther Kabel

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Название Science-Fiction-Romane: 33 Titel in einem Buch
Автор произведения Walther Kabel
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788075835246



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Ich packte ihn mit der Linken bei den Jackenaufschlägen und schüttelte ihn. „Du hast die Trosse gelöst, du hast …“

      Mit einem Male kam Leben in ihn. Seine Bärenpranken legten sich um meine Handgelenke. – Ich bin kein Schwächling, ich war einen Kopf größer als der Schwarze, aber seine Muskeln spotteten der meinen. Seine ganze Art, wie er diesen Angriff abwies, setzte mich in Erstaunen.

      „Mussu, ich nicht sein Sack mit Schafwolle … Ich haben Trosse gelöst, ai ai, – ich dachten, das so gut sein …“

      Die Schraubstöcke seiner Finger lockerten sich.

      Ich habe ihn nie wieder wie einen Sack zu schütteln versucht.

      „Entschuldige …“ Vielleicht hätte ich mich sogar zu einer längeren Versöhnungsrede aufgeschwungen, aber Bell Dingo sagte schon in gänzlich verwandeltem, fast demütigen Tone:

      „Paddon, Mussu … Ich nur wollen zeigen, wie stark ich sein. Außerdem, Mussu: Trosse lag plötzlich schlaff, und Knoten waren leicht zu lockern … Du hören, kein Motor mehr tackt – alles still, nur Vögel …“

      Er hatte auch darin recht. Der Motor war verstummt. Mein Verdacht gegen Dingo war übereilt gewesen.

      Alles still?! Nur Vögel?! – Nur Sekunden traf das zu …

      Vor uns im Nebelgebräu lebte wilder Lärm urplötzlich auf, eingeleitet durch eine Anzahl Schüsse, denen das Brüllen zahlreicher Stimmen, gellende Schreie, neue Schüsse folgten.

      „Kampf,“ sagte Dingo sehr sachlich. „Keine gute Bucht das sein, Mussu …“

      Der Lärm erlosch ebenso jäh.

      Und diese Stille hatte etwas Unheimliches an sich. Die grauen Vorhänge des Nebels glichen undurchdringlichen Mauern eines verrufenen Hauses, in dem menschliche Leidenschaften sich ungehemmt austoben. Hüter der Ordnung versuchen sich Eingang zu verschaffen, zu retten, zu helfen … Sie stehen machtlos vor einer Zwingburg des Grauens.

      Und grau der Nebel ringsum … Zäh und feucht und die Brust beklemmend mit seiner lauen Wärme – gleich dem Giftodem eines phantastischen Ungeheuers.

      3. Kapitel

       Um eine Brigantin

       Inhaltsverzeichnis

      Bell Dingo flüsterte rauh: „Besser gehen hinab, Mussu … Ich hören Ruderschläge … Boot kommen …“

      Ich beugte mich mit angespannten Sinnen weit vor.

      „Komm’, Freund Dingo …“ – es war Zeit, die Insel tauchen zu lassen. „Komm’, – wer die Leute auch sein mögen, sie werden uns nicht finden.“

      Aber seine Bärentatze – und doch die treueste Freundeshand, die ich je gedrückt habe – zwang mich zum Bleiben.

      „Mussu, still sein …!!“

      Auf seinen braunen Segeltuchschuhen, die er so sorgsam schonte, glitt er bis zum Wasser hinab. Seine Bewegungen waren in diesem Augenblick völlig die eines Wilden der weiten australischen Einöden, vielleicht die eines vierbeinigen Dingo von der großen Nachbarinsel Tasmanien.

      Dann regte er kein Glied, schob den Kopf lauschend vor und verfolgte offenbar mit dem Gehör den Kurs des Bootes, von dem nichts als das Knarren der Dollen und das Plätschern der Ruderblätter zu vernehmen war.

      Ich irrte mich abermals.

      Bell Dingo eilte nach links davon, seine Gestalt wurde undeutlicher, ihre Umrisse zerflossen, – – er bückte sich ganz tief, und mit einem Male hob er aus der sanft brandenden Flut eine zweite Gestalt empor, trug sie im linken Arm die Steilküste hinan, winkte mir zu. Erst unten in meinem erleuchteten Wohngemach warf ich einen Blick auf den neuen Gast: Es war ein Weib! – Ihre bleiche Schönheit verwirrte mich … Ich bediente zerstreut die Hebel, und die Tauchbassins füllten sich. Meine Insel versank … Ein sanfter Stoß bewies mir, daß die Wassertiefe hier in der Bucht kaum genügte, die höchsten Bimssteinklippen des Eilandes zu überfluten.

      Als ich zu meinen beiden Gefährten zurückkam, saß die blasse Frau im Schreibsessel, und Bell Dingo lehnte ihr gegenüber an der Wand. Ihre dunklen Augen schauten mir flehend entgegen …

      „Dieser Schwarze da ist entsetzlich, mein Herr,“ sagte sie in fließendem Französisch und hob die Arme, als wollte sie meinen Schutz gegen Freund Dingo erbitten.

      Es hat eine Zeit gegeben, da ich jedem Weibe mit so wundervollen Augen blindlings vertraut hätte. Meine Leichtgläubigkeit liegt dort irgendwo im Norden auf der anderen Seite der Erdkugel begraben in einer verwanzten Zuchthauszelle. Und diese Frau war fast zu schön, um nicht bis ins Mark hinein angefault zu sein. Schönheit ist das bequeme Sprungbrett zu Eitelkeit, Genußsucht, Lüge und Überschätzung des eigenen Ichs.

      „Wer sind Sie?“ fragte ich absichtlich auf englisch, damit auch Bell Dingo alles verstände.

      Von der Wand her kam die Antwort, und der Australier unterstrich seine Worte durch eine drohende Handbewegung:

      „Das sein La Kruxa von große Wüste, Mussu, – sein größte Banditin Australiens …“

      La Kruxa?! Was sollte das?!

      Die Frau selbst gab die Erklärung, und ihre Stimme wurde von Tränen halb erstickt: „Bin ich verantwortlich dafür, daß meine Schwester „Das Kreuz der Wüste“ genannt wird?!“

      Ich entsann mich. Ich hatte ja das Paket Zeitungen gelesen …: australische Blätter, und in jeder Nummer waren da neue Heldentaten dieser geheimnisvollen Straßenräuberin erwähnt worden. Auch ihr Bild, ihre Lebensbeschreibung und sogar ihre Handschrift waren zumeist in enger Verbindung mit einem Steckbrief und einer Belohnung von 1000 Pfund Sterling für ihre Ergreifung mit veröffentlicht worden. Sie besaß eine Schwester, diese fast märchenumwobene Brigantin, und diese Schwester war verheiratet mit einem braven Schiffskapitän.

      „Ich bin Ethel Murray, geborene Ruxa,“ erklärte sie weiter, und ihre Tränen mischten sich mit den Wasserrinnsalen, die aus ihrem nassen Reitanzug aus Kordstoff auf den Bastteppich flossen.

      „Retten Sie mich, wenn Sie ein Gentleman sind …! Die Polizei verfolgt mich. Ich habe mich für meine Schwester Paloma geopfert.“

      Australische Räuberromantik war mir nichts Neues. Vor Jahren hatte ich als Ingenieur in Sidney gearbeitet, war dabei mehrmals bis tief hinein in die Wüsteneien des kleinen Kontinents gelangt, – ich kannte die riesigen Schaffarmen mit ihren meilenlangen Stacheldrahtzäunen, ich hatte Goldgräberlager besucht, ich war Schlafgast in entlegenen Polizeistationen gewesen. Australien ist noch heute wie einst Schauplatz toller Kämpfe zwischen Banditen und Polizei. Immer wieder werden Goldtransporte überfallen, immer wieder sammeln sich verzweifelte Elemente um einen besonders wagemutigen, intelligenten Anführer. Diese Buschklepperbanden sind kaum zu fassen. Dazu ist das Innere zu dünn besiedelt, die Entfernungen zu groß, die Verstecke zu zahlreich, die Wälder zu endlos, der Busch zu dicht und zu unwegsam.

      Was ich über diese Paloma Ruxa, stets nur die Kruxa (als verstümmeltes Gebilde aus Krux: Kreuz und dem Familiennamen Ruxa) genannt, gelesen hatte, übertraf freilich alles bisher Dagewesene. Sie, zweite Tochter eines durch die Schafpest verarmten Farmers spanischer Abkunft, durfte sich rühmen, volle zwei Jahre ganz Australien in Atem gehalten zu haben. Man sagte ihr nach, sie habe in diesen zwei Jahren nicht weniger als fünfzigtausend Pfund Sterling in Gold zusammengeraubt. Man dichtete ihr einen reichen Liebhaber an, der, von ihrer blendenden Schönheit bezaubert, für sie insgeheim eine eigene Schutzwache halten sollte. Dieser Narr sollte ein englischer Lord sein, – – sollte, sollte, – niemand wußte Genaueres. Wahrscheinlich hatte ein phantasievoller Reporter diesen Lord sich aus den schreibfreudigen Fingern gesogen, – wahrscheinlich würden auch die fünfzigtausend Pfund Sterling später arg zusammenschrumpfen … Ich bin in allem so zweifelsüchtig gewesen, nachdem ich eine ganze Anzahl Monate allnächtlich Wanzenjäger gespielt habe.

      Aber