Die zweifelhafte Miss DeLancey. Carolyn Miller

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Название Die zweifelhafte Miss DeLancey
Автор произведения Carolyn Miller
Жанр Языкознание
Серия Regency-Romantik
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783775174862



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Ich dachte, Ihr Bruder sei auf See?«

      »Nicht mehr, der Arme.« Der Rotschopf murmelte etwas und lief hinaus, um das Geschenk zu holen.

      »Ihr Bruder lebt bei Ihnen?«, fragte Clara.

      Mrs McPherson nickte. »Im Moment, ja. Bis er wieder richtig zu Hause angekommen ist. Das Zusammenleben mit unserem ältesten Bruder ist nicht immer ganz einfach.«

      Clara musste fragend ausgesehen haben, denn die Pfarrersfrau fuhr fort.

      »Unser Vater ist vor einem Weilchen gestorben und George hat einen Titel geerbt. Ich glaube, er hat das Gefühl, er sei jetzt das Oberhaupt der Familie und müsse dieser Aufgabe gerecht werden; deshalb ist er längst keine so gute Gesellschaft mehr wie früher. Außerdem lebt Benjie lieber am Meer, als mit George in Chatham Hall eingesperrt zu sein.«

      Clara lächelte ironisch. Solche nicht sehr angenehme Gesellschaft kannte sie nur zu gut.

      »Sagen Sie, Miss DeLancey, mögen Sie das Meer? Ich habe bis jetzt noch gar nicht versucht, im Meer zu schwimmen. Mein Mann ist sehr skeptisch, was diese Dinge betrifft, aber es muss sehr belebend sein.«

      »Ich fürchte, meine Eltern sind da genauso skeptisch wie Mr McPherson.«

      »Wie schade!«

      Miss Kemsley kam zurück, einen zylindrischen Gegenstand in der Hand. »Wenn Sie durch das schmale Ende schauen, sehen Sie ganz fantastisch in die Ferne.«

      Sie zeigte Clara, wie sie das Rohr halten und die Ringe drehen musste, um die Sicht schärfer zu stellen.

      »Wie herrlich!«, rief Clara aus. Sie konnte die Schwimmer sehen, die kleinen Häuschen am Ufer, die Badekarren im Wasser mit den Badenden darin. Und … »Oh!« Ganz rot geworden, ließ sie das Fernglas sinken. »Ich wusste nicht, dass man so gut damit sehen kann.«

      »Benjie warnt uns immer, zu genau hinzuschauen. Manches möchte man gar nicht sehen«, meinte Mrs McPherson mit Schalk in den Augen. »Ich hoffe, Sie sind nicht zu schockiert.«

      »Ich hätte nicht gedacht, dass ein so beleibter Mensch sich über Wasser halten kann, ganz zu schweigen davon, dass er es für notwendig halten könnte, sich am ganzen Körper dem Wasser auszusetzen.« Clara schauderte; das Bild des dicken nackten Mannes wollte nicht verschwinden.

      »Meerwasser trägt sehr gut, hat Benjie uns erzählt. Er sagt, im Meer zu schwimmen, sei ein wunderbares Erlebnis.«

      »Ich würde zu gerne einmal im Meer baden«, sagte Miss Kemsley sehnsüchtig. »Würden Sie es nicht auch gern versuchen, Miss DeLancey?«

      »Ich …«

      »Aber meine Liebste, wir dürfen Miss DeLancey nicht langweilen! Warum erzählst du unserem Gast nicht von deinem Fernrohr?«

      »Oh. Ja. Das Fernrohr kann sehr nützlich sein.« Miss Kemsley beugte sich vor. »Vor Kurzem wurde es sogar benutzt, um jemanden zu retten, der in Not war.«

      »Wirklich?«

      Die kleine Rothaarige nickte. »In der Nacht, in der es so schrecklich gestürmt hat. Ich möchte in so einer Nacht nicht draußen sein. Sie doch auch nicht, oder?«

      Clara erstarrte. Nein, das konnte nicht sein. Es musste um die Rettung eines Bootes gehen.

      Mrs McPherson lächelte. »Sie brauchen nicht so erschrocken zu sein, liebe Miss DeLancey. Es ist alles gut ausgegangen. Anscheinend wollte die alte Dame sich gar nichts antun.«

      »Alte Dame?« Sie atmete erleichtert auf. Sie sprachen also doch von einem anderen Zwischenfall. Obwohl – wie viele Leute, die gerettet werden mussten, waren wohl in einer der stürmischsten Nächte des Frühjahrs unterwegs?

      »Ja, auf den Klippen. Armes Ding. Es scheint sehr knapp gewesen zu sein.«

      Du lieber Gott! Sie sprachen von ihrem Unfall. Aber wen meinte sie? In welcher Verbindung stand ihr Retter zu den McPhersons? Sie sah sich um. Entdeckte die kleine Laterne, die sie damals vergessen hatte. Ihr wurde übel. Sie musste hier weg, bevor ihr Retter zurückkam. Er hatte vielleicht geglaubt, eine alte Dame gerettet zu haben – sie spürte, wie Empörung in ihr aufstieg: So alt konnte sie doch auch wieder nicht wirken! Aber was, wenn er sie wiedererkannte?

      »Miss DeLancey? Geht es Ihnen gut? Es tut mir leid, wenn dieses Gespräch Sie beunruhigt. Heutzutage fechten so viele Menschen schwere innere Kämpfe aus, vor allem jetzt, wo so viele Männer im Krieg fallen. Es wundert einen nicht, wenn manchmal jemand keine andere Möglichkeit sieht, als sich etwas anzutun. Deshalb haben wir hier in Brighton das Seemann-und-Soldaten-Heim gegründet.« Mrs McPherson sah ihre Schwester an. »Tessa, bring das Fernrohr fort. Ich glaube, wir brauchen noch eine Kanne Tee.«

      »Oh, aber ich …« Was konnte sie sagen? Dass sie gehen musste, bevor ihr geheimnisvoller Retter kam und sie womöglich wiedererkannte? Sich wohl bewusst, dass die beiden sie aufmerksam beobachteten, schluckte Clara, dann sagte sie: »Ich muss nach Hause und ich möchte Sie auch nicht zu lange von Ihrer Familie fernhalten.«

      »Soll das heißen, Sie wollen den Helden nicht kennenlernen?« Mrs McPhersons Lächeln vertiefte sich. »Die meisten jungen Damen wünschen sich nichts sehnlicher.«

      »Ich bin nicht wie die meisten jungen Damen«, platzte Clara heraus.

      Mrs McPherson lachte. »Ich wusste, dass ich Sie mag. Keine Sorge, Miss DeLancey. Er ist den ganzen Tag fort.«

      Wieder atmete sie erleichtert auf. Das anschließende Gespräch beim Tee ließ sie ihr Unbehagen beinahe gänzlich vergessen. Dann war es wirklich Zeit zu gehen. Clara stand auf, seltsam zögernd. Sie konnte gut verstehen, dass der Bruder der beiden Damen bei ihnen leben wollte. Sie hatte seit Jahren keine so warmherzige, freundliche Atmosphäre mehr erlebt.

      »Ich danke Ihnen, Mrs McPherson. Es war sehr schön bei Ihnen.«

      »Das freut mich. Ich habe Ihre Gesellschaft ebenfalls genossen. Und bitte, nennen Sie mich doch Matilda, schließlich sind wir ja jetzt Freundinnen.«

      »Und ich bin Tessa«, sagte ihre Schwester.

      »Sehr erfreut, Matilda. Tessa.« Clara lächelte und streckte die Hand aus. »Ich bin Clara. Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder.«

      Jetzt würde die Einladung zum Gottesdienstbesuch kommen. Doch nein, ein schlichtes Auf Wiedersehen und sie war draußen, schritt durch das Tor und wanderte die Straße zurück zu Donaldson, wo Meg auf sie wartete.

      Sie musste unwillkürlich lächeln. Es war so schön gewesen. Die Frau des Pfarrers und ihre Schwester wirkten so ungekünstelt. Wenn Mutter über ihre offene Art hinwegsehen könnte – die Wangen wurden ihr wieder heiß, als ihr der Unfall mit dem Fernrohr einfiel –, würde sie diese Bekanntschaft wahrscheinlich gutheißen.

      Chatham Hall. Sie würde Vater fragen, ob er den Ort kannte. So, wie Matilda geredet hatte, klang es, als hätte ihre Familie durchaus gesellschaftlichen Einfluss. Wenn das stimmte, würden ihre Eltern die einzigen Freunde, die sie seit ihrer Ankunft in Brighton vor vielen Monaten gefunden hatte, nicht mehr ablehnen.

      Wieder spürte sie das Ziehen in ihrem Herzen. Es war eine drängende Sehnsucht nach Freundschaft. Brighton mochte hübsch sein, doch es war einsam; hier lebten fast nur Alte und Kranke. Dennoch verspürte sie seltsamerweise keine Sehnsucht nach ihren Londoner Freunden, die sie nach der Sache mit Richard plötzlich nicht mehr zu kennen schienen.

      Doch diese beiden Frauen, auch wenn es ihnen vielleicht an Kultiviertheit mangelte, besaßen eine Warmherzigkeit, nach der sie sich ganz tief innerlich sehnte. Vielleicht würde es sich lohnen, Vater zu einem Besuch des Gottesdienstes am Sonntag zu überreden.

      Ganz in Gedanken versunken, bog sie um eine Ecke und wäre beinahe mit einem stattlichen Herrn zusammengeprallt. »Oh … Verzeihung!«

      »Mein Fehler.« Der Mann, dessen gebräuntes Gesicht und breite Schultern an einen Sportler denken ließen, verbeugte sich.

      Ihr stockte der