Название | Die zweifelhafte Miss DeLancey |
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Автор произведения | Carolyn Miller |
Жанр | Языкознание |
Серия | Regency-Romantik |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783775174862 |
»Aber nicht, wie es sollte. Solltest du nicht besser nachschauen lassen?«
»Mattie, ich sage doch, mein Knie ist in Ordnung. Es geht mir gut.«
»Nein, tut es nicht«, sagte sie unverblümt. »Wenn du doch nur einen Funken Verstand hättest und zu deinem Londoner Arzt gehen würdest! Du willst doch kein Krüppel werden, noch bevor du dreißig bist.«
Er war ein Krüppel, obwohl er noch keine dreißig war. Mattie wollte es nur nicht wahrhaben. »Geh mal zu der alten Dame da drüben. Sie sieht aus, als wüsste sie deine Ratschläge zu schätzen.«
Sie schnaubte und ging. Er blieb, wo er war, nickte den Leuten zu, die seinen Blick auffingen, und sprach mit denen, die sich trauten, mit ihm zu reden. Eigentlich hatte er gedacht, letzten Sonntag genug über seine Zeit in Afrika erzählt zu haben, doch offenbar nicht genug für manche Männer, die unbedingt noch mehr wissen wollten. Irgendwann gelang es ihm endlich, die Rede auf Napoleons jüngste Taten zu bringen.
Tessa kam zurück. Die Gemeinde löste sich allmählich auf und sie gingen zusammen über den Friedhofsrasen, der übersät war mit Glockenblumen und den ersten Butterblumen. Welch ein Kontrast zu den wilden, unbewohnten Küsten Afrikas, wo sein verzweifelter Marsch nur durch die sparsam wachsenden, robusten, kleinen weißen Blumen etwas erträglicher wurde, die ihn an winzige Gänseblümchen erinnerten. Er schüttelte die Erinnerungen ab und antwortete, wie es von ihm erwartet wurde, auf Tessas Bemerkungen über das Wetter, das sich doch sehr gebessert hatte.
Sie kamen am weitläufigen Wohnsitz des Gemeindepfarrers vorüber, der zurzeit leer stand, weil der Pfarrer sich für längere Zeit in Irland aufhielt. David hatte seine Stellvertretung inne. Das kleine, sehr viel bescheidenere Haus für den Vikar lag ein Stück weiter an derselben Straße. Auf dem Weg den Hügel hinauf fing sein Knie wieder an zu schmerzen. Er biss die Zähne zusammen. Wenn Davids und Matties Cottage nicht einen so wunderbaren Blick aufs Meer und die Klippen bis nach Rottingdean hätte, hätte er sich wohl eine Unterkunft gesucht, die für ihn leichter zu erreichen war. Nicht dass er es sich hätte leisten können oder – er grinste innerlich – dass Mattie es ihm erlaubt hätte. An der Türschwelle stolperte er und war froh, dass seine Schwestern so sehr in ihr Gespräch vertieft waren, dass es ihnen nicht auffiel. Nur David warf ihm einen Blick zu. Ben schüttelte angesichts der unausgesprochenen Frage seines Schwagers nur den Kopf und ließ sich aufs Sofa fallen, von dem aus er auf das schimmernde Meer hinaussehen konnte.
Das spiegelglatte Wasser schimmerte im Sonnenlicht. Welch ein Gegensatz zu den tosenden Wellen in der letzten Nacht! Er dachte daran, was Matilda vorhin gesagt hatte, und versuchte, das Pochen in seinem Knie zu verdrängen. Vielleicht sollte er doch noch einmal Dr. Townsend aufsuchen. Bei der Gelegenheit konnte er auch gleich Burford und Lancaster besuchen. Er konnte sie ja mal anschreiben und fragen, was sie von einem Besuch hielten. Ja, vielleicht war eine kleine Reise nach London doch gar keine so schlechte Idee.
Zwei Tage später
Clara ging den knappen Kilometer die Marine Parade entlang zu Fuß. Sie war froh, Mutters ewiger Besorgnis entkommen zu sein, mit der jeder Raum wie mit einer schweren, dunklen Tapete ausgekleidet schien, wodurch ihr Haus sich noch winziger und beengter anfühlte, als es sowieso schon war. Sie wanderte nicht mehr auf die Klippen hinaus. Es machte ihr keine Freude mehr. Was, wenn der Mann zurückkam und sie wiedererkannte? Sie schauderte. Und dann? Und wenn sie ihn erkannte? Ihr Herzschlag beschleunigte sich. Sie zwang sich, ruhig zu atmen, damit ihre Begleiterin nichts merkte.
Megs schlaffes, teigiges Gesicht wirkte so gleichgültig wie immer. Sie war mitgekommen, um ein paar Besorgungen zu machen, und fungierte gleichzeitig als Anstandsdame. Nicht dass Clara eine Anstandsdame benötigt hätte. Mit fünfundzwanzig brauchte sie sich über Fragen der Schicklichkeit keine Gedanken mehr zu machen. Doch Mutter tat es nach wie vor und Clara stritt nicht mit ihr.
Clara blieb an dem eisernen Geländer stehen, nicht zu dicht an den Badehäuschen, und wechselte die schwere Büchertasche in die andere Hand. Der leichte Wind, der zu Brighton dazuzugehören schien, hatte offenbar einen Anfall von schlechter Laune; er kam plötzlich in kleinen, wütenden Stößen, als wollte er die Fußgänger daran erinnern, wozu er fähig war. Sie atmete tief die salzige Luft ein. Sie war kühl und belebend. Man konnte verstehen, warum Dr. Russell seinen Patienten so lebhaft die Vorteile eines Aufenthalts an der Küste empfohlen hatte. Sie fühlte sich schon besser – irgendwie reiner –, wenn sie nur die frische Seeluft einatmete. Es fühlte sich an, als würden die Spinnweben aus ihrer Seele fortgeblasen werden.
Aber natürlich war das lächerlich. So hübsch Brighton auch sein mochte, außerhalb der Saison war es einfach nur ein gewöhnliches Fischerdorf. Hier mochte zwar der berühmte Marine Pavillon des Regenten stehen, doch der würde erst in einigen Monaten wieder zu Besuch kommen. Und bis dahin würde sich auch die feine Gesellschaft nicht hier zeigen, die sich in allem nach dem Thronerben richtete, wie Bienen, die um eine Rose summten. Brighton würde also trist und öde bleiben, bis der Regent Londons müde war. Ihr selbst war das im Moment gar nicht so unrecht. Brighton ohne die feine Gesellschaft hatte den Vorteil, dass keiner sie kannte. Es gab kein Gerede, niemanden, der über sie urteilte. Doch Brighton ohne die feine Gesellschaft hatte auch einen Nachteil. Zwar kannte sie keiner, doch umgekehrt kannte auch sie noch keinen Menschen, obwohl sie jetzt schon mehrere Monate hier waren.
Eine Möwe kreiste laut krächzend am Himmel, hoch über einem kleinen Fischerboot, als sähe sie etwas, das für immer unerreichbar für sie war. Plötzlich empfand sie einen Stich, so schmerzhaft, dass sie den Atem anhielt und ihr Tränen in die Augen schossen.
»Miss?«
Sie tauchte aus ihren Tagträumen auf und sah das Mädchen an, dessen Gesichtsausdruck unerträgliche Langeweile verriet. »Ja, Meg?«
»Ich könnte vorausgehen zum Markt, wenn Sie nichts dagegen haben.«
»Nein, natürlich nicht. Ich bringe inzwischen die Bücher zurück zu Donaldson. Es dauert nicht lange.« Sie sah das Mädchen bedeutsam an. »Deine Besorgungen werden wesentlich länger dauern.«
Meg blinzelte. »Ich … äh … natürlich, Miss.«
»Dann wünsche ich dir einen schönen Vormittag. Wir sehen uns zu Hause.«
»Jawohl, Miss.«
Clara eilte davon, bevor dem Mädchen Bedenken kommen konnten. Allein unterwegs zu sein, und sei es auch nur für eine kleine Besorgung, schenkte ihr ein köstliches Gefühl von Freiheit. Sie überquerte die Parade, lief an dem Karren eines Tuchhändlers vorbei, bog in die Manchester Street ein und ging die Steyne entlang bis zur Leihbücherei.
Zu dieser Tageszeit herrschte Ruhe in dem eleganten Gebäude, sodass die Rückgabe sehr viel schneller vonstattenging als zu einer beliebteren Zeit. Sie eilte an der Sitzecke vorbei, wo die Zeitungen auslagen, und hoffte, dass der allzu freundliche Mr Whitlam sie nicht sah. Er war ein korpulenter, gichtgeplagter älterer Herr, der anscheinend auf dem Sofa am Fenster Wurzeln geschlagen und es sich zur Aufgabe gemacht hatte, jedes Mal wenn sie in die Bücherei kam, mit ihr zu plaudern. Als er aufblickte, duckte sie sich hinter ein großes Bücherregal. Sie mochte einsam sein und vielleicht sehnte sie sich ganz, ganz tief in ihrem Innern sogar nach einem Ehemann, aber so verzweifelt war sie denn doch noch nicht! Dann bog sie um die Ecke und stand vor den Romanen, ihrem – und ihrer Mutter – liebsten Lesestoff. Zwei junge Damen gingen durch die Reihen, die eine blond, die andere ein Rotschopf.
»Ich weiß nicht«, meinte die blonde Dame und betrachtete das Buch, das die Jüngere in der Hand hielt, »ich bin nicht sicher, ob es schicklich ist.« Sie sah auf, fing Claras Blick ein und lächelte. »Guten Morgen.«