Название | Leopold von Ranke: Historiografische Werke |
---|---|
Автор произведения | Leopold von Ranke |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027206056 |
Noch entsprach die Stellung, die er nun einnahm, mit nichten dem, was man sich im allgemeinen von einer neu zu begründenden Macht hätte denken können. Wäre es auf Friedrich angekommen, so würde er sich in ein ganz andres Verhältnis zu Deutschland gesetzt, Westpreußen an sich gebracht, die Grenzen nach der sächsischen Seite erweitert haben, denn höchst ungern sah er seine Hauptstadt den Anfällen eines gefährlichen Nachbarn ausgesetzt und die östlichen preußischen Lande von den übrigen Provinzen getrennt; er hätte sich wahrscheinlich auch zur See bewaffnet. Allein die gemachten Erfahrungen verboten ihm jeden Gedanken dieser Art.
Aber auch in den beschränkten Grenzen, in denen er sich halten mußte, hatte er eine Macht gegründet, unantastbar und unüberwindlich, dem Wesen nach von niemand abhängig. Ihre letzte historische Grundlage war das reichsgesetzmäßige Fürstentum mit seinen Erbrechten und Anwartschaften; allein die Monarchie Friedrichs erschien hiervon losgerissen, ihre Notwendigkeit in ihrem Dasein tragend. Der protestantisch-kontinentale norddeutsche Staat, zu dem jahrhundertelang Volk und Fürst, Anstrengung und Talent sowie das gute Glück gewirkt, war zustande gekommen.
Bauten in Berlin und Potsdam, S. 281-284. Die Gesellschaft von Sanssouci, S. 284-291.
43. Ausbruch des Siebenjährigen Krieges
Zur Geschichte von Österreich und Preußen, Werke Bd. 30 S. 231-236.
Wie man aus den Äußerungen Friedrichs gegen den englischen Gesandten,384 mit dem er die Antwort des Wiener Hofes385 noch einmal in Erwägung zog, erkennt, war sein Plan in diesem Augenblick folgender. Er wollte seinen Weg nach Böhmen durch Sachsen nehmen, wodurch er verhindern könne, daß sich dieses zu seinen Feinden schlage. In drei verschiedenen Kolonnen, zusammen 65 000 Mann stark, wollte er in Sachsen einbrechen. Die Truppen sollten sich an der sächsisch-böhmischen Grenze vereinigen; bei Melnik wollte er über die Elbe gehen und die Österreicher in ihrem Lager, das sie, wie er höre, bei Prag aufschlagen würden, aufsuchen, auseinanderjagen und seine Winterquartiere in Böhmen nehmen. Im letzten Augenblick ließ er den sächsischen Gesandten an seinem Hofe von seinem Vorhaben benachrichtigen: das ungerechte Verfahren des Wiener Hofes und die Weigerung desselben auf irgendeine anständige Auseinandersetzung einzugehen nötige ihn, nachdem er alles getan, zur Behauptung der öffentlichen Ruhe ein Armeekorps durch Sachsen marschieren zu lassen; denn er müsse Vorkehrungen treffen, um nicht wieder in eine Lage zu geraten wie die, in welche ihn der sächsische Hof 1744 und 45 gebracht habe. Er fügte dem noch einige begütigende Worte hinzu, aber sein Entschluß war gefaßt, den Widerstand der sächsischen Truppen, der ihm in dem Lande entgegentreten könne, zu erdrücken.
Zum Ergreifen dieses Feldzugsplanes trug es bei, daß Friedrich nicht allzu weit entfernt zu sein wünschte, wenn etwa die Franzosen in Deutschland einbrechen und Hannover bedrohen sollten. Wohl mußte man befürchten, daß die Österreicher ihrerseits einen Einfall in Schlesien unternehmen würden; dort aber war Schwerin aufgestellt mit hinreichender Macht,386 um Angriffe zurückzuweisen und die in der Nachbarschaft angelegten Vorratshäuser zu zerstören. Zu einem Einbruch in Böhmen war er ursprünglich nicht bestimmt. Der König meinte, wenn Schwerin die feindlichen Truppen zurückweise und zu gleicher Zeit die königliche Armee in Böhmen eindringe, so werde Österreich, falls es nicht schon bei seinem Vorrücken Vernunft annehme, dann wenigstens das Schwert in die Scheide stecken, und dadurch seine Verbündeten veranlassen Frieden zu halten.
Die große Kombination, die dem preußischen Staate ein Ende auf immer machen sollte, in ihren Prinzipien vereinbart und dem Abschlusse nahe, war noch nicht zustande gekommen.387
Friedrich täuschte sich nicht darüber, daß sein Angriff auf Österreich dazu dienen konnte, die gegen ihn gefaßten feindseligen Entwürfe zur Reife zu bringen. Eben sein Unternehmen aber war auch imstande sie zu zerstreuen und ihn auf immer zu sichern; es erschien ihm dazu als das einzige Mittel. Keine Erwägung der Welt wäre fähig gewesen ihn davon zurückzuhalten; die Sinnesweise, die ihn belebte, mit der er geboren war, trieb ihn unwiderstehlich dazu vorwärts. Wer kann die Umstände beherrschen, die zukünftigen Handlungen ermessen, den aufwogenden Elementen gebieten? In dem Konflikt der Weltverhältnisse und der persönlichen Gesinnung entspringen die großen Entschließungen. Die Fortentwicklung der Menschheit beruht darauf, daß es Staaten gibt, welche die innere Kraft besitzen, und Fürsten an ihrer Spitze, die den Mannesmut haben, unter allen Umständen ihre Stelle zu behaupten und ihre Selbständigkeit, welche ihr inneres Leben ist, gegen überlegene Feinde zu verteidigen.
In dieser Gesinnung griff Friedrich zu den Waffen. Es war am 28. August 1756, eines Sonnabends, früh gegen fünf Uhr, daß er auf dem Paradeplatz in Potsdam zu Pferde stieg, die Truppen eine kleine Schwenkung machen ließ, sich dann an ihre Spitze setzte und den Weg nach der sächsischen Grenze einschlug. Mit ihm war sein Bruder Heinrich als Führer seines Regiments; eine freudige Stimmung beseelte die Mannschaften. Den folgenden Tag wurde die sächsische Grenze von verschiedenen Abteilungen der drei Kolonnen in weitem Umkreis überschritten.
Unerwartet ist es, daß Friedrich, indem er das Schwert zog, doch damit noch nicht den Krieg unwiderruflich zu eröffnen meinte. So wenig Zweifel an der kriegerischen Absicht des Wiener Hofes ihm auch die letzte Antwort übrig ließ, so sehr ihn der Ton derselben verletzte, – er fand ihn Stolz und Verachtung atmend – , so nahm er von ihrem ausweichenden Inhalt doch Anlaß zu einer dritten Anfrage, zu der sie insofern Raum ließ, als sie sich nicht ausdrücklich auf die Hauptanfrage bezog. Er faßte die Hoffnung, durch seine Schilderhebung, ohne noch zu schlagen, den Wiener Hof zu einer Erklärung, wie er sie verlangt hatte, zu vermögen. Klinggräff388 wurde beauftragt, von der Kaiserin-Königin ohne weitern Zusatz die einfache Versicherung zu fordern, daß sie Preußen weder in diesem noch im kommenden Jahre angreifen werde. Friedrich erklärte sich bereit, sobald er diese Antwort erhalte, seine Truppen zurückzuziehen und die regelmäßige Ordnung der Dinge wieder eintreten zu lassen. Aber in Wien herrschte eine entgegengesetzte Stimmung vor; nach der zuletzt gegebenen Antwort erwartete man dort nichts andres, als daß Friedrich zum Angriff schreiten werde. Man sah dem ohne Besorgnis entgegen, denn einmal meinte man nicht so ganz schlecht gerüstet zu sein, um den Preußen nicht begegnen zu können, und selbst auf erste Nachteile war man gefaßt. Möglich daß Friedrich Böhmen wenigstens zum Teil besetze, möglich selbst daß er eine Schlacht gewinne, aber man brauche davor nicht zu erschrecken, denn mit diesem Fürsten müsse man doch gewiß sich noch einmal schlagen. Komme es jetzt zum Kriege, und zwar durch einen Angriff von Preußen, so könne man sich der Hilfeleistung von Rußland und von Frankreich versichert halten; man dürfe einen guten Ausschlag der Waffen, die Wiedereroberung Schlesiens, eine Schwächung des feindseligen Königs erwarten; ein zeitweiliger Verlust komme dabei nicht in Betracht.
Die neue Anfrage Friedrichs in Wien erweckte mehr Verwunderung als Aufmerksamkeit und ward mit gewohntem Selbstgefühl erwidert. Der Staatskanzler389 erklärte, die letzte Antwort sei die einzige gewesen, welche sich mit Würde habe geben lassen. Damit waren die Würfel gefallen; das Tor wurde aufgetan, hinter welchem der altrömischen Vorstellung nach die Kriegskräfte gefesselt liegen.