Название | Leopold von Ranke: Historiografische Werke |
---|---|
Автор произведения | Leopold von Ranke |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027206056 |
Als im Jahre 1836 die Geschichte der Päpste vorläufig abgeschlossen vorlag, faßte Ranke den naheliegenden Entschluß, ihr eine Geschichte der deutschen Reformation folgen zu lassen. Es war die entscheidende Wendung der deutschen Geschichte, die er darzustellen unternahm, der Ursprung der ganzen folgenden Entwicklung Deutschlands. Mit eindringender theologischer Kenntnis ging er daran, aber seine Stellung nahm er auf dem nationalen Standpunkt. Ausgehend von der Größe und dem Verfall des mittelalterlichen Kaisertums schildert die Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation zuerst die unter Kaiser Maximilian I. gemachten aber nur unvollkommen durchgeführten Versuche, dem deutschen Reich eine bessere Verfassung zu geben, dann das gewaltige Ringen der religiösen und zugleich nationalen Bewegung mit den bestehenden kirchlichen Mächten und der dynastischen Politik Karls V., endlich das Zustandekommen des Augsburger Religionsfriedens, der aber die Keime künftiger Zwietracht in sich birgt. »Glücklich die Zeiten, wo ein einziger nationaler Gedanke alle Gemüter ergreift, weil er alle befriedigt; hier war dies nicht der Fall.« Einen tröstlichen Ausblick gewährt jedoch das Schlußkapitel über die Entwicklung der Literatur: Deutschland zeigt im 16. Jahrhundert eine solche Fülle geistigen Lebens auf protestantischer Seite, daß man an seiner Zukunft trotz drohender schwerer Gefahren nicht zu verzweifeln braucht.
Das Werk erschien 1839-43 in fünf Bänden; ein sechster mit urkundlichen Erläuterungen folgte 1846.18 Zuverlässige, bisher unbenutzte Quellen hatten sich in der großen Sammlung von Reichstagsakten gefunden, welche die Stadt Frankfurt a. M. bewahrt, dann in den reichsfürstlichen Archiven zu Berlin, Dresden, Weimar, Dessau, für die auswärtigen Einwirkungen in Brüssel und Paris, wo Ranke 1839 zum erstenmal verweilte; nicht gering war auch für dieses Werk der Ertrag seiner italienischen Sammlungen. Er scheute keine Mühe, um zu umfassender Kunde zu gelangen; »man bedaure den nicht«, sagt er in der Vorrede, »der sich mit diesen anscheinend trockenen Studien beschäftigt und darüber den Genuß manches heiteren Tages versäumt. Es ist wahr, es sind tote Papiere; aber sie sind Überreste eines Lebens, dessen Anschauung dem Geiste nach und nach aus ihnen emporsteigt«. Und so gewann er die Zuversicht, ein Werk von bleibender Bedeutung zu schaffen, »überzeugt, daß wenn man nur mit ernstem und wahrheitsbeflissenem Sinne in den echten Denkmalen einigermaßen umfassende Forschungen angestellt hat, spätere Entdeckungen zwar wohl das einzelne näher bestimmen werden, aber die Grundwahrnehmungen doch zuletzt bestätigen müssen; denn die Wahrheit kann nur eine sein«. Später ist ihm von katholischer Seite das gelehrte Werk von Janssen entgegengestellt worden, welches die gleichen Tatsachen ganz anders beurteilt, überall nur den Abfall von der Kirche sieht, wo Ranke neues geschichtliches Leben erkennt. Es bringt auch neues Material herbei, aber der wissenschaftlich freien Forschung kann es nicht Genüge tun. Rankes Werk ist für die protestantische Mehrheit des deutschen Volkes ein Nationalwerk geworden, das die Liebe zum Vaterlande und zu dem geistigen Erbe unserer Väter immer wieder von neuem anregt.
Inzwischen hatte Rankes äußere Lebensstellung sich befestigt durch seine Ernennung zum ordentlichen Professor an der Universität, im Dezember 1833; die Akademie der Wissenschaften hatte ihn schon 1832 zum Mitglied erwählt. Er waltete als anerkannter Meister der Wissenschaft seines Lehramtes in der Hauptstadt Preußens, die immer mehr auch als geistige Hauptstadt Deutschlands anerkannt wurde. Zahlreiche Hörer besuchten seine Vorlesungen, nicht nur Studenten, sondern auch Beamte und Offiziere, obgleich es nicht leicht war seinem Vortrage zu folgen, der nicht in ruhiger Klarheit dahinfloß, vielmehr lebhaft hervorsprudelte und dann wieder anhielt, das Erzeugnis einer den Stoff unaufhörlich neugestaltenden Geisteskraft.19 Ganz besonders wirkte er auf den kleineren Kreis auserwählter Schüler, die er zu historischen Übungen um sich versammelte. Er ließ sie nicht an der eigenen neuen Forschungsarbeit teilnehmen, abgesehen von gelegentlichen Mitteilungen, sondern wählte leichter zu überschauende Gebiete aus älteren Zeiten, namentlich die Geschichtsquellen der mittelalterlichen Kaiserzeit. Seit 1826 erschien unter Leitung von G. H. Pertz die große Sammlung Monumenta Germaniae; doch war man bei ihrem langsamen Vorschreiten noch vielfach auf die älteren, unvollkommenen Ausgaben angewiesen. Gerade dieser Umstand gab zu fruchtbarem Wirken der Übungen Anlaß; philologische Kritik mußte der historischen die Wege bahnen, und streng ward darauf gehalten, die Eigenart und den Gesichtskreis des Schriftstellers durch Vergleich mit der anderweitigen Überlieferung festzustellen. Aus diesen Übungen ging eine Reihe bedeutender Forscher hervor, die des Meisters Arbeit erfolgreich fortsetzten. Zwei Schüler Rankes wurden bald tüchtige Mitarbeiter an den Monumenten, 1836 Georg Waitz, 1842 Wilhelm Wattenbach; sie sind später, als Pertz von der Leitung zurücktrat, nacheinander an die Spitze des Unternehmens getreten. Aber auch ein eigenes Werk ging aus Rankes Übungen hervor, die »Jahrbücher des deutschen Reiches unter dem sächsischen Hause«. Der erste Band, 1837 mit einer Vorrede von Ranke herausgegeben, enthält die Geschichte Heinrichs I. von Waitz. Mehrere Bände folgten; die Geschichte Ottos II. schrieb Wilhelm Giesebrecht, der später durch seine ausführliche Darstellung der gesamten Kaiserzeit bis Friedrich Barbarossa sich einen Namen gemacht hat. Andere Stoffe wählte Heinrich v. Sybel; er schrieb zuerst 1838 über Jordanis, den Geschichtschreiber der Goten, dann 1841, von Rankes Rat unterstützt, eine Geschichte des ersten Kreuzzuges. Er hat in der Gedächtnisrede, die er nach Jahrzehnten dem Meister hielt,20 über die historischen Übungen berichtet: »Unter seiner sicheren Leitung lernte der Schüler ohne vieles Theoretisieren die kritische Methode durch eigene Arbeit. Er verstattete ihm freie Wahl des Arbeitsthemas,