Название | Leopold von Ranke: Historiografische Werke |
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Автор произведения | Leopold von Ranke |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027206056 |
Sehr bedeutend ist das anschließende Buch, welches Ranke sofort dem ersten folgen ließ: »Zur Kritik neuerer Geschichtschreiber«. Da wird man in seine Werkstatt eingeführt und sieht, wie er die für jene Darstellung benutzten italienischen, spanischen, deutschen, französischen Geschichtschreiber klar beurteilt und hinsichtlich ihrer Glaubwürdigkeit prüft. Mit wenigen Strichen zeichnet er ihre persönliche Stellung, ihre Behandlung des Stoffes, ihr Verhältnis zu anderen so anschaulich, daß man volles Vertrauen zu seiner Führung gewinnt. Die kritischen Grundsätze Niebuhrs sind hier auf ein neues Gebiet angewandt; mit solcher Schärfe und Sicherheit hatte noch niemand die allerdings berühmten, aber noch wenig durchforschten Autoren, Guicciardini, Mariana, Sleidanus, Jovius, Comines u. a. zusammenfassend beurteilt. Ein Schlußkapitel »Von dem, was noch zu tun sei«, legt in ganz schlichter Weise dar, wie man nun von diesen Geschichtschreibern zu dem vordringen müsse, was ihnen selbst als Quelle diente oder dienen konnte: Urkunden, Akten, Gesandtschaftsberichten, die noch in Archiven und Bibliotheken verborgen seien, dazu auch die mehr volkstümlichen Chroniken heranziehen: allerdings ein weitaussehendes Werk, und der Verfasser verspricht keineswegs, daß er das unternehmen wolle; den Sinn dafür zu wecken, ist ihm schon viel wert. Den Anhang bildet eine höchst anziehende Abhandlung über Macchiavelli, der wegen seiner Besonderheit als politischer Schriftsteller nicht in die Betrachtung der Geschichtschreiber eingereiht werden konnte. Ranke würdigt ihn mit treffendem Urteil als genialen Vertreter einer verderbten Zeit: »Macchiavelli suchte die Heilung Italiens; doch der Zustand desselben schien ihm so verzweifelt, daß er kühn genug war, ihm Gift zu verschreiben«.
Die beiden Bücher erregten berechtigtes Aufsehen; hier wies ein mit allem Rüstzeug ausgestatteter Gelehrter der Wissenschaft neue Bahnen. Die preußische Unterrichtsverwaltung eröffnete dem Verfasser alsbald einen Wirkungskreis, der ihn zu weiterem Schaffen aufforderte; sie berief ihn zu Ostern 1825 als außerordentlichen Professor der Geschichte an die Universität Berlin. In den literarischen Kreisen der Hauptstadt fand er mancherlei Anregung; sein Leben erhob sich aus der bisherigen Einfachheit in höhere Beziehungen, die einen minder selbständigen Geist wohl hätten ablenken können. Aber bei einer natürlichen Begabung für geistreich geselligen Umgang, auch mit hochgebildeten Frauen, wie Rahel Varnhagen und Bettina v. Arnim, die beide ihn zu schätzen wußten, besaß er eine freudige Arbeitskraft und verlor seine wissenschaftlichen Ziele nie aus dem Auge. Die Königliche Bibliothek bot ihm eine umfangreiche Sammlung italienischer Aktenstücke dar, 48 Folianten, an die noch niemand, sich recht herangewagt hatte; nur Joh. v. Müller2 hatte in der kurzen Zeit, da er in Berlin lebte, hineingeblickt und auf ihre Bedeutung hingewiesen. Ranke fand bei näherer Untersuchung hier einen Schatz von Berichten venetianischer und päpstlicher Gesandter aus dem 16. und 17. Jahrhundert, wie man sie in jenen Zeiten handschriftlich vervielfältigte, um sie den Sammlungen italienischer Staatsmänner und Kirchenfürsten einzuverleiben; er schätzte sich glücklich, eine solche Sammlung in der Heimat zu finden, während die meisten noch in Italien sein mußten. Einige Bände ähnlichen Inhalts bot ihm auch die Gothaer Bibliothek dar; alsbald ging er daran, aus dem reichen Stoff nähere Anschauung zu gewinnen von den Zuständen Italiens, Spaniens, des türkischen Reiches, worüber jene Gesandten genau und eingehend berichtet hatten. So entstand ihm ein Buch, welches 1827 erschien: »Fürsten und Völker von Südeuropa. Erster Band.« Er behandelte darin die Türkei und Spanien; die italienischen Staaten sollten nachfolgen, er hat sie aber später in anderer Weise behandelt. Neben den Berichten der Gesandten benutzte er natürlich auch die Nachrichten der Geschichtschreiber. Für das türkische Reich leistete ihm die damals neuerschienene »Geschichte des osmanischen Reiches« von dem gelehrten Wiener Orientalisten Joseph v. Hammer treffliche Dienste, darin fanden sich wertvolle Angaben türkischer Geschichtschreiber; aber auch sonst lag eine beachtenswerte ältere Literatur vor, darunter deutsche, jedoch lateinisch geschriebene Werke: die gedruckten Briefe des Ghislain de Busbeck, der 1556–62 Gesandter Kaiser Ferdinands I. in Konstantinopel gewesen war, die 1584 erschienene » Turcograecia« des Tübinger Professors Martin Crusius und die Schriften des gelehrten Joh. Löwenklau (Leunclavius), der von 1582 an den Orient bereiste und 1593 in Wien starb. Für Spanien gemährten Sepulveda, Zurita, Sandoval, die Ranke schon bei seinem ersten Werke benutzt hatte, ferner Cabrera, Marina u. a. die reichlichsten Nachrichten. Aber Farbe und Leben gewann dieses Material erst recht durch die Berichte der Gesandten, die sich ebenso auf einzelne Personen und Handlungen wie auf die öffentlichen Zustände im Ganzen erstrecken. So entstanden jene trefflichen Kapitel des Rankeschen Werkes über die innere Verwaltung der beiden Reiche, über die Zustände in Kastilien und Neapel, welches lange Zeit ein Nebenland der spanischen Monarchie war. Die genauen Angaben der Venetianer über Handel und Gewerbe in Spanien, über Volkszahl, Reichtum des geistlichen Grundbesitzes, Steuerpolitik der spanischen Regierung verwertete Ranke zu einer Darstellung des wirtschaftlichen Lebens, die für spätere Forscher auf diesem reichen Gebiet der Geschichte vorbildlich geworden ist. Die Sprache dieses Buches ist fließender, voller und schöner als die seines ersten Werkes; mit lebhaftem Anteil folgt man der belehrenden Schilderung, die auch über die Ursachen des Verfalls jener einst blühenden Reiche unzweifelhafte Auskunft gibt: wie stehen am Schlusse die aufblühenden Niederlande dem sinkenden Spanien gegenüber!3
Rankes lebhafter Wunsch ging nun dahin, selbst Italien zu sehen und dort weiter zu forschen. Die preußische Regierung gewährte ihm schon im Herbst 1827 Urlaub, Geldmittel und Empfehlungen zu einer wissenschaftlichen Reise, welche reiche Früchte tragen sollte. Sein erstes Ziel war Wien, wo er einen bedeutenden Teil des alten venetianischen Archivs zu finden sicher war. Das freundliche Entgegenkommen des aus Preußen stammenden österreichischen Staatsmannes Friedrich v. Gentz4 verschaffte ihm die Erlaubnis des Fürsten Metternich, das sonst unzugängliche Wiener Staatsarchiv für seine nicht auf Österreichs Geschichte gerichteten Studien zu benutzen. Er fand hier unter anderem merkwürdige Gesandtschaftsberichte über den unglücklichen