Название | Leopold von Ranke: Historiografische Werke |
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Автор произведения | Leopold von Ranke |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027206056 |
Überhaupt hatte er ein unvergleichliches Talent, die Menschen zu behandeln. Die Fürsten, welche seine Politik verletzte, wußte er doch in persönlichem Umgang zu befriedigen; nie, sagte der Kurfürst Friedrich von Sachsen, sei ihm ein höflicherer Mann vorgekommen. Die wilden Ritter, gegen die er Reich und Bund67 aufbietet, erfahren doch wieder solche Äußerungen von ihm, daß es ihnen, wie Götz von Berlichingen sagt, eine Freude im Herzen ist und sie nie etwas gegen Kaiserliche Majestät oder das Haus Österreich getan hätten. An den Festlichkeiten der Bürger in den Städten, ihren Tänzen, ihren Schießübungen nimmt er Anteil; nicht selten tut er selber den besten Schuß mit der Armbrust. Er setzt ihnen Preise aus: Damast für die Büchsenschützen, einige Ellen roten Samt für die Armbrustschützen; gern ist er unter ihnen, damit unterbricht er die schwierigen und ermüdenden Geschäfte des Reichstags. Im Lager vor Padua ritt er geradezu auf eine Marketenderin los und ließ sich zu essen geben; Johann von Landau, der ihn begleitete, wollte die Speise erst kredenzen; der Kaiser fragte nur, von wo die Frau sei. Man sagte ihm: von Augsburg. Ah, rief er aus, dann ist die Speise schon kredenzt, denn die von Augsburg sind fromme Leute. In seinen Erblanden saß er noch oft in Person zu Gericht; nahm er einen Verschämten wahr, der da hinten stand, so rief er ihn zu sich heran. Von dem Glanze der höchsten Würde war er selber am wenigsten bestochen. »Lieber Gesell«, sagte er zu einem bewundernden Poeten, »du kennst wohl mich und andere Fürsten nicht recht.« Ein einfacher Mann, von mittlerer Gestalt, blaß von Gesicht, der auf jedermann einen guten Eindruck machte, immer bei seiner Sache war und allen Pomp vermied. Alles, was wir von ihm lesen, zeigt eine frische Unmittelbarkeit der geistigen Auffassung, Offenheit und Ingenuität des Gemütes. Er war ein tapferer Soldat, ein gutmütiger Mensch; man liebte und fürchtete ihn.
Und auch in seinem öffentlichen Leben würden wir ihm Unrecht tun, wenn wir bei den mißlungenen Versuchen, das Reich zu konstituieren, stehen bleiben wollten. Den Staatsformen, welche zwischen Oberhaupt und Ständen Kompetenzen um die höchste Gewalt hervorrufen, hängt es als ein fast unvermeidlicher Mangel an, daß dann auch das Oberhaupt sein persönliches Interesse von dem der Gesamtheit trennt. Maximilian hat das Reich nicht verabsäumt. In Rom erinnerte man sich noch lange nach ihm, daß er der Kurie gegenüber seine Absichten ins Werk setzte und erst dann um Genehmhaltung einkam. Er war der letzte König von Germanien, der eben nur deutscher Fürst war. Aber dabei ist doch unleugbar, daß er bei seinem Tun und Lassen noch mehr die Zukunft des eigenen Hauses im Auge hatte als den Vorteil des Reiches an sich.
Als achtzehnjähriger Jüngling war er nach den Niederlanden gegangen und hatte durch die Verbindung von Burgund und Österreich eine neue europäische Macht begründet. Es gibt überall, im Staate wie in den Wissenschaften, vermittelnde Tätigkeiten, die das Neue zwar noch nicht zustande bringen, aber aus allen Kräften vorbereiten. Die Macht, die sich bildete, kam unter Maximilian noch nicht zu voller Erscheinung. Aber dadurch, daß er die fürstlichen Gerechtsame so in den Niederlanden wie in Österreich aufrecht erhielt, dort die Franzosen, hier die Ungarn abwehrte, daß er die große spanische Erbschaft herbeiführte, zu der ungarisch-böhmischen definitiv den Grund legte, ist seine Tätigkeit doch von dem größten Einfluß auf die folgenden Jahrhunderte gewesen. Wie ganz anders als damals, da sein Vater von Österreich verjagt, er selber in Brügge gefangen war, standen nun seine Enkel! Nie hatte ein Geschlecht großartigere, umfassendere Aussichten. Aus diesem Gesichtspunkte sah er auch die deutschen Verhältnisse an.
Bis in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts war Österreich von Deutschland fast ausgeschlossen; wie griff es dagegen jetzt in die Verhältnisse aller Landschaften so gewaltig ein, der weltlichen wie der geistlichen, der städtischen und der ritterschaftlichen Territorien; es konnte sich nichts regen, mochte man sich ihm nun anschließen oder widersetzen, wovon es nicht unmittelbar berührt worden wäre. Wenn es unleugbar ist, daß das Reich, in seiner Totalität betrachtet, Verluste erlitten hatte, so ist doch nicht minder wahr, daß gerade die Vereinigung des Hauses Österreich mit der burgundischen Macht dazu gehörte, um die niederländischen Provinzen wieder in eine bewußte Verbindung mit Deutschland zu bringen, daß die ferneren Aussichten, welche sich an die ungarische und besonders an die spanische Verwandtschaft knüpften, auch der Nation neue Kreise der Tätigkeit eröffneten.68 In Maximilian lebte ein höchst lebendiges Vorgefühl der kommenden Dinge, von dem sein Tun und Lassen beherrscht ward, und all das scheinbar Unstete, Geheimnisvolle, persönlich Einseitige seiner Politik herrührt. Er hat nichts zu vollbringen, zu stiften; er hat nur das Zukünftige vorzubereiten; unter den widerstrebenden Kräften der Welt hat er nur die Aussichten und Ansprüche seines Hauses aufrecht zu erhalten, zu erweitern.
5. Kaiser Karl V
Die Osmanen und die spanische Monarchie, Werke Bd. 35, 36 S. 90 ff. Deutsche Geschichte I, Werke Bd. 1 S. 325.
Wenn die alte Sage ihre Helden schildert, gedenkt sie zuweilen auch solcher, die erst eine lange Jugend hindurch untätig zu Hause sitzen, aber alsdann, nachdem sie sich einmal erhoben, nie wieder ruhen, sondern in unermüdlicher Freudigkeit von Unternehmung zu Unternehmung fortgehen. Erst die gesammelte Kraft findet die Laufbahn, die ihr angemessen ist. Man wird Karl V. mit einer solchen Natur vergleichen können. Bereits in seinem sechzehnten Jahre war er zur Regierung berufen, doch fehlte viel, daß er in seiner Entwicklung dahin gewesen wäre, sie zu übernehmen. Lange war man versucht, einen Spottnamen, den sein Vater gehabt, weil er seinen Räten allzu viel glaubte, auch auf ihn zu übertragen. Sein Schild führte das Wort: »noch nicht«. Ein Herr von Croy leitete ihn und seinen Staat vollkommen. Während seine Heere Italien unterwarfen und wiederholte Siege über die tapfersten Feinde davontrugen, hielt man ihn, der indes ruhig in Spanien saß, für unteilnehmend, schwach und abhängig. Man hielt ihn solange dafür, bis er im Jahre 1529, im dreißigsten seines Lebens, in Italien erschien.
Wie viel anders zeigte er sich da, als man erwartete! Wie zuerst so ganz sein eigen und vollkommen entschieden! Sein geheimer Rat hatte nicht gewollt, daß er nach Italien ginge, hatte ihn vor Andrea Doria gewarnt und ihm Genua verdächtig gemacht. Man erstaunte, daß er dennoch nach Italien ging, daß er gerade auf Doria sein Vertrauen setzte, daß er dabei blieb, in Genua ans Land steigen zu wollen. So war er durchaus. Man nahm keinen überwiegenden Einfluß eines Ministers wahr; an ihm selber fand man weder Leidenschaft noch Übereilung, alle seine Entschlüsse waren gereift, es war alles überlegt; sein erstes Wort war sein letztes. Dies bemerkte man zuerst an ihm, darauf, wie selbsttätig, wie arbeitsam er war. Es erforderte einige Geduld, die langen Reden der italienischen Gesandten anzuhören; er bemühte sich, die verwickelten Verhältnisse ihrer Fürsten und Mächte genau zu fassen. Der venetianische Botschafter wunderte sich, ihn um nicht weniges zugänglicher und gesprächiger zu finden, als er drei Jahre zuvor in Spanien gewesen war. In Bologna hatte er ausdrücklich darum eine Wohnung genommen, aus welcher er den Papst unbemerkt besuchen konnte, um dies so oft zu tun wie möglich, um alle Streitpunkte selbst aufs reine zu bringen.
Von dem an begann er seine Unterhandlungen persönlich zu leiten, seine Heere selber anzuführen; er fing an, von Land zu Land und immer dahin zu eilen, wo das Bedürfnis und die Lage der Geschäfte seine Gegenwart erforderte. Wir sehen ihn bald in Rom sich bei den Kardinälen über die unversöhnliche Feindschaft Franz' I. beklagen, bald in Paris die Gunst der Frau von Estampes69 suchen und gewinnen, bald in Deutschland