Название | Leopold von Ranke: Historiografische Werke |
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Автор произведения | Leopold von Ranke |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027206056 |
Daher kommt es eben, daß die kirchliche Geschichte nicht ohne die politische, diese nicht ohne jene zu verstehen ist. Erst die Kombination von beiden läßt die eine und die andere in ihrem wahren Lichte erscheinen und vermag vielleicht zur Ahnung des tieferen Lebens zu führen, aus dem sie beide hervorgehen.
Ist das nun bei allen Nationen der Fall, so liegt es doch besonders bei der deutschen am Tage, welche sich wohl von allen am anhaltendsten und selbständigsten mit kirchlichen und religiösen Dingen beschäftigt hat. Die Ereignisse eines Jahrtausends gehen in den Gegensätzen zwischen Kaisertum und Papsttum, Katholizismus und Protestantismus auf; wir in unsern Tagen stehen mitten in beiden.
3. Kaisertum und Papsttum
Deutsche Geschichte I, Werke Bd. 1 S. 28.
Den unmittelbar aus den Gründungen Karls des Großen hervorgehenden Ansprüchen der Geistlichkeit, Europa nach ihren hierarchischen Gesichtspunkten zu beherrschen, waren die vereinigten Deutschen, noch durchdrungen von den nationalen Ideen des alten Germaniens, entgegengetreten und hatten das Kaisertum gegründet.59 Unglücklicherweise aber vermochte das Kaisertum nicht zu vollkommen ruhigem und festem Bestande zu gelangen. In der Entzweiung, in welche die zur Gewalt geneigten Herrscher und die widerspenstigen Vasallen gar bald gerieten, geschah es doch, daß sowohl die einen als die anderen das geistliche Element wieder beförderten. Zuerst sahen die Kaiser in einer starken Geistlichkeit das Mittel, ihre Großen im Zaun zu halten, und teilten ihr freigebig Besitztümer, Regierungsrechte zu. Hierauf aber, als sich in dem Papsttum und der geistlichen Korporation überhaupt Ideen der Befreiung regten, fanden es auch die weltlichen Großen so übel nicht, wenn der Kaiser dieses Rückhalts, dieses Mittels der Gewalt beraubt würde;60 die Schwächung der kaiserlichen Macht kam auch ihnen gar sehr zu statten. So geschah, daß das geistliche Element, durch seine entzweiten Gegner befördert, zuletzt doch zu einem entschiedenen Übergewicht gelangte.
Allerdings kam nun im 12. und 13. Jahrhundert etwas ganz anderes zustande, als im 9. geschehen sein würde. Die weltliche Gewalt konnte herabgewürdigt, nicht vernichtet werden; ein vollkommenes Priesterreich, wie es wohl einst hätte erwartet werden müssen,61 konnte nicht mehr entstehen. Auch hatte die gesamte nationale Entwicklung viel zu tiefe Wurzeln geschlagen, um von dem kirchlichen Element erdrückt zu werden; vielmehr ward ihr die Einwirkung der kirchlichen Ideen und Stiftungen62 ohne Zweifel selbst sehr förderlich. Es war eine Fülle von Leben und Geist, von Tätigkeit in den verschiedensten Zweigen, von schöpferischer Kraft vorhanden, von der man nicht sieht, wie sie bei einem anderen Gang der Dinge hätte entstehen können.
Aber bei alledem war das doch kein Zustand, mit welchem sich eine große Nation befriedigen kann. An eine freie politische Bewegung war nicht zu denken, solange der vornehmste Antrieb zu aller öffentlichen Tätigkeit von einem fremden Oberhaupte kam. Auch im Reiche des Geistes waren strenge Grenzen gezogen; das unmittelbare Verhältnis, in dem sich jedes geistige Dasein zu dem Göttlichen fühlt, war und blieb der Nation verdunkelt. Es traten endlich Verhältnisse ein, welche auch in der deutschen Nation ein Bewußtsein ihrer natürlichen Stellung hervorriefen.
4. Kaiser Maximilian I
Deutsche Geschichte I, Werke Bd. 1 S. 234 ff.
Die Meinung, welche in Maximilian den schöpferischen Begründer der späteren Verfassung des Reiches erblickt, muß nun wohl aufgegeben werden. Haben wir früher gesehen, wie die organisierenden Ideen, welche in seinen ersten Jahren hervortraten,63 von ihm viel mehr Widerstand erfuhren als Förderung, wie er dann mit seinen eigenen Entwürfen so wenig durchdrang, so nehmen mir nunmehr wahr, daß er auch die Fürsten des Reichs nicht zusammenzuhalten vermochte, daß gerade um ihn her sich alles in Parteien gruppierte. Notwendigerweise hatte man dann nach außen hin eher Verluste erlitten, als Fortschritte gemacht. In Italien war nichts gewonnen, die Schweiz war zu größerer Selbständigkeit gelangt, Preußen eher noch mehr gefährdet als gesichert;64 die Politik von Frankreich hatte wieder Einfluß auf das innere Deutschland gewonnen, Geldern und jetzt auch Württemberg65 hielten sich offenbar zu dieser Macht. Wenn Maximilian dennoch, auch bei seinen Zeitgenossen, ein so rühmliches Andenken hinterlassen hat, so rührt das nicht von dem Erfolge seiner Unternehmungen, sondern von seinen persönlichen Eigenschaften her.
Alle guten Gaben der Natur waren ihm in hohem Grade zu Teil geworden: Gesundheit bis in die späteren Jahre, – wenn sie etwa erschüttert war, reichte eine starke Leibesübung, anhaltendes Wassertrinken hin, sie wieder herzustellen –; zwar nicht Schönheit, aber gute Gestalt, Kraft und Geschicklichkeit des Leibes, so daß er seine Umgebung in jeder ritterlichen Übung in der Regel übertraf, bei jeder Anstrengung ermüdete; ein Gedächtnis, dem alles gegenwärtig blieb, was er jemals erlebt oder gehört oder in der Schule gelernt hatte; natürlich richtige scharfe Auffassung: er täuschte sich nicht in seinen Leuten, er bediente sich ihrer zu den Dienstleistungen, die für sie selbst eben die angemessensten waren; eine Erfindungsgabe ohne gleichen: alles was er berührte, ward neu unter seinen Händen; auch in den Geschäften ein das Notwendige mit sicherem Gefühle treffender Geist: wäre die Ausführung nur nicht so oft an andere Bedingungen seiner Lage geknüpft gewesen! eine Persönlichkeit überhaupt, welche Bewunderung und Hingebung erweckte, welche dem Volke zu reden gab.66 Was erzählte man sich alles von seinen Jagden: wie er im Lande ob der Enns einen gewaltigen Bären in freiem Hag allein bestanden; wie er in Brabant in hohlem Weg einen Hirsch, der schon einen Anlauf wider ihn genommen, noch in dem Moment erlegt; wie er im Brüsseler Walde von einem wilden Schwein übereilt, ehe er vom Pferd gestiegen, es zu seinen Füßen erstochen habe; besonders von den Gefährlichkeiten seiner Gemsenjagd im höchsten Gebirge, wo er zuweilen wohl den Jäger, der ihm beigegeben war, selber vor dem Sturz errettet hat: er zeigt in allem behenden Mut, gleichsam eine elastische Gegenwart des Geistes. So erscheint er dann auch vor dem Feinde. Im Bereiche feindlicher Geschütze setzt er ans Land, bildet seine Schlachtordnung und gewinnt den Sieg; im Scharmützel nimmt er es wohl mit vier oder fünfen allein auf; in den Schlachten muß er sich oft eines gerade gegen ihn ausgeschickten Feindes in zweikampfartigem Zusammentreffen erwehren, denn immer voran findet man ihn, immer mitten im Getümmel der Gefahr. Proben von Tapferkeit, die nicht allein dienten, um in müßigen Stunden erzählt, im Theuerdank aufgezeichnet zu werden: der venetianische Gesandte weiß nicht auszudrücken, welch ein Zutrauen er bei den deutschen Soldaten aller Art eben deshalb genoß, weil er sie in Gefahren niemals verließ.
Als einen großen Feldherrn können wir ihn nicht betrachten; allein für die Organisation einer Truppe, die Ausbildung der verschiedenen Waffengattungen, die Bildung eines Heeres überhaupt