Die Äbtissin von Castro. Стендаль

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Название Die Äbtissin von Castro
Автор произведения Стендаль
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 4064066118853



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XIII. aber weinte vor Zärtlichkeit: „Erhebe dich, meine Nichte, du hast meinen Segen nicht 5notwendig, denn du giltst mehr als ich in den Augen des Herrn.“

      Aber trotz seiner Unfehlbarkeit täuschte sich Seine Heiligkeit hierin, wie übrigens ganz Rom. Die Campobasso war kopflos verliebt und ihr Geliebter teilte ihre Leidenschaft; und dennoch war sie sehr unglücklich. Schon seit mehreren Monaten traf sie fast jeden Tag den Chevalier von Sénecé, den Neffen des Herzogs von Saint-Aignan, welcher damals Botschafter Ludwigs XV. in Rom war.

      Sohn einer der Mätressen Philipps von Orléans, war der junge Sénecé stets Gegenstand der ausgewähltesten Gunstbezeugungen gewesen. Schon lange Oberst, obgleich er kaum zweiundzwanzig Jahre zählte, hatte er einige anmaßende Gewohnheiten, doch ohne Unverschämtheit. Natürliche Fröhlichkeit, das Verlangen, sich immer zu unterhalten und alles unterhaltsam zu finden, Unbesonnenheit, Mut und Güte zeichneten seinen Charakter eigentümlich aus, von dem man freilich damals lobend nur hätte sagen können, daß er in allem ein Musterbeispiel des Charakters seiner Nation war. Diese nationale Eigenart hatte vom ersten Augenblick an die Campobasso berückt. „Ich mißtraue Ihnen, Sie sind Franzose“, hatte sie ihm gesagt, „aber ich sage Ihnen etwas im voraus: Den Tag, wo man in Rom wissen wird, daß ich Sie manchmal im Geheimen empfange, werde ich überzeugt sein, daß Sie selber das verbreitet haben, und ich werde Sie nicht mehr lieben.“

      So mit der Liebe spielend verstrickte sich die Campobasso in eine wütende Leidenschaft. Auch Sénecé liebte sie; aber es waren schon acht Monate her, daß dieses Verhältnis dauerte, und die Zeit, welche die Leidenschaft einer Italienerin verdoppelt, tötet die eines Franzosen. 6Die Eitelkeit des Chevalier tröstete ihn ein wenig über seine Langeweile: er hatte schon zwei oder drei Bildnisse der Campobasso nach Paris geschickt. Er übertrug die Gleichgültigkeit seines Charakters gegen Güter und Vorteile aller Art, mit denen er seit seiner Kindheit überschüttet worden war, auch auf die Interessen der Eitelkeit, die sonst die Herren seiner Nation gewöhnlich sehr besorgt hüten.

      Sénecé verstand nicht im geringsten den Charakter seiner Geliebten; deshalb belästigten ihn öfters ihre Seltsamkeiten. So hatte er jedesmal an allen kirchlichen Feiertagen, wie am Festtag der Heiligen Balbina, deren Namen sie trug, die Verzückungen und die Selbstanklagen einer glühenden und wahren Frömmigkeit auszuhalten. Sénecé hatte seine Geliebte nicht die Religion vergessen lassen, wie dies bei den gewöhnlichen Frauen Italiens vorkommt; er hatte sie nur mit starker Kraft besiegt, und der Kampf erneuerte sich immer wieder.

      Dieses Hindernis, das erste, das dem mit allen Gaben des Glückes überschütteten jungen Mann in seinem Leben begegnet war, hielt die Gewohnheit lebendig, zärtlich und zuvorkommend gegen die Fürstin zu sein; von Zeit zu Zeit erachtete er es für seine Pflicht, sie zu lieben. Sénecé hatte nur einen Vertrauten in seinem Botschafter, dem Herzog von Saint-Aignan, dem er durch die Campobasso manchen Dienst leisten konnte. Außerdem war ihm die Bedeutung, die er durch seine Liebesaffäre in den Augen des Botschafters gewann, außerordentlich schmeichelhaft. Die Campobasso, ganz anders als er, war dagegen von der gesellschaftlichen Stellung ihres Liebhabers gar nicht berührt. Geliebt oder nicht geliebt zu sein war alles für sie. „Ich opfere ihm meine ewige Seligkeit,“ sagte sie, „und er, der ein Häretiker, 7ein Franzose ist, kann mir nichts, was dem gleicht, opfern.“ Aber sobald der Chevalier erschien, füllte seine gefällige und dabei so ungezwungene Heiterkeit die Seele der Campobasso mit Entzücken und bezauberte sie. Bei seinem Anblick verschwand alles, was sie sich ihm zu sagen vorgenommen hatte, und alle trüben Gedanken. Dieser für diese hochmütige Seele so neue Zustand hielt noch lange an, nachdem Sénecé gegangen war. Und schließlich fand sie, daß sie fern von Sénecé weder denken noch leben könne.

      Während in Rom durch zwei Jahrhunderte die Spanier in Mode gewesen waren, begann man sich damals ein wenig den Franzosen zuzuneigen. Man begann, einen Charakter zu verstehn, der Vergnügen und Heiterkeit überall hinbrachte, wo er sich zeigte, und diesen Charakter gab es damals nur in Frankreich; seit der Revolution von 1789 gibt es ihn nirgends mehr. Denn eine so beständige Frohmütigkeit braucht Unbekümmertsein, Sorglosigkeit, und es gibt für niemand mehr heute eine sichere Zukunft in Frankreich, nicht einmal für geniale Menschen, falls es solche gäbe. Es herrscht erklärter Krieg zwischen Menschen vom Schlage Sénecés und der Masse der Nation. Auch Rom war damals vom heutigen Rom sehr verschieden. Um 1726 hatte man keine Ahnung von dem, was sich siebenundsechzig Jahre später ereignen sollte, als das von einigen Geistlichen aufgehetzte Volk den Jakobiner Basseville umbrachte, der, wie er sagte, die Hauptstadt der christlichen Welt zivilisieren wollte.

      Durch Sénecé hatte die Campobasso zum erstenmal die Vernunft verloren, hatte sich, aus Gründen, die vom gesunden Menschenverstand nicht gebilligt werden, bald im Himmel befunden, bald im fürchterlichen Unglück. 8Nun hatte Sénecé auch die Religion besiegt; nun mußte sich diese Liebe, welche für diese strenge und wahre Frau weit größere und ganz andere Bedeutung als die Vernunft hatte, schnell in die wildeste Leidenschaft steigern.

      Die Fürstin hatte einen Monsignore Ferraterra begünstigt und seine Laufbahn erleichtert. Wie wurde ihr zumute, als dieser Ferraterra ihr mitteilte, daß Sénecé nicht nur öfter als üblich zur Orsini gehe, sondern daß die Gräfin seinetwegen den berühmten Kastraten fortgeschickt habe, der seit mehreren Wochen ihr offizieller Liebhaber gewesen war!

      Hier beginnt, was wir zu erzählen haben: An dem Abend des Tages, wo die Campobasso diese verhängnisvolle Nachricht erhalten hatte.

      Sie saß reglos in einem hohen Lehnstuhl aus goldfarbenem Leder. Neben ihr, auf einem kleinen schwarzen Marmortisch standen auf hohen Füßen zwei silberne Lampen, Meisterwerke des Cellini, und erleuchteten kaum das Dunkel eines weitläufigen Saales im Erdgeschoß ihres Palastes. Kaum, daß Licht auf die Gemälde an den Wänden fiel, die nachgedunkelt waren; denn die Zeit der großen Maler lag damals schon weit zurück.

      Der Fürstin gegenüber und fast zu ihren Füßen zeigte der junge Sénecé auf einem kleinen Stuhl aus Ebenholz, mit Ornamenten aus massivem Gold verziert, seine elegante Person. Die Fürstin hatte den Blick auf ihn gerichtet; sie war ihm nicht entgegengeeilt, als er eintrat, hatte sich nicht in seine Arme gestürzt und nicht ein Wort an ihn gerichtet.

      Im Jahre 1726 war Paris schon Königin des reichen und eleganten Lebens. Sénecé ließ durch Kuriere regelmäßig alles kommen, was die Reize eines der hübschesten 9Männer Frankreichs hervorheben konnte. Trotz der für einen Mann seines Ranges natürlichen Sicherheit, noch dadurch verstärkt, daß er seine ersten Waffengänge mit den Schönheiten am Hof des Regenten unter der Leitung des berühmten Canillac, seines Oheims, eines der Roués dieses Fürsten gehabt hatte, konnte man eine leichte Verlegenheit in Sénecés Zügen bemerken. Das schöne blonde Haar der Fürstin war etwas in Unordnung; die großen schwarzblauen Augen sahen den Mann starr an; ihr Ausdruck war schwer zu deuten. Dachte sie an tödliche Rache? War es nur der tiefe Ernst leidenschaftlicher Liebe?

      „Also Sie lieben mich nicht mehr?“ sagte sie endlich leise. Ein langes Schweigen folgte dieser Kriegserklärung.

      Es wurde der Fürstin schwer, sich der reizenden Anmut Sénecés zu entziehen, der ihr, machte sie ihm keine Szene, tausend Torheiten sagen würde; aber sie besaß zu großen Stolz, um die Auseinandersetzung hinauszuschieben. Eine Kokette ist aus Eigenliebe eifersüchtig, eine galante Frau aus Gewohnheit; aber eine Frau, die wahr und leidenschaftlich liebt, hat das ganze Bewußtsein ihres Rechtes. Diese Art, der römischen Leidenschaft eigen, amüsierte Sénecé sehr; er sah darin Tiefe und Unbestimmtheit; man glaubte, die unverhüllte Seele zu schauen. Der Orsini fehlte dieser Reiz der Campobasso.

      Aber da diesmal das Schweigen so lange anhielt, sah der junge Franzose, der nicht die Kunst verstand, in die verborgenen Gefühle eines italienischen Herzens einzudringen, darin einen Schein von Ruhe und Vernunft, und das machte ihn arglos. Zudem drückte ihn gerade in diesem Augenblick ein Kummer. Als er das unterirdische 10Gewölbe durchschritt, das von einem benachbarten Haus in diesen Saal des Palastes Campobasso führte, hatten sich einiges Spinngewebe auf die ganz frische Stickerei seines entzückenden, gestern aus Paris gekommenen Anzugs gelegt. Das verursachte ihm Unbehagen und außerdem waren ihm Spinnen schrecklich.

      Da er im Auge der Fürstin Ruhe zu lesen glaubte, dachte er, ob es nicht besser sei, eine Aussprache