SKIN MEDICINE - Die letzte Grenze. Tim Curran

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Название SKIN MEDICINE - Die letzte Grenze
Автор произведения Tim Curran
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783958350298



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ein Höllenjob.«

      Cabe sagte: »Ich kriege ihn, tot oder lebendig.«

      »Hauptsache, du kümmerst dich darum, dass du den Richtigen erwischst.«

      Cabe stand auf, streckte sich und zog den Regenmantel über. »Irgendwann, Crazy Jack, müssen wir beide noch mal über den Krieg reden. Nur du und ich.«

      »Raus mit dir, Cabe«, befahl Dirker. »Und mach keinen Ärger. Ich habe schon alle Hände voll zu tun.«

      Cabe ging hinaus in den Sturm und grinste. Wenn sich die Dinge richtig entwickelten, würden Dirkers Hände gut zu tun bekommen.

      2-3

      Der Hillbilly hieß Orville DuChien.

      Seine Zelle war acht Fuß lang und vier Fuß breit. Die Wände bestanden aus blanken Ziegeln und der Boden war mit Stroh bedeckt. Es war kalt, nass, und von der Decke tropfte das Wasser. Im Sommer waren die Zellen voll mit Ungeziefer, im Winter war es kalt wie in einem Eiskeller. Die Pritsche, auf der Orv saß, war kaum groß genug für einen Mann, und die einzige Armeedecke, die er bekommen hatte, bot nur wenig Schutz gegen die frostige Nacht.

      So saß Orv in seinem eigenen, sich mit dem nassen Geruch der Umgebung mischenden Gestank, kratzte sich am Bart, dachte nach und erinnerte sich. Er fühlte sich vollkommen verwirrt, wie so oft. Denn er war sicher, dass er sich an etwas erinnern sollte, aber selbst wenn es um sein Leben ginge, er kam nicht darauf. Aber manchmal war es einfach so mit seinem Verstand. Wie bei einer Kreidetafel, vollgekritzelt mit interessanten und wichtigen Informationen, aber wenn man nicht schnell genug nach vorne rannte, um alles zu lesen, verblassten all die Wörter und Ideen nach und nach.

      So saß Orv da und war froh über die Kälte, denn wenn es kalt war, krepierten die Läuse in seinem Bart und seinen Haaren. Diese verdammten Dinger, nicht wahr, sie konnten einen Mann mit gesundem Verstand in den Wahnsinn treiben, dermaßen juckte es.

      Orv dachte: Hör auf, an deine Viehzucht zu denken, verdammter Idiot, deswegen bist du nicht hier. Du bist hier, weil … weil …

      Verdammt noch mal, da war sie wieder dahin, die gute alte Erinnerung. Sie schmolz dahin wie ein Eissplitter in der Julisonne. Manchmal dachte Orv darüber nach, ob er verrückt war, und vielleicht war er das. Aber nur, weil sein Gehirn verrottete, hieß das noch lange nicht, dass er komplett wahnsinnig war. Sicher, er drehte manchmal durch und verlor ein bisschen die Kontrolle. Und wenn das vorkam, ließ Dirker ihn durch Henry Wilcox oder Pete Slade oder einen der anderen Deputys einsperren wie eine Erbse in der Schale, und das war okay.

      Das Gefängnis von Beaver County?

      Zur Hölle, das war verdammt noch mal gemütlicher als dieses Kriegsgefangenenlager der Yankees in Camp Douglas. Das Essen war auch besser. Man wurde nicht geschlagen oder als Zielscheibe benutzt. Man musste nicht aus der Jauchegrube trinken oder all den guten Jungs mit leeren Bäuchen zusehen, die umherstreunten wie lebende, atmende Skelette knapp diesseits des Grabes. Und das war einfach nur erbärmlich gewesen, denn die Blaubäuche hatten Nahrung. Hatten jede Menge davon, aber sie sahen ihren Feinden lieber beim Verhungern zu.

      Tod durch Verhungern.

      Auf so einen höllischen Plan musste man erst mal kommen. In Douglas hatte es einen Sergeant aus Alabama gegeben, der kurz zuvor verrückt geworden war. Er war so dünn, dass man ihn in einen Briefumschlag hätte stecken können. Die ganze Zeit, die Orv dort war, hörte er ihn nur eine einzige vernünftige Sache sagen. Junge, hatte er gesagt, so wie ich das sehe, trennen mich sechshundert Meilen von daheim und sechs Zoll von der Hölle. Orv hatte das nie vergessen. Die meiste Zeit hatte der Sergeant versucht, Käfer aus dem Dreck zu buddeln oder tote Ratten unter den Hütten zu verstecken für einen leckeren Mitternachtssnack. Oder er hatte den Wachen gesagt, er wolle jetzt Präsident Lincoln sprechen, oder dass Andrew Davis seinen weißen Alabama-Arsch lecken könne dafür, dass er ihn in diesem Loch verrotten ließ. Und wenn der gute alte Andy Davis seine Schwester Nell durchnehmen wollte, warum nicht, nur zu, sie hätte ohnehin schon mit allem geschlafen von wilden Rothäuten bis wilden Ebern, und ein korrupter Politiker sollte da ganz prima reingleiten können.

      Orv versuchte, seinen Kopf aus dem Krieg zu ziehen, aber das war kein einfaches Unterfangen.

      Manchmal waren die Yankees alles, was er sehen konnte. Tote und lebendige. Dirker war ein Yankee, Henry Wilcox ebenso. Peter Slade auch … nein, das war nicht richtig. Slade stammte aus Mississippi. Aber er roch wie einer. Orv hasste diesen Yankee-Geruch, den sie an sich hatten. Wie dieses eine Mal in der Oase, als dieser Yankee-Hurensohn behauptet hatte, bei der Zweiten Arkansas-Infanterie gewesen zu sein. Hatte gesagt, er wäre bei Pea Ridge dabei gewesen, aber das war eine Lüge. Der Hurensohn trug einen Starr-Revolver und hatte dieses rotblonde Haar, das ihm bis auf die Schultern fiel, und diese Narben auf seinem Gesicht. War wahrscheinlich irgendein Hillbilly aus Kansas, der darauf aus war, ehrliche Leute umzubringen. Yeah, gottverdammter Yankee, so ein Lügner. Was bildete er sich ein?

      Verschwende keinen Gedanken darauf, sagte sich Orv, das ist Jahre her.

      Nein, nein, das stimmte auch wieder nicht. Gestern war das gewesen oder vielleicht heute. Genau, denn Dirker hatte seinen 1851er Navy-Colt kassiert, dieselbe Waffe, die er einem Offizier der Blutigen Zehnten Ohio-Infanterie abgenommen und seitdem getragen hatte. Hatte sie ihm abgenommen, während er sich unter den Leichen versteckte … und, verdammt, wo waren Roy und Jesse?

      Oh, tot und tot. Genau, seit Jahren schon. Waren im Krieg gefallen.

      Orv umklammerte seinen Schädel und versuchte, sein Gehirn zum Funktionieren zu bringen. Aber es wollte einfach nicht. Ein Sack Bohnen zwischen seinen Schultern hätte mehr zustande gebracht.

      Hör zu.

      Sicher, langsam wurde er etwas klarer im Kopf.

      Er konnte Dinge oben in den Bergen hören, schlechte Dinge. Dinge, die auf Pferden ritten und wie Männer aussahen, aber in Wirklichkeit keine Männer waren. Oh, das war schlecht, schlecht, schlecht. Orvs Familie stammte aus den Smoky Mountains in Tennessee. Alle aus der Familie seiner Mutter hatten mit Hexerei zu tun, und sie hatten das Zweite Gesicht. Orv hatte es ebenfalls. Manchmal sah er Dinge in seinem Kopf, bevor sie Wirklichkeit wurden … es nutzte ihm nur nicht viel, weil er immer alles schon wieder vergessen hatte, bis das Ereignis eintrat. Die Familie seiner Mutter war so. Grandpappy Jeremiah Hill war auch so gewesen. Einmal hatten ihn Farmer oben aus dem Hawkins County um seine besten Schweine betrogen, aber auf legale Weise, sodass Jeremiah nicht viel dagegen machen konnte, außer zu fluchen und auf und nieder zu hüpfen. Nur, dass sich Jeremiah in eine schwarze Trance begab und die Jungs verhexte, und dann kamen die Krähen im Dunkel der Nacht und pickten ihnen die Augen aus. Was nicht wirklich eine schlechte Sache war, denn Jeremiahs Flüche hatten ihnen Dinge gezeigt, die sie nie wieder sehen wollten.

      Orv ging zu dem kleinen, vergitterten Fenster.

      Feuchte Luft blies ihm ins Gesicht, und das fühlte sich gut an. Er sah nach oben zu den dunklen Hügeln, die über die Stadt emporkletterten, und er wusste, dass dort das Böse war, dass dort die schlechten Dinge hausten. Er konnte Gesichter und Konturen in seinem Kopf sehen, aber er konnte sie nicht klar ausmachen, und die Stimmen wurden nur ein klein wenig deutlicher. All das zusammen ließ etwas Schwarzes und Giftiges in Orvs Bauch entstehen und sich krümmen, denn er konnte den Tod riechen, den Tod, der die Stadt umringte. Genau das hatte er auch in Camp Douglas gerochen und gehört. Wie sich etwas in der Nacht durch die Berge von Knochen, Lumpen und Leichen wühlte. Jetzt war der Tod hier, das sah er in seinem Kopf. Und er wusste, dass der Tod wie immer hungrig und sein Bauch stets leer war.

      Mit dieser Erkenntnis glitt Orville DuChien die Wand hinunter wie eine Träne und begann zu wimmern und zu beten, dass die Sonne aufgehen möge.

      2-4

      Tyler Cabe betrat das Gasthaus, das nach St. James, dem Heiligen, benannt war. Er kam aus dem Sturm, der Regen tropfte von Rand seines Stetson. Er wischte den Schlamm von seinen Stiefeln, ging zur Feuerstelle hinüber und wärmte sich. Eine schlanke Frau in einem an