Suzanne. Levi Krongold

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Название Suzanne
Автор произведения Levi Krongold
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783748592495



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Situation zum Besseren zu wenden. Es lief ja auch körperlich nichts mehr zwischen ihnen. Sie hatte ihre Bedürfnisse mit einer übergroßen, fast fanatischen Fürsorge für die Kinder kompensiert, achtete streng darauf, dass sie entweder wesentlich früher oder aber meistens wesentlich später ins Bett ging, so dass einer von beiden mit Sicherheit bereits schlief, wenn der Partner ihm folgte. Die wenigen Versuche seinerseits, mit ihr ins Gespräch zu kommen, endeten immer wieder in einem Ehestreit, bei dem er nie das letzte Wort hatte, da sie zu einer endlosen Wiederholungsschleife ihrer Vorwürfe neigte, in die sie sich immer weiter hineinsteigerte. So hatte er es inzwischen vorgezogen, nach einigen Sätzen zu schweigen, wenn sich eine Wiederholung des Dramas andeutete, wie er ebenso aufgegeben hatte, von ihr einen Schritt in Richtung eines Schlichtungsversuches zu erwarten. Sie verharrte in ihrer beleidigten Ablehnung ihm gegenüber und dem Bedauern über ihre selbst auferlegte Märtyrerrolle. Natürlich stand es finanziell nicht mehr so schlecht wie zu der Zeit, bevor sie ihre jetzige Stellung angenommen hatte. Doch im Geld schwammen sie auch nicht gerade, zumal die Ansprüche der beiden Kinder immer größer wurden, um im Vergleich mit den Schulfreunden nicht allzu weit zurückstehen zu müssen. Sein Job als Korrektor eines kleineren Verlages brachte gerade soviel, dass sie einigermaßen über die Runden kamen, sich auch einige Urlaube leisten konnten. Doch die Vorauszahlungen und Tantiemen seiner bisherigen Versuche als Buchautor deckten kaum die Kosten. Auch der gegenwärtige Roman, über eine schwierige Liebesbeziehung zwischen einem alternden Mann und einer jungen Frau, »Suzanne«, steckte irgendwie fest. Zwar hatte er eine kleine Vorauszahlung erhalten, erstmalig, dafür aber auch einen fixen Termin, an dem das Manuskript abzugeben sei war, und der rückte unaufhaltsam näher, ohne dass ein Ende der Schreibarbeiten abzusehen wäre. Umso drängender war sein Bedürfnis, seine Kreativität ungestört von häuslichen Querelen ausleben zu können. Eine Tatsache, die bei Iris keinerlei Verständnis hervorrief, abgesehen davon, dass sie nie auch nur einmal eines seiner Manuskripte zu lesen wünschte. Diese Seite seiner Persönlichkeit war bei ihr aus irgendeinem Grunde völlig ausgeblendet. Er schlürfte ein wenig an dem kalten Kaffee und goss dann den Rest angewidert in die Tannennadeln auf dem matschigen Waldboden, wo er der langsam versickernden braunen Pfütze sinnend nachschaute. Dann erhob er sich mühsam und schlurfte zu seinem PC zurück.

      2

      »Ich liebe dich Suzanne!«, raunte er ihr ins Ohr, während ihn das Verlangen nach einer Wiederholung der wunderbaren Berührung..., der wunderbaren....«. Nein. Er strich den letzten Einschub wieder.

      »Ich liebe dich Suzanne!«, raunte er ihr ins Ohr. Sie hob ihre beiden Arme über ihren Kopf und umfasste seinen Hals, legte den Kopf zurück und spitzte ihre vollen Lippen. »Küss mich, Cherie!« Er beugte sich nach vorne und versuchte, ihre Lippen zu erreichen, was nur mit Mühe gelang, so dass sie sich lachend in seinen Armen umdrehte und ihn mit leuchtenden Augen anschaute. »Du bist so süß«, lächelte sie.Er zog sie an sich, was sie willig geschehen ließ. Ihr warmer Mund schmiegte sich verlangend auf seine Lippen, doch entzog sie sich ihm, als er ihre Zunge suchte. Sie legte ihren Zeigefinger auf seine Lippen. »No, no!«, wies sie ihn mit gespieltem Ernst zurecht. »Die Regel?«, bemühte er ein Grinsen.Sie lachte hell auf und erhob sich schnell. Mit etwas Mühe, seine steif gewordenen Glieder zu ordnen, raffte er sich auf, um ihr zu folgen. Ihre spielerische Art, ihn anzulocken, um ihn kurz darauf wieder abzuweisen, verwirrte und verunsicherte ihn. Er ergriff ihre ausgestreckte Hand, die sie ihm hilfreich entgegenstreckte, und lächelte gequält. »Lass uns gehen, mir wird kalt«, bat sie und zog ihn bereits mit sich, den ausgetretenen Fußweg zurück, den sie hierher gekommen waren. Er ließ sich von ihr führen bis sie wieder unten am Strand angekommen waren, der sich kilometerlang hinzog. Die gerade hinter dem Horizont verschwundene Sonne malte bizarre, rotviolette Formen in die wenigen zarten Wolken des Abendhimmels. »Kommst du noch zu mir?«, wagte er nochmals einen vorsichtigen Vorstoß. »Ich weiß nicht, heute vielleicht lieber nicht.«Enttäuscht wandte er sich ab und betrachtete das Meer, das in leisen, zarten Wellen an den Strand schlug. »Schade!« »Sei nicht traurig, Mon Amour, ich kann nicht heute, irgendwie.« »Ist schon okay, verzeih mir, ich will dich nicht bedrängen. Ich bin so froh, dass du bei mir bist.«Sie stellte sich dicht vor ihn und umklammerte seine Taille. »Küss mich, bitte.«Er beugte sich ein wenig zu ihr herunter, da sie gut einen Kopf kleiner war als er, und versank in einen warmen intensiven Kuss.

       Nachdem er sie noch zur Tür ihrer Wohnung in der Altstadt von Algajola neben dem 'Place de L'Eglise' gebracht hatte und sie sich ihrer gegenseitigen Zuneigung versichert hatten, schlenderte er ziellos durch die natursteinmauernen Sträßchen, die durch antike Laternen spärlich beleuchtet waren, bis hinunter zu seinem Hotel.Sie hatten sich versprochen, einander nicht mehr von sich zu erzählen, als für ihr zwangloses Zusammensein unerlässlich wäre. Keine Fragen über ihre Herkunft, über die Umstände des Hierseins. Sie hieß Suzanne und er Levi, ohne Vergangenheit und damit basta.Dennoch hatte er heimlich nach einem Türschild des Hauses geschielt, in dem sie wohnte, freilich ohne eines finden zu können, da die wenigsten Häuser von Algajola Türschilder aufwiesen. Niemals hatte sie ihn gebeten, weiter als bis zur Türe zu kommen. Stets hatte sie sich eher hastig verabschiedet, ja, sie schien ihn leicht, aber entschieden zurückzustoßen, wenn sie sich trennten und sie die steinerne Außentreppe zum ersten Stockwerk hoch eilte.Niemals hatte sie Fragen zu seinem Ehering gestellt, den er am ersten Tag ihrer Begegnung nicht abgelegt hatte. Jetzt lag er freilich in einer Schublade in seinem Hotelzimmer und er fand, dass er ihn viel eher hätte ablegen sollen, da er bereits Monate wie Blei an seinem Finger hing.Fast sieben Tage waren seit ihrer ersten Begegnung vergangen. Sie war auf einmal da gewesen, wie ein Blatt, dass der Wind heranträgt. Sie war plötzlich in sein Leben getreten, ohne Aufsehen, ohne Umstände. Ein Blick in einem kleinen Souvenirladen, über eine Auslage überflüssiger Mitbringsel, bunter Ledertaschen, Badetücher und anderem Schnickschnack hinweg. Ein Blick und ein angedeutetes Nicken, als sie ihm fragend eine Strass besetzte Sonnenbrille präsentierte, da kein Spiegel in Sichtweite war. Er wollte ihr die Brille schenken, was sie entschieden ablehnte, doch schlug sie ihm vor, einen Espresso im angrenzenden Straßencafé zusammen zu trinken. Ihr schlankes ausdrucksvolles, fast noch ein wenig mädchenhaft wirkendes Gesicht, die langen dunklen Haare, die wie ein wallender Schleier ihren Rücken bedeckten, die markanten Augenbrauen und ihre zarte Gestalt entsprachen so sehr seinem Wunschbild einer Frau, dass er sein Glück gar nicht fassen konnte. Er schätzte sie auf irgendwas zwischen fünfundzwanzig und dreißig Jahren, also etwa nur halb so alt wie er selbst. Das Gespräch entwickelte sich ganz von selbst, Kleinigkeiten, ohne Belang, doch es floss ohne Hindernisse und peinliche Pausen. So verabredeten sie sich für den nächsten Tag zur selben Zeit. Die Stunden bis zu ihrem zweiten Zusammentreffen waren erfüllt von Zweifel und Erwartungsängsten. Schlaflos wälzte er sich Stunde um Stunde in seinem zu weichen Hotelbett, simulierte Gespräche, fantasierte erotische Szenen. Bald glaubte er, sie würde ihn ohnehin versetzen und habe nur einen Schabernack mit ihm getrieben. Was wollte eine attraktive Frau mit ihm, dem alternden Noch-Ehemann aus einer kaputten Beziehung anfangen? Was hatte er ihr zu bieten, außer traurigen Geschichten? Taugte die Begegnung zu einem unverfänglichen Urlaubs-Rendezvous?Waren nicht Enttäuschungen vorprogrammiert? Dann tadelte er sich selbst wegen seines fehlenden Draufgängertums. Mein Gott, was war aus ihm geworden? Wo war die alte jugendliche Unbekümmertheit geblieben, die unbegründete jugendliche Gewissheit, dass er nur mit dem Finger zu schnipsen brauchte, um das Objekt seiner Begierde flachzulegen? Der Drang, allen Widerständen zum Trotz bei ihr zu landen, auf Teufel komm raus, selbst wenn gebrochene Herzen die Folge sein konnten. Dies, gestand er sich ein, diese fehlende unverbrauchte jugendliche Arroganz war es, die das wahre Altern ausmachte. Nicht die paar Malaisen, die der Körper nach und nach aufwies, die Blessuren, die nur unzureichend regeneriert waren. Es waren die Schnitte in seiner Seele, die nicht heilen wollten, die Verletzungen durch unzählige Demütigungen und Enttäuschungen, die ihn zerbrochen hatten. So in Selbstmitleid gefangen überkam ihn schließlich ein unruhiger Schlaf, aus dem er mehr ermattet als erfrischt erwachte.Am nächsten Morgen jedoch strahlte ihm die mediterrane Sonne freundlich entgegen. Die Blumen versuchten, ihn mit ihrem betörenden Duft zu entschädigen und seine Stimmung schwang sich langsam mit den schwirrenden Mauerseglern in die Höhe. Sie hatten sich in demselben Café verabredet wie am Tage zuvor, das er schon eine Stunde vor dem verabredeten Zeitpunkt wie eine Raubkatze umschlich. Als er es überdrüssig