Suzanne. Levi Krongold

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Название Suzanne
Автор произведения Levi Krongold
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783748592495



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Augen an. »Oh, ja! Würdest du mit mir tanzen gehen?« Sie klatschte wie ein kleines Mädchen in die Hände, dass ihren Vater um einen Gefallen bittet. Er lachte zufrieden. »Natürlich! Vielleicht gibt es eine Möglichkeit dort unten am Strand.« »Ja, vielleicht!«, freute sie sich und legte ihm ihre Hand auf den Arm. Sie ist wie ein großes Kind, dachte er und schaute zu ihr hinüber, wie sie zufrieden in ihrem Sitz saß. Das wütende Hupen eines entgegenkommenden Autos ließ ihn zurückzucken. Gerade noch rechtzeitig konnte er den Wagen wieder zurück auf die Fahrbahn lenken, von der er ein wenig abgekommen war. »Puh, das war knapp...«Sie lachte nur. »Du fährst schon wie ein Korse.« »Fahren die auch so?« »Schlimmer!« »Jetzt weiß ich auch, weshalb die Versicherungen hier so teuer sind.« »Besonders schlimm ist es im Bergland.«, bestätigte sie. »Da musst du ständig auf der Hut sein.« Das hatte er schon gehört. Er hoffte, dass sie dieses Schicksal nicht heute ereilen würde. Er bemühte sich, nun etwas besser auf die Straße zu achten, obwohl er immer wieder einen Blick zu ihr hinüberwarf, um festzustellen, in welcher Stimmung sie war. Sie schien es nicht zu bemerken, sondern schien die Fahrt und die vorbeiziehende Landschaft zu genießen. So schwiegen sie eine Weile. Wenn es stimmte, wie er einmal gelesen hatte, dass zwei Menschen nicht länger als 31 Sekunden schweigend nebeneinander sitzen können, ohne dass es peinlich wird, dann kannte sie diese verhaltenspsychologische Studie nicht. Es schien ihr nichts auszumachen, nicht zu reden, ganz im Gegensatz zum letzten Treffen, als sie fröhlich über alle möglichen Belanglosigkeiten geschwatzt hatten. Und dann war da ja auch noch ihre Hand, die sie auf seinen Unterarm gelegt hatte, als sei dies ganz selbstverständlich. Um dieses Kontaktes willen wagte er nicht, die Kupplung öfters als notwendig zu treten und die Gangschaltung zu betätigen, denn diese kleine Geste war es, die ihm mehr als jedes Wort ihre Verbundenheit auszudrücken schien. Die Sonne war nun deutlich höher gestiegen und brannte unbarmherzig auf die Scheiben. Die Klimaanlage, im Preis inbegriffen, schien jedoch nichts mit ihrem Einschalter im Armaturenbrett zu tun haben zu wollen. Er drückte den Knopf versuchsweise mehrmals, ohne dass sich irgendeine Reaktion, geschweige denn Kühlung feststellen ließ.Sie schien es ebenfalls bemerkt zu haben. »Mach doch einfach die Fenster auf, die meisten Leihautos sind hier kaputt!«, bemerkte sie lakonisch. Der warme Fahrtwind, der durch die geöffneten Fenster hineinströmte, blies ihnen ins Gesicht. Ihre langen braunen Haare wehten heftig im Wind. Sie lachte und hielt den Kopf noch näher an die Fensteröffnung. Er lächelte ihr zu, froh, sie so glücklich zu sehen. Ich bin verliebt, stellte er ganz sachlich fest. Ich bin derartig verliebt, dass ich tanzen könnte.

      11

      Ich bin derartig verliebt, dass ich tanzen könnte… »Wo ist denn das Feuerzeug?«, rief Marie, die bereits eifrig damit beschäftigt war, Grillkohle in den kleinen Rundgrill zu schütten. Iris stand mit in die Hüften gestützten Fäusten in der Tür. »Marie, wirst du wohl dein weißes T-Shirt ausziehen. Du machst dich ganz dreckig. Meinst du, ich habe nichts anderes zu tun, als eure dreckige Wäsche zu waschen?« Dann mit einem deutlichen Blickwechsel in seine Richtung, aber ohne ihn anzusprechen. »Frag bitte deinen Vater, ob er sich mal bequemen könnte, den PC wegzulegen und ein wenig mit anzupacken!« »Papi, gibst du mir mal das Feuerzeug?« Er speicherte die Datei seufzend, weil er einsah, dass er ohnehin jetzt nicht weiterschreiben konnte. »Lass mal, ich mach hier weiter«, löste er Marie ab. »Geh du dich mal umziehen. Auf dem Rückweg kannst du schauen, ob du das Feuerzeug findest. Es muss irgendwo in der Küche liegen!« Unlustig stocherte er in dem riesigen Holzkohlehaufen, den Marie aufgeschüttet hatte. Die Tüte mit der Kohle lag weit aufgerissen auf der Erde, sodass die spärlichen Reste sich im Gras verteilt hatten. Er begann also mit den Händen die überschüssige Kohle aus dem Grill wieder heraus zu schaufeln und warf sie einfach zu den am Boden liegenden dazu, bis sich ein kleiner Hügel gebildet hatte. Nur waren jetzt seine Finger pechschwarz, so dass er nicht wusste, wohin damit. »Ich bin derartig verliebt, dass ich tanzen könnte...« Nachdenklich blieb Roy vor dem Grill stehen und schaute seine schwarzen Finger an. Er würde sie besitzen wollen. Suzanne. Aber sollte er sie vielleicht töten? Würde sich das Schwarz seiner Hände in das Rot ihres Blutes verwandeln? Ach, nein. Warum sollte er dem Roman so eine schreckliche Wendung geben? Weil sie zu schön war. Suzanne. Sie war zu schön, für ihn. Aber warum wollte er sich selbst bestrafen, indem er sie sterben ließ? Er hielt sich seine Hände vor die Augen. War er so überzeugt von seiner Minderwertigkeit, dass er sich nicht einmal in der Fantasie eine erfüllte Liebe vorstellen konnte, ohne sie gleich zerstören zu müssen? So eine Frau wie Suzanne. Wäre er fähig, um sie zu werben? Würde er den ersten Schritt machen, würde er das Wagnis wirklich eingehen, wenn sie nun leibhaftig vor ihm stünde? »Ich kann kein Feuerzeug finden«, rief Marie aus dem Haus. Das hatte er nicht anders erwartet, Kinder fanden nie irgend etwas, was sie suchen sollten. Ärgerlich rief er zurück. »Ach, dann such doch mal woanders! Vielleicht im Wohnzimmer oder in irgendeiner Jacke!« »Och nö, such doch lieber selber.« »Ich kann nicht, ich hab dreckige Hände! Frag Sonja!« »Die olle Zicke tut nie was.«, maulte Marie. »Was macht sie denn gerade?«, erkundigte er sich schon auf dem Weg zurück ins Haus. »Chillen!« Roy schüttelte den Kopf. Er war gleich dagegen gewesen, dass Sonja ein Touch Phone bekommen sollte. Seitdem hing sie jede freie Minute an dieser dämlichen Kiste, hörte Musik oder schrieb und las überflüssige Nachrichten. Mit dem Ellenbogen öffnete er die Badezimmertür, die kohleschwarzen Hände vorsichtig in die Luft haltend, damit er nirgends anstieß. Leider konnte er es nicht vermeiden, am Waschbecken und der Seife schwarze Spuren zu hinterlassen. »Wieso hast du denn einen Schuh in deinem Regenmantel?«, erkundigte sich Marie, die offenbar doch noch weitergesucht hatte. Er schrak auf. Den hatte er ganz vergessen! »Hab ich gefunden!« »Mami«, meldete jetzt Marie begeistert. »Papi hat einen Schuh in seinem Mantel versteckt!« »Was sagst du?«, kam es aus der Küchenecke. »Papi hat einen Schuh gefunden.« Oh, nein! Das darf nicht wahr sein, durchfuhr es Roy, der bereits ahnte, dass sich eine Katastrophe anbahnen würde. Er stürmte aus dem Bad, um gleich darauf mit Iris vor der Garderobe zusammen zu treffen, die Marie den Schuh aus der Hand genommen hatte. »Hab ich heute gefunden«, wiederholte er. »Gefunden!«, echote Iris giftig. »Wo findet man denn einen Frauenschuh?« »Auf der Straße.« Sie schaute ihn an, als habe sie ihn inflagranti bei einer Affäre erwischt. Ihre Lippen wurden ebenso schmal wie ihre Augen. »Du willst mir erzählen, dass du einen Schuh auf der Straße gefunden hast und ihn mit nach Hause nimmst!?« Er zog die Schultern hoch. »Na und, ist das verboten?« »Du bist komisch, Papi«, lachte Marie und stürmte zu Sonja, um ihr die Neuigkeit zu berichten. Die hatte von all dem nichts mitbekommen, weil sie sich wieder auf dem Sofa ganz ihrer überlauten Musik unter ihren Kopfhörern hingab, während sie eifrig über das Pad scrollte. »Papa hat einen Frauenschuh gefunden!«, lachte Marie, während sie Sonja die Kopfhörer herunterriss. »Bist du bekloppt? Was soll das?«, fauchte sie ihre kleine Schwester an. »Legst du jetzt endlich dein Handy weg!«, schrie Iris sie an, während sie den Schuh mit einer einzigen heftigen Handbewegung in Richtung des Küchenmülleimers feuerte, wo er abprallte und zu Boden fiel. Die beiden Mädchen verstummten. Und weil sie gerade so in Fahrt war, fügte sie noch hinzu: »Du hast die nächsten zwei Tage Handyverbot!« »Das ist voll ungerecht!«, maulte Sonja. Iris funkelte Roy böse an. »Wer weiß, wer den schon anhatte!« »Eine Frau vielleicht?«, versuchte er eine ironische Bemerkung. Die kam jedoch gar nicht gut an. Wütend, weiß im Gesicht vor Zorn, drehte sie sich um und riss die Tüte vom Einkauf auf. Die Gummibärchenpackung fiel zu Boden und von den Schaumzuckerklöpsen kugelten einige über die Küchenplatte. »Was habt ihr da wieder für einen Mist gekauft!«, fauchte sie. »Marie wollte was Leckeres zum Grill!«, entschuldigte er sich, während er sich bückte, um den Schuh aufzuheben. »Papa hat es mir erlaubt!«, verteidigte sich Marie. »Bist du nicht dick genug?«, schrie Iris in Richtung Wohnraum, in den sich Marie vorsichtshalber zurückgezogen hatte. Er betrachtete den Schuh. Warum hatte er ihn eigentlich mitgenommen? Er wusste es nicht. »Sie ist doch nicht zu dick!«, meinte er Marie nun zur Hilfe kommen zu müssen. Marie war wirklich nicht übergewichtig, hatte sich aber in den letzten Wochen aufgrund der vielen Geburtstagsfeiern ihrer Mitschüler ein kleines rundliches Bäuchlein angefuttert. »Na, dann schau sie doch mal richtig an! Interessiere dich doch mal für deine Kinder, anstatt hinter anderen Frauen herzulaufen!« »Ich bitte dich, was redest du da für einen...« »Hast du eine Freundin?«, fragte Sonja, die es vorgezogen hatte, angesichts der Übergewichtsfrage