Terapolis. Tom Dekker

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Название Terapolis
Автор произведения Tom Dekker
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783748514022



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feixte er.

      „Jaja. Soll sich mal nicht so anstellen. Wird nicht weniger Arbeit, nur weil wir vor der Zeit anfangen.“, grunzte Brown.

      Greg wusste, dass hinter Browns bärbeißiger Art ein guter Kern steckte, auch wenn es einige Zeit gedauert hatte, das herauszufinden. In den ersten Tagen in der Schweißerei hatte er richtiggehend Angst vor dem großen behaarten Mann gehabt, der permanent zynische oder bösartige Kommentare von sich gab. Lieber hatte er sich an Smitty mit seiner fröhlichen, hilfsbereiten Art gehalten. Aber in der letzten Woche, als er die Flamme falsch eingestellt und beinahe eines der wichtigsten Rohre im Kühlsystem der Fabrik zuschanden gemacht hätte, da war es Brown gewesen, der ihm kommentarlos zu Hilfe geeilt war, gemeinsam mit ihm den Fehler ausgebügelt und Greg dann kameradschaftlich auf die Schulter geklopft hatte. Das würde Greg nie vergessen. Wie man sich doch in Menschen täuschen konnte.

      „Guten Morgen.“, stöhnte Greg in Richtung seiner Kollegen. Er stellte die Sauerstoffflasche vorsichtig ab, richtete sich auf und wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Ich will nur gut gerüstet sein. Es gibt schon genug, was ich noch lernen muss.“, sagte er mit einem verschwörerischen Blick in Browns Richtung.

      „Stimmt.“, antwortete der und machte eine wegwerfenden Handbewegung. „Du gehst heute am besten mit Smitty. Die Kühlleitungen für die neue Maschine müssen überprüft werden. Würde mich wundern, wenn da nichts nachgebessert werden muss.“ Smitty und Greg nickten. „Ich kümmere mich um die neuen Rohre für die Luftzufuhr. Ich weiß nicht, wozu das gut sein soll, aber wenn die Vorarbeiter einem sagen, man soll an komischen Rohren herumschweißen, dann tut man das lieber, ohne zu viel nachzufragen.“, grummelte er und schaute dabei mit einer hochgezogenen Augenbraue zu Greg.

      Der lachte kurz auf. „Ich habe es verstanden, Brown. Keine dummen Fragen. Einfach machen, was mir gesagt wird.“ Das war in der Praxis leichter gesagt als getan. Greg konnte nicht verstehen, was so falsch daran war, wissen zu wollen, wozu man etwas tat und was für Vorteile das Ganze hatte. Aber aus irgendeinem Grund waren die Vorarbeiter ständig der Meinung, dass ihn so etwas nichts anging. Greg hatte ja den Verdacht, dass sie selber auch nicht wussten, welchen Grund ihre Anweisungen hatten, aber er hütete sich, das laut zu sagen.

      Smitty klopfte ihm derb auf die Schulter und riss ihn aus seinen Gedanken. „Na, dann lass uns mal den Wagen beladen!“

      Gemeinsam hievten sie ihre Gerätschaften auf den kleinen Wagen, auf dem Platz für die Gasflaschen und das Werkzeug war und trotteten durch die riesige Fabrikhalle, die vom Hämmern und Scheppern hunderter Mechaniker erfüllt war. Überall wurde geschraubt, geklopft, gestöhnt und geflucht. Riesige Einzelteile schwebten an großen Ketten unter dem Hallendach entlang, Jungen schoben Wagen mit Schrauben, Muttern und Kleinteilen durch die schmalen Gänge, Arbeiter zogen Riemen auf oder setzten Kolben ein. Nicht zum ersten Mal wunderte sich Greg, wie aus all diesem scheinbaren Chaos am Ende so wunderbare Motoren werden konnten, wie man sie im Warenlager bestaunen konnte. Er tröstete sich mit dem Gedanken, dass er irgendwann schon noch dahinterkommen würde, wie das alles organisiert war. Und viel wichtiger war ohnehin erst einmal, dass er verstand, wie die Motoren funktionierten und wie man sie reparierte. Mit seiner raschen Auffassungsgabe für die Motoren war er ja überhaupt erst dem Produktionsleiter aufgefallen und nur dadurch, dass er so geschickt war, hatte er die Stelle in der Schweißerwerkstatt erhalten, was ihm unglaublich viele Wertmarken einbrachte.

      „Träumst du dich schon wieder weg?“, fragte Smitty freundlich. „Sind schon tolle Dinger, unsere Motoren. Und wie ich hörte, sollst du ein besonderes Händchen dafür haben?“ Er zwinkerte Greg von der Seite an.

      „Naja, ich habe schon den ein oder anderen Fehler gefunden. Wenn ich richtig gut schweißen kann, darf ich vielleicht irgendwann in der Fehlerkontrolle anfangen.“, antwortete Greg nicht ohne Stolz. Er bewunderte die findigen Mechaniker, deren Aufgabe es war, bei den Motoren, die nach der Fertigung nicht rund liefen, die Fehler zu finden und sie so zu reparieren, dass sie doch noch funktionierten. Immer, wenn er in ihrer Nähe etwas zu tun hatte, blickte er ständig zu ihnen hinüber, um so viel wie möglich aufzuschnappen.

      „Das ist ein großes Ziel. Nur die Besten kommen dort hin.“, sagte Smitty versonnen. „Aber du schaffst das schon.“ Aufmunternd zwinkerte er Greg zu. „Noch nicht heute, wohlgemerkt.“, fügte er mit erhobenem Zeigefinger hinzu. „Jetzt machen wir uns erst einmal an die Rohre.“

      „Achtung. Eine dringende Durchsage.“, tönte plötzlich eine Frauenstimme, offenbar durch ein Megaphon verstärkt, durch die Fabrikhalle.

      „Was denn, eine neue Sekretärin? Was ist denn mit Molly?“, fragte Smitty verwundert und schaute sich in der Halle um, in dem Versuch, den Ursprung der Durchsage zu erspähen.

      „Greg aus der Schweißerwerkstatt soll bitte umgehend in Mister Fingreys Büro kommen!“, schallte die Stimme erneut durch die Werkhalle.

      Greg schaute verdutzt zu Smitty, der nicht weniger erschrocken zurückstarrte. Was hatte das zu bedeuten? Warum wollte Fingrey ihn sprechen? Hatte Brown dem Chef etwa doch etwas von seinem Patzer letzte Woche erzählt?

      „Herrje. Direkt zum Chef. Das ist aber sehr ungewöhnlich!“ Smitty kratzte sich am Kopf und blickte Greg besorgt an. „Ich hoffe, das gibt keinen Ärger. Du hast doch nichts ausgefressen, oder?“

      In Gregs Kopf überschlugen sich die Gedanken, aber er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, warum Jesua Fingrey ihn persönlich in seinem Büro sehen wollte.

      Wie in Trance schüttelte er den Kopf. „Nein. Wirklich nicht. Ob es wegen der falschen Flamme letzte Woche ist?“

      Smitty schüttelte entschieden den Kopf. „Auf keinen Fall. Wegen so einer Lappalie bemüht sich der Chef nicht. Das würden die Vorarbeiter erledigen. Und außerdem glaube ich nicht, dass Brown etwas erzählt hat. Er hat ein loses Mundwerk, das wohl, aber ein Herz aus Gold. Und dich hat er ins Herz geschlossen, das kannst du mir glauben.“ Bei diesen Worten deutete er mit dem Zeigefinger so entschieden auf Greg, dass der Angst bekam, gleich aufgespießt zu werden.

      „Aber was kann er dann von mir wollen?“

      Smitty zuckte mit den Schultern. „Ich habe keine Ahnung. Und du wirst es nicht herausfinden, indem du noch länger hier herumstehst und Maulaffen feil hältst. Los, mach dich auf den Weg!“, rief er und scheuchte Greg mit eindeutigen Handbewegungen davon. „Ich kümmere mich schon um die Ausrüstung.“, setzte er hinzu, als er Gregs zweifelnden Blick auf den Wagen bemerkte. Seinen Mund hatte er zu einem breiten Lächeln verzogen, doch es gelang ihm nicht, Greg zu täuschen. Aus seinen Augen sprach eine tiefe Besorgnis. „Los jetzt! Lass den alten Herrn nicht warten!“

      Greg machte auf dem Absatz kehrt und stürmte durch die Werkhalle. Smitty hatte Recht. Egal, was Fingrey von ihm wollte, es war sicher keine gute Idee, den Firmeninhaber durch Bummelei noch mehr in Rage zu versetzen. Während er an den Arbeitern, die an seinen geliebten Dieselmotoren in den unterschiedlichsten Fertigungszuständen herumwerkelten, vorbeihastete, grübelte er weiter nach, was der Grund für diese ungewöhnliche Vorladung sein konnte. In der Tat hatte er in den immerhin fünf Monaten in der Fabrik kein einziges Mal erlebt, dass einer seiner Kollegen über ein Megaphon zu Mister Fingrey bestellt worden war.

      Auch, als er an der Tür mit der großen verschnörkelten Aufschrift „Jesua Fingrey, Inhaber“, angelangt war, hatte sich seine Verwirrung kein Stück gelegt. Zögerlich klopfte er an, aber eine Antwort blieb aus. Er gab sich einen Ruck und klopfte diesmal fester gegen die schwere Holztür. Wieder wartete er einige Sekunden, aber niemand forderte ihn auf, einzutreten. Greg ging verwundert ins benachbarten Büro von Molly, Jesua Fingreys uralter Sekretärin. Hier stand die Tür offen, aber weder Molly noch die neue Sekretärin, die ihn ausgerufen hatte, waren zu sehen.

      Greg bemerkte, dass die Verbindungstür vom Vorzimmer zu Fingreys Büro nur angelehnt war. Er schob sie vorsichtig auf und blickte sich im Büro des Fabrikbesitzers um. Der Raum versprühte den Charme von Arbeit. Von viel Arbeit, um genau zu sein. Die Wände waren bis unter die Decke mit Regalen vollgestellt, in denen sich Papierstapel, Bücher und Ordner drängten. Ein schwerer, aus edlem Holz gefertigter Schreibtisch mit Schubfächern bog sich fast unter der Last zahlloser