Terapolis. Tom Dekker

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Название Terapolis
Автор произведения Tom Dekker
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783748514022



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sollte er Gouverneur werden.“

      „Noch nicht jedenfalls.“, stimmte ihm Lineman zu.

      „Dann bleibt uns nur, unsere eigenen Truppen in der Stadt zu verstärken und so wie Rand Kettenhunde an uns zu binden.“, stellte Song resigniert fest. „In der richtigen Gegend dafür sind wir hier ja schon.“, setzte er naserümpfend in Richtung Fingrey gewandt hinzu.

      Dieser räusperte sich verlegen. „Das würde nur zu Blutvergießen und einem Bürgerkrieg in der City führen. Das sollten wir noch nicht riskieren. Ich sehe nur einen Ausweg.“

      Alle starrten gebannt auf ihren Gastgeber. Die Stille im Raum war fast körperlich greifbar. Die drei Männer warteten gespannt, was Jesua Fingrey ihnen gleich eröffnen würde. Sie schienen endlich zum eigentlichen Sinn ihrer Zusammenkunft gekommen zu sein.

      Fingrey atmete einmal tief ein. „Ich werde gegen Rand um das Amt des Gouverneurs kandidieren.“, verlautbarte er in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete.

      Lineman und Song klappte der Unterkiefer herunter. Mit offenen Mündern starrten sie Fingrey an, so als hätte er ihnen gerade verkündet, dass er all seine Fabriken verkauft und das Geld unter den Armen der Stadt verteilt hätte.

      „Jetzt schauen sie nicht so, meine Herren! Es ist die einzige Möglichkeit.“, stellte dieser noch einmal kategorisch fest.

      „Aber es ist viel zu gefährlich! Rand wird niemals zulassen, dass ein Kandidat mit wirklichen Aussichten auf den Wahlsieg gegen ihn antritt.“, platzte es aus Song heraus.

       „In der Tat.“, stimmte Lineman ihm zu. „Und Sie haben gute Chancen, Jesua. Sie sind beliebt bei den einfachen Leuten, haben gute Kontakte in der feinen Gesellschaft und sind in der ganzen Stadt als hart arbeitender, ehrlicher und vertrauenswürdiger Mann bekannt. Sie sind eine echte Gefahr für Rand.“

      „Dem kann ich nur zustimmen.“ Nick nickte trocken.

      „Und genau deshalb ist es viel zu gefährlich!“, beharrte Patty Song auf seinem Standpunkt. „Wir haben nicht genügend Leute, um Sie rund um die Uhr zu beschützen. Es muss einen anderen Weg geben. Sie dürfen unter keinen Umständen an der Wahl teilnehmen.“

      „Ich fürchte, dafür ist es bereits zu spät.“, antwortete Fingrey ganz im ruhigen Tonfall des Staatsmanns, der er zu werden gedachte. „Ich habe bereits vor unserer Unterredung die erforderlichen Unterlagen fertiggestellt und durch einen vertrauenswürdigen Boten bei den Wahlbehörden abgeben lassen.“

      „Damit gibt es kein Zurück mehr.“, stellt Nick fest und lächelte versonnen vor sich hin.

      „So ist es.“, stimmte Fingrey ihm zu. „Es stellt sich also nicht mehr die Frage des Ob, sondern nur noch die Frage des Wie.“

      Patty Song betrachtete seinen Gegenüber mit besorgter Miene. Dann seufzte er lautstark. „Wenn das mal gut geht. Auf meine Unterstützung können Sie zählen.“

      „Auf meine auch.“, pflichtete ihm Lineman bei. „Ich werde meine vertrauenswürdigen Kontakte im Ministerium einschalten, damit wir möglichst effektiv gegen Rand vorgehen und vor allem Sie schützen können.“

      „Vielen Dank. Tun Sie das.“, antwortete Fingrey sichtlich erleichtert. „Aber warten Sie noch bis morgen Mittag. Dann wird die Wahlkommission meine Kandidatur offiziell bekannt geben. Vorher sollte niemand von dieser Unterredung und meinen Plänen erfahren.“ Bei diesen Worten schaute er ernst von einem der drei Männer zum nächsten. „Unsere Chance, Rand zu stoppen, hängt davon ab, dass er nicht zu zeitig gewarnt ist.“

      II

      „Greg, heb deinen verdammten Hintern höher! Du siehst aus wie ein ausgelutschter Wasserschlauch!“

      Greg streckte mit größter Anstrengung seinen Hintern nach oben und bog den Körper zurück in einen anständigen Liegestütz. Aus vor Schweiß brennenden Augen warf er Josh einen bösen Blick zu. Unter dessen schwarzer Haut, die gespenstisch im Licht der Feuerschale glänzte, zeichneten sich stahlharte Muskeln ab. Seine Tuchhose und das Baumwollhemd waren bestimmt noch trocken, während Greg, wie jeden Abend, die Kleidung schweißgetränkt am Körper klebte und kalt gegen die enorme Hitze, die sich aus seinem Körper heraus Bahn brach, ankämpfte.

      Josh grinste unbekümmert zurück. „Noch zehn. Aber ordentlich bis ganz nach unten.“, brüllte er genüsslich und ging mit gutem Beispiel voran.

      Greg biss sich auf die Lippen und machte sich daran, irgendwie die nächsten zehn Liegestütze zu überstehen. Ohne Training kein Essen, so lautete ihre Regel. Aus den Augenwinkeln nahm er wahr, dass Philt, Peanut und Suri ebenso große Schwierigkeiten hatten, sich wieder nach oben zu drücken, aber er war viel zu erschöpft, um daraus irgendeine Art von Genugtuung ziehen zu können. Stoisch blickte er auf den Schweißfleck, der sich im Sand unter seiner Stirn gebildet hatte, und zählte in Gedanken rückwärts die letzten Liegestütze mit. ,Noch drei.' Er drückte die Schultern nach oben und achtete darauf, den Hintern nicht wieder hängen zu lassen. Oben angekommen, holte er mehrmals Luft. Josh war bereits fertig und saß so entspannt im Sand, als wäre er gerade von einem Nachmittagsnickerchen aufgestanden. Greg spürte seinen strengen Blick auf sich ruhen. ,Noch zwei.' Erneut senkte er den Körper ab. Kurz bevor der Bauch den staubigen Boden berührte, drückte er sich wieder nach oben. Er spürte das Ziehen in Schultern, Bauch, Rücken und Po. Wie leicht wäre es jetzt, einfach die Knie zu beugen oder den Bauch hängen zu lassen, um erst einmal die Schultern nach oben zu bekommen. Aber das würde Josh nicht gelten lassen. Greg biss die Zähne zusammen und schob mit einer gewaltigen Kraftanstrengung den Körper nach oben. ,Nur noch einer.', dachte er bei sich. ,Bringen wir es hinter uns!' Schon beim Absenken spannte er alle Muskeln an, so dass sich sein Körper wie ein hartes, verknöchertes Brett anfühlte. Neben ihm ließ sich der kleine drahtige Philt keuchend auf den Boden fallen. Verdammt! Er war schon wieder langsamer gewesen. Mit letzter Willenskraft ignorierte Greg die Schmerzen in seinem Körper und kämpfte gegen den unbändigen Drang an, die Arme einfach einzuknicken und mit dem Gesicht nach unten liegen zu bleiben. Stattdessen spannte er die zum Zerreißen gespannten Muskeln der Oberarme ein letztes Mal an, stieß einen markerschütternden Schrei aus und stemmte sich nach oben. Geschafft! Endlich ließ er sich auf den Bauch fallen und rang in kurzen, keuchenden Atemzügen nach Luft. Peanut und Suri kämpften sich noch durch ihre letzten Liegestütze. Wenigstens war er seit einiger Zeit nicht mehr letzter, aber wer verglich sich schon mit Mädchen? Das war keine große Leistung.

      Als Peanut und Suri endlich keuchend im Sand saßen, klatschte Josh in die Hände. „Na, das ging doch schon ganz flott. Jetzt noch drei Runden um den Hof gerannt und schon sind wir fertig.“, sagte er mit fröhlicher Stimme.

      „Warum musst du sie immer so quälen? Du siehst doch, dass sie völlig erschöpft sind.“, empörte sich plötzlich aus dem Halbdunkel der verfallenen Toreinfahrt eine Mädchenstimme.

      „War doch nur ein Scherz, Natty“, kicherte Josh und entblößte eine Reihe strahlend weißer Zähne. „Denkst du, ich könnte mit dem Ding ernsthaft über den Hof rennen?“, lachte er und zeigte auf die einfache hölzerne Prothese, die statt eines Unterschenkels aus seiner Tuchhose schaute. „Wir sind fertig für heute. Guter Einsatz von allen. Greg, du entwickelst dich prächtig.“, richtete er noch ein paar Worte der Anerkennung an den Jungen. Dessen Herz begann zu rasen. Er spürte, wie die Schlagader am Hals hämmerte und ihm die Röte ins Gesicht schoss. Josh hatte ihn nach dem Training noch nie gelobt.

      „Außerdem wisst ihr selbst, dass es notwendig ist. Nur, wenn wir in guter körperlicher Verfassung sind, können wir in der City überleben. Es haben nicht alle so leicht wie du, Natty.“, erklärte er, wie fast jeden Abend nach den schweißtreibenden Übungseinheiten, warum es so wichtig war, dass sie sich dieser Tortour unterzogen.

      „Sie hat sich das nicht ausgesucht, Josh.“, sprang Peanut Natty zur Seite.

      „Schon gut, schon gut!“ Josh hob beschwichtigend die Hände. „Es war keine Anklage. Aber es ist nun einmal so, dass wir hier jeden Tag damit rechen müssen, um unser Leben zu kämpfen. Schaut euch doch mal um!“ Mit seinen Händen zeigte er auf das halb verfallene Lagerhaus, das ihr Zuhause