Sichelland. Christine Boy

Читать онлайн.
Название Sichelland
Автор произведения Christine Boy
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783844236200



Скачать книгу

Raum brennen zu lassen? Und der Qualm dabei? Ich dachte immer, Schmiedeanlagen befänden sich mehr oder weniger unter freiem Himmel...“

      „Das tun sie auch. Beim Goldschmieden ist die Gefahr nicht so groß, man braucht nur kleinere Flammen, die in einem so großen hohen Raum bei entsprechender Vorsicht kein Problem darstellen. Waffenschmieden wäre hier undenkbar, wenn ich nicht eine Vorrichtung hätte, die es erlaubt, einen Teil des Daches hochzukurbeln. Ich muss aber zugeben, dass ich diese Möglichkeit noch nicht sehr häufig genutzt habe.... es sei denn, ich arbeite an größeren Statuen. In dieser Werkstatt ist noch nie eine Klinge entstanden...“ Sara glaubte, aus Akoshs Worten einen leisen Vorwurf herauszuhören, doch sie war sich nicht ganz sicher und wollte ihn auch nicht danach fragen.

      „Natürlich habe ich alles hier, was ich brauche...“ fuhr der Schmied fort. „Ein Shajkan ist auch mit fehlender Übung kein großes Problem für mich, da hat Lennys sicher recht. Ich muss jedoch zugeben, dass ich noch nie eine Waffe für jemanden gemacht habe, der nicht aus Cycalas kommt. Und selbst für die meisten meines Volkes bleibt meine Kunst verwehrt... Das mag eingebildet klingen, ich weiß. Aber du sollst wissen, dass du hier etwas besonderes bekommst... Ich habe früher nur für die höchsten Krieger gearbeitet... Doch der Große Krieg zwang mich hierher und ich widmete mich fortan dem Schmuck und anderem Tand, der keinen anderen Nutzen hat als den, das Auge seines Besitzers zu erfreuen.“

      Plötzlich fiel Sara etwas ein.

      „Ich... habe gar kein Geld...“ begann sie vorsichtig.

      „Ich weiß. Glaubst du wirklich, ich würde es wagen, mich für etwas bezahlen zu lassen, was Lennys mir aufgetragen hat? Nein, keine Sorge, niemand verlangt etwas von dir dafür. Aber achte auf den Shajkan und ehre ihn. Es ist keine Klinge, mit der man Zweige zur Seite schlägt, Fische ausnimmt oder Früchte vom Baum schneidet. Sie dient dem Kampf, sei es Angriff oder Verteidigung. Brauchst du noch ein weiteres Messer für solche Dinge, wie ich sie gerade genannt habe, werde ich dir noch einen kleinen Dolch machen, der dir wohl auch recht nützlich sein könnte. Meine Klingen haben eine bessere Qualität als deine Kräutermesser.“

      Sara nickte dankbar. Natürlich hatte sie sich so gut wie möglich ausgerüstet als sie den Nebeltempel verlassen hatte, aber Waffen gab es dort ohnehin nicht, die sie hätte mitnehmen können und die von Akosh erwähnten Kräutermesser taugten im besten Fall tatsächlich nur dafür, zähes Unkraut beiseite zu schaffen.

      „Ich zeige dir jetzt, wie ein Shajkan aussieht und was ich dabei nach deinem Geschmack verändern kann. Er soll dir ja auch ein wenig gefallen und zu dir passen. Danach zeige ich dir ein paar Dolche, auch hier kannst du dann eigene Wünsche äußern. Für die Arbeit werde ich wohl einige Tage brauchen, aber mach dir deshalb keine Gedanken.“

      Er ging zu den Schränken auf der Seite der Werkstatt, doch statt eine der Türen oder Schubladen zu öffnen, wie Sara es eigentlich erwartete, rückte er jetzt eine kleinere Kommode zur Seite. Eine Falltür kam darunter zum Vorschein, gerade groß genug, um einen großen, breitschultrigen Mann wie Akosh Durchlass zu gewähren. Er bedeutete Sara, kurz zu warten und kletterte eine steile, aber recht kurze Leiter hinab in die dunkle Tiefe. Die Novizin hörte erst ein Rascheln, dann ein Klappern, gefolgt von einem Klirren und einem erneuten Rascheln. Gleich darauf erschien der Kopf Akoshs wieder in der Luke. Er hatte Schwierigkeiten, mit dem sperrigen, in Samt eingeschlagenem Gegenstand, den er unter den Arm geklemmt trug, zurück nach oben zu klettern, doch schließlich gelang es ihm. Dann legte er das Bündel auf die polierte Arbeitsfläche und winkte das Mädchen zu sich.

      Als er den Samt zur Seite schlug, begriff Sara, warum man mit einem Shajkan keine Kräuter oder Früchte schnitt. Der Kurzsäbel glich dem, den Lennys bei sich trug und der für manche Kämpfe vielleicht sogar geeigneter war als die große Sichel. Seine Klinge war breit und schimmerte, als wäre sie in reinstes Silber getaucht worden, doch glitzerte die Schneide so gefährlich scharf, dass Sara ein leichter Schauer überfiel. Sie hatte Lennys' Shajkan nie sehr lange und auch nicht aus der Nähe gesehen und hatte auch nie daran gedacht, dass sie selbst einmal etwas Ähnliches besitzen könnte. Jetzt, da sich ihr Gesicht im Glanz des Säbels spiegelte, jetzt, da sie wusste, dass sie bald lernen musste, mit ihm umzugehen, sah sie die Waffe nicht mehr nur als edlen Schmuck einer Botschafterin, einer Kriegerin würdig, sondern als das, was sie wirklich war: ein Instrument des Todes, das eine Macht verlieh, die sie eigentlich nie hatte besitzen wollen.

      Der Griff war ebenfalls aus Metall, vielleicht sogar reinem Silber, jedoch war der größte Teil von einigen Schichten schwarzen Harzes überzogen, um dem Kämpfer sicheren Halt zu geben. Tiefblaue Steine schmückten den kunstvollen Korb und die beiden Enden. Ein Meisterwerk und für die meisten Menschen Mittellands wohl ein Leben lang unerschwinglich.

      „Du kannst dir überlegen, wie ich dir den Griffschutz gestalten soll, welche Farbe du bei den Steinen möchtest und welches Harz ich verwenden soll. Die Klinge selbst kann ich nur unwesentlich verändern, aber ich würde dir raten, eine etwas kürzere und vielleicht auch etwas schmalere zu wählen, du bist kleiner und – verzeih mir – wohl auch weniger stark als ich. Das hier ist mein erster Shajkan... ich habe ihn für alle Fälle hier aufbewahrt. Bei den Steinen handelt es sich um Saphire aus den Minen im äußersten Norden Valahirs. Das ist das Einzige, was ich dir verwehren muss... cycalanische Saphire sind nur unserem Volk vorbehalten. Das Silber im Regelfall auch, jedoch ist es undenkbar, einen Shajkan aus etwas anderem zu schmieden. Natürlich ist die Klinge nicht aus reinstem Silber, sondern besteht aus einer Legierung, deren nähere Zusammensetzung du nicht kennen musst Trotz des Silbers ist sie härter als die besten Klingen Mittellands und ihre Schneide ist so scharf, dass sie dir eine Haarsträhne abtrennen könnte, die im Wind flattert. Sei also achtsam.“

      „Edelsteine... Silber.... allein das Harz ist wertvoller als alles, was ich je besessen habe. Gibt es... keine weniger edle Ausführung?“ fragte Sara schüchtern. Akosh lachte.

      „Nun, wie gesagt, ein Shajkan wird aus Silber gemacht, wie das Meiste, das in der Schmiede eines Sichelländers entsteht, wenn er für sein Volk arbeitet. Mach dir um den Wert keine Gedanken. Das Harz brauchst du ebenfalls, es verschafft dir einen sicheren und bequemen Griff. Ich habe verschiedene Sorten, die ich dir später erkläre. Wähle die, die dir am meisten zusagt, aber frage nicht nach dem Preis und denke auch nicht darüber nach. Was die Steine angeht... Ich habe von den meisten Arten und Farben genug zur Verfügung und ein Shajkan ist eine Waffe, die man sein Leben lang behält. Es würde mir in der Seele wehtun, einen zweitklassigen Säbel zu schmieden, nur weil du so bescheiden bist. Suche dir aus, was dir gefällt. Und wenn du eigene Ideen hast, so zögere nicht, sie mir mitzuteilen, ich freue mich immer, wenn ich besondere Einzelstücke anfertigen darf. Vergiss nicht, ich bin der beste Goldschmied in Goriol, wenn nicht sogar im ganzen Mittelland. Und – mit Verlaub – auch einer der wohlhabendsten Männer in der Gegend. Du bist Lennys' Dienerin und sie selbst wünscht, dass du einen Shajkan bekommst. Also gehen wir an die Arbeit und sorgen dafür, dass deine Herrin mit deiner Ausrüstung zufrieden ist, ebenso wie du selbst.“

      Er hatte freundlich gesprochen, doch Sara hatte die Eindringlichkeit vernommen, mit der er ihr hatte klarmachen wollen, dass sie ein solches Geschenk nicht ablehnen dürfe. Immer noch etwas zögernd, nickte sie schließlich.

      „Gut. Kommen wir jetzt zu den Dolchen. Ich habe nur noch wenige in meiner Kammer dort unten verwahrt, sieh sie dir einmal an und sage mir, welcher dir gefallen würde.“

      Er holte ein weiteres Bündel aus dem Umhang, dieses Mal in ein Leinentuch gewickelt. Jetzt lagen vier verschiedene, sehr viel kleinere Waffen vor Sara, ihre Klingen höchstens so lang wie Akoshs Hand. Auch sie glänzten silbrig, waren aber dunkler und massiver als die Schneide des Säbels. Auch hatten die Dolche nicht den Anmut und die Erhabenheit des Shajkans, sondern machten eher einen düsteren und gefährlichen Eindruck, doch Sara empfand ihren Anblick nicht als unangenehm. Während die Klingen einander sehr ähnelten, unterschieden sich die Griffe der Waffen vollkommen. Die ersten beiden waren aus Holz gefertigt und wie es schien, mit einem ähnlichen Harz überzogen wie das Griffstück des Shajkans. Einer der beiden schimmerte dunkelrot und war lediglich mit silbernen Ziernieten versehen, der andere war pechschwarz und trug oben und unten einen Ring aus rot funkelnden Steinen. Der Griff des dritten Dolches war ein Kunstwerk aus fein geschnitztem Elfenbein und trug außer