Название | Sichelland |
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Автор произведения | Christine Boy |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783844236200 |
Sie betrachtete Menrir, der nicht mehr weiter über das Thema Goriol nachzudenken schien und sich nun mit einer Landkarte des Mongegrundes beschäftigte. Auch dort war es zu Zwischenfällen gekommen und Lennys wusste, dass der Heiler es für sinnvoll hielt, der Gegend einen Besuch abzustatten. Doch das, was ihm vor Augen lag, wollte er sich nicht ansehen, weil er das Unwahrscheinliche für unmöglich hielt.
Lennys war es leid, darüber zu diskutieren. Und sie hatte plötzlich nicht die geringste Lust, Menrir von ihrem Fund oder überhaupt von ihrer Erkundigung am Nachmittag zu erzählen.
„Ich möchte jetzt nicht mehr darüber sprechen.“ sagte sie schließlich. „Du kannst morgen früh wiederkommen.“
Verblüfft starrte Menrir sie an.
„Das ist alles? Wollen wir nicht bereden, wie es weitergehen soll? Oder hast du schon bestimmte Pläne?“
„Ja und nein. Aber nicht heute.“
„Und morgen? Was hast du morgen vor?“
„Das sage ich dir, wenn es soweit ist.“
„Nun gut,... dann... gute Nacht, Lennys.“
Menrir zuckte die Achseln und ging. Kurz vor der Tür sah er Sara im Halbdunkel sitzen, doch Lennys hatte sie auch heute nicht entlassen und so verabschiedete er sich mit einem schwachen Lächeln von der Novizin und verließ den Raum.
Mit einer kaum wahrnehmbaren Geste winkte die Cycala ihre Dienerin heran.
Sie sah Sara lange an. Dann stand sie auf, ging wieder zum Fenster und sah, wie so oft, starr hinaus, während sie sprach.
„Vor einer Woche wurden zwei Cycala an der Waldbrücke ermordet. Sie waren auf dem Weg vom Ostbogen nach Goriol. Einfache Reisende, zumindest erweckten sie diesen Eindruck. Vermutlich erreichten sie die Kreuzung am Bach noch als es hell war, jedoch ist das nicht ganz sicher, da man sie zuletzt in der Nähe des Mondsees lebend gesehen hat. Ein paar alte Bauern fanden sie am nächsten Morgen tot und entstellt neben der Brücke und aus Angst vor Wölfen und anderen Tieren verbrannten sie ihre Leichen, bevor ein anderer sie sehen konnte. Wölfe sind ein Problem in dieser Gegend, jedoch nicht so sehr wie die Banden, die dort ihr Unwesen treiben. Die Bauern erzählten, die Toten hätten keinerlei Gepäck bei sich gehabt, keine Taschen und keine Waffen. Vermutlich seien sie einfach ihrer Habe beraubt und umgebracht worden. Keiner hatte den geringsten Zweifel an dieser Begründung, auch wenn die Banditen nur äußerst selten so brutal zu Werke gehen. In Goriol wurden die beiden Sichelländer bereits erwartet und als sie dort nicht ankamen, begann man, sich Sorgen zu machen. Schließlich erfuhr die Gemeinschaft durch Zufall von dem Fund dieser Bauern und als man sie näher befragte, bestätigte eine Beschreibung der Kleidung der Toten unsere Befürchtungen.“
Lennys sprach nicht weiter, und Sara war nicht sicher, ob sie auf eine Frage wartete oder einfach glaubte, genug gesagt zu haben. Oder zu viel? Warum erzählte sie all das, wo sie doch gestern noch der Meinung gewesen war, dass es besser sei, keinen Außenstehenden einzuweihen? Warum sprach sie nicht mit Menrir über das, was sie heute herausgefunden hatte? Doch gleich darauf verdrängte Sara all diese Fragen wieder, denn es stand ihr nicht zu, so neugierig zu sein. Sie war nur dazu da, zuzuhören, wenn es von ihr verlangt wurde und die Ohren zu verschließen, wenn über Dinge geredet wurde, die sie nichts angingen.
„Du kennst die Vorgehensweisen der Gesetzlosen dieses Waldes womöglich besser als ich.“ fuhr Lennys dann fort. „War das in deinen Augen ein typischer Überfall?“
Sara dachte kurz nach.
„Nein, ich glaube nicht. Wenn sie jeden, den sie um seine Reichtümer bringen wollen, umbringen würden, würde niemand mehr diesen Weg wählen. Außerdem....“
„Außerdem?“
„Sie arbeiten mit Schlingen, mit Schleudern, manchmal auch mit Pfeil und Bogen oder kurzen Speeren. Aber soweit ich weiß, versuchen sie den direkten Nahkampf zu vermeiden, damit sie bis zum letzten Moment im Unterholz verborgen bleiben.“
„Und das heißt?“ Lennys hatte sich umgedreht und wirkte nun aufmerksam und eine Spur von Zufriedenheit umgab sie. Sara rief sich das Bild des Nachmittags wieder vor Augen.
„Es ... gab Stellen, die aussahen, als hätte jemand mit Klingen gekämpft. Am Geländer und an einigen Bäumen. Ich weiß nicht, ob diese Spuren von jenem Überfall stammen, aber wenn es so ist, dann haben die Angreifer andere Waffen benutzt als es normalerweise in dieser Gegend der Fall ist.“
Lennys ging zum Bett, auf dem ihr Umhang lag und holte den Gegenstand hervor, den sie einige Stunden zuvor aus dem Bach gefischt hatte. Sie legte ihn auf den Tisch und betrachtete ihn voll Abscheu.
„Es ist der Griff einer Kriegsaxt. Vermutlich ist sie bei dem Kampf kaputtgegangen. Dieser Teil kann noch nicht lange im Wasser gelegen haben, das Holz ist noch nicht allzu aufgequollen. Einige Tage, vielleicht eine Woche. Und die Spalten im Brückengeländer und in den Stämmen der Bäume würden genau dazu passen. Ein Werkzeug für Barbaren.“
Sara erschauerte. Die Vorstellung, dass die dunklen Stellen auf den Holzplanken vielleicht durch das Blut von Menschen entstanden waren, die von einer Axt erschlagen worden waren, war alles andere als angenehm. Bei ihrer Vermutung hatte sie an Schwerter gedacht, an Säbel oder Dolche, und schon allein das hatte sie sich nicht näher ausmalen wollen. Dass aber jemand das scharfe, glitzernde Blatt einer armlangen Axt in den Körper eines anderen schlug, war – ganz wie Lennys sagte – barbarisch.
„Ich wusste nicht, dass ... solche Waffen tatsächlich benutzt werden.“ sagte sie dann leise.
„Das werden sie normalerweise auch nicht.“ erwiderte Lennys. „Jedenfalls nicht hier. Die Armeen, die du kennst – die Wächter Mittellands, Logs Soldaten im Süden und meinetwegen auch die Krieger Cycalas' - keiner von ihnen würde mit so etwas in den Kampf ziehen. Diese Äxte dienen nur zum Zuschlagen, mit ihnen ist man unbeweglich, langsam und gegen bewaffnete Gegner hat man kaum Chancen. Und das... ist der einzige Punkt.... der mir zu denken gibt. Sie hätten gegen keinen Sichelländer eine Chance haben dürfen.“
„Vielleicht... hatten die Cycala keine Waffen bei sich?“ fragte Sara vorsichtig.
Lennys setzte sich wieder aufs Bett und störte sich nicht daran, dass ihre langen Beine mit den schweren Stiefeln auf ihrem Umhang ruhten, der noch ausgebreitet da lag. Mit einem Nicken gebot sie Sara, auf einem der Sitzpolster Platz zu nehmen.
„Kein Bewohner der Sichel würde ohne Waffe die Grenze überschreiten. Und diese beiden... schon gar nicht. Es waren nicht irgendwelche Gesandten oder Reisende, sondern erfahrene Kämpfer hohen Ranges. Einer von ihnen trug dieselbe Sichelklinge wie ich und du kannst dir denken, dass es keine Anfänger sind, denen diese Ehre gebührt. Doch aus irgendeinem Grund hat er sie nicht gezogen, denn glaube mir, hätte er es getan, so wäre keine Axt in sein Fleisch geschlagen worden.“
Darauf wusste auch Sara nichts zu sagen. Vielleicht hätte Menrir eine Antwort auf diese Frage gehabt, doch anscheinend glaubte Lennys nicht daran, denn sonst hätte sie mit dem Heiler darüber gesprochen. Allerdings schien sie auch keine Hilfe von der Novizin zu erwarten. Es war eher so, als würde sie all das nur erzählen, um selbst klarer zu sehen, ohne dass der Zuhörer dabei eine große Rolle spielte. Der Themenumschwung kam umso plötzlicher.
„Du wirst niemandem ein Wort von dem erzählen, was du heute auf der Lichtung gesehen hast. Auch Menrir nicht. “ Es war keine Frage.
Sara nickte nur.
„Bald verschwinde ich von hier, dieser Tempel ist mir zuwider. Mag sein, dass manche Leute Fragen stellen, wenn ich fort bin. Sie werden von dir wissen wollen, was ich getan habe, wo ich war, ob du Dinge mitbekommen hast, die dich eigentlich nichts angehen. Sollte ich erfahren, dass sie von dir auf diese Fragen Antwort erhalten...“ Sie sprach den Satz nicht zu Ende, doch Sara konnte sich die Fortsetzung ungefähr vorstellen. Doch es machte ihr keine Angst, denn auch ohne diese Drohung hätte sie all die Geheimnisse, deren Zeugin sie geworden war und die sie dennoch nicht verstand, für sich