Название | Grundreinigung |
---|---|
Автор произведения | Elisa Scheer |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783737559751 |
Zu Hause wühlte ich meine Habseligkeiten durch, schloss alles Wichtige wieder weg und schleppte einen Stapel unwichtiger Taschenbücher in die Lesefabrik. Wieder fünfzehn Euro mehr! Das komische goldene Armband, das ich mal geschenkt bekommen hatte, brachte leider auch nur zehn Euro, es war gar nicht echt. Hätte ich mir ja denken können, es hatte gar so intensiv golden geglänzt. Es hätte von Heiner sein können, überlegte ich, während ich die Wäsche (nur meine eigene) in den Keller schleppte. Mich mit Tinnef reinzulegen, damit ich ihn im Gegenzug durchfütterte! Aber ich wusste, dass er mir noch nie etwas geschenkt hatte. Geschenke fand er unwesentlich, Zeichen der übersättigten Konsumgesellschaft und überflüssigen Tand. Ich hatte meine Versuche, ihn umzuerziehen, schnell wieder eingestellt.
Was fand er eigentlich an mir? Hatte er sich schon, als wir uns in einer Ausstellung kennen gelernt hatten, gedacht Die ist doof genug, auf deren Kosten kann ich leben? Oder hatte ich ihm gefallen? Abstoßend fand er mich wohl nicht, er hatte keine Probleme, immer dann mit mir zu schlafen, wenn er mich von seinen Fehlern ablenken wollte.
Seine Fehler... Er war ein Parasit, arrogant und nahm mich nicht ernst. Eigentlich nervte er furchtbar, aber er sah gut aus und sein ständiges Genörgel hielt mich geistig fit. Hatte diese Beziehung eine Zukunft? Der Gedanke erschreckte mich plötzlich – ein Leben lang an der Seite von Heiner? Das Wesen neben ihm sein, das für die niedrigen Aspekte des Lebens gerade mal gut genug war? War ich etwa Christiane Vulpius? Aber Goethe hatte seine Christiane ehrlich geliebt, und Heiner war nicht Goethe, egal, was er sich einbildete.
Nein, das durfte gar keine Zukunft haben. Außerdem könnte ich nicht in Ruhe in der Museenverwaltung arbeiten, wenn er dauernd stänkerte, wie sehr meine Arbeit bloß die herrschenden Strukturen verfestigte und der allgemeinen Volksaufklärung zuwiderlief.
Eigentlich war Heiners Weltanschauung eine ekelhafte Mischung: Einerseits spielte er den Postkommunisten – wenn man das so nennen durfte - , andererseits war er elitär bis zum Gehtnichtmehr, und seine frauenfeindlichen Sprüche waren ihm nicht mal peinlich, weil er fand, dass ein Mensch mit seinem hohen Bewusstseinsstand über political correctness erhaben sein durfte. Und dafür, auf anderer Leute Kosten zu leben, war er sich auch nicht zu schade! Glaubte er etwa, es müsse mir eine Ehre sein, das Genie durchzufüttern?
Heiner war, wenn man es recht bedachte, das perfekte Arschloch, schloss ich meine Überlegungen ab und warf mich in meine Putzkluft, weil es schon fast vier war. Meine Wäsche bügelte ich schnell noch durch und verräumte sie; alles, was Heiner auch passte, kam in das verschließbare Regalfach.
Wie konnte ich ihn loswerden? Er zahlte ja doch nichts, und in letzter Zeit machte er auch nichts mehr im Haushalt - außer Unordnung. Gute Gespräche hatten wir schon lange nicht mehr geführt, und seine Zärtlichkeiten waren mir eindeutig zu zweckbestimmt: Vögle sie, dann hört sie auf zu nörgeln. Früher hatten wir auch mal ernsthaft diskutiert, gemütliche Abende verbracht, uns zärtlich geliebt. Im Bett war er wirklich nicht schlecht, aber die Gefühle waren irgendwie eingeschlafen... Welch schlampig formulierte Diagnose!
Nein, Heiner musste hier raus. Gisi hatte sich nicht ohne Grund von ihm getrennt. Vielleicht sollte man eine Regel aufstellen: Immer die Vorgängerin befragen - ohne eine anständige Referenz von ihr sollte kein Mann mehr eine Chance haben!
Ich räumte noch ein bisschen auf, aß die letzte Brotscheibe auf und versteckte den Löwenanteil des Kaffeepulvers. Je ungastlicher ich auftrat, desto eher würde Heiner sich eine Neue suchen! Wo steckte er überhaupt? Schon wieder so eine lange Redaktionssitzung? Na, wenn ich mit diesem Kampmann zurechtkam und gleich bei ihm putzte, wäre ich erst gegen halb neun zurück, müde und gereizt, und Heiner hätte einen knurrenden Magen. Die ideale Situation für den großen Krach. Dann könnte er gegen zehn gepackt haben und verschwinden, und morgen früh würde ich das Schloss ändern lassen. Zack, das Leben wieder in Ordnung gebracht!
Das Haus im Helenenweg war eine Riesenscheune aus den Sechzigern. Mir wurde ganz flau, als ich das alles musterte – da putzte ich mich ja tot! Kurz überlegte ich, ob ich einfach wieder gehen sollte – aber das war mir dann doch zu feige. Also klingelte ich brav und wartete. Es dauerte etwas, dann summte die hässliche schmiedeeiserne Gartenpforte und ich drückte sie auf. Der Kiesweg war voller Unkraut, aber als Gärtnerin war ich hier nicht angestellt. Und welcher Schwachkopf hatte das Haus mit den schönen Proportionen denn senfgelb angestrichen? Und diese Haustür – Milchglas mit asymmetrischen Messingstreben! Einfach schauerlich, Kampmann musste einen Geschmack haben wie ein Pferd. Das Milchglasungetüm öffnete sich und ich erstarrte mitten im Erklimmen der Stufen. Was für ein Kerl!
Bestimmt einsfünfundneunzig groß, oder noch mehr. Und breit gebaut, wenigstens spannte das angeschmuddelte Sweatshirt über den Schultern. Die verbeulten Chinos ließen keine Rückschlüsse zu, aber die graubraunen Haare – viel zu lang und offenbar auch länger nicht mehr gekämmt. Kein schlechtes Gesicht, aber eindeutig übellaunig. Reichlich Falten, der Kerl war bestimmt Mitte vierzig oder noch älter. „Ja?“
„Ich bin Anne Holler und komme von JobTime. Wir haben telefoniert, wegen der Putzstelle.“
„Ach so, ja. Kommen Sie rein.“
Drinnen fiel es mir schwer, ein Pokerface beizubehalten. Ich sah eine große, im Stil der Sechziger geflieste Diele, von der aus eine leicht gehaltene Treppe nach oben führte. Glasbausteine in der Wand ließen neben der Treppe genügend Licht ein. Eine Tür neben der Haustür, noch eine an der Schmalseite, die zur Straße zeigte, dann eine an der Breitseite (Gartenfront, ich vermutete dahinter das Wohnzimmer), und eine an der nächsten Schmalseite. Oben sicher das Entsprechende.
Das wäre, abgesehen von der Weitläufigkeit, kein Problem gewesen, aber alle Wände waren mit bunten Tapeten im Stil optische Täuschung beklebt, Wellenlinien, Op-art und so weiter. Grausig. Und der Boden war mit Fußspuren bedeckt, in den Ecken lagen reichlich Staubmäuse. Möbel gab es kaum, nur ein pseudoantikes Tischchen mit unnatürlich verdrehten dünnen Beinen, das dunkle Holz stumpf und verkratzt. Darüber hing ein Spiegel in einem ganz anderen Stil.
Ich verkniff mir jeden Kommentar und ließ mich in ein riesiges Wohnzimmer führen. Kamin, Kachelboden, drei schauerliche Polstersofas mit geschnitzten Füßen, eine eichene Schrankwand, die aussah, als fehlte ihr die zweite Hälfte, daneben ein Billy neunzig/weiß/hoch, an dem die Beschichtung schon fast abplatzte und das mit zerlesenen Krimis vollgestopft war. Und überall alte Zeitungen. In der Ecke ging es weiter ins Arbeitszimmer, das ähnlich scheußlich eingerichtet und außerdem kniehoch mit Papieren bedeckt war.
Alle Fenster waren schmierig und verdreckt.
An der anderen Seite des Wohnzimmers befand sich eine Art Esszimmer, aber darin war nur ein gigantischer dunkler Tisch zu finden – ohne Stühle. Und darauf folgte eine Küche voller leerer Flaschen und vergammelter Pizzakartons. Die Kücheneinrichtung war mal das Allerneueste gewesen, schätzungsweise 1964, aber man hätte sie mal pflegen müssen – und man hätte sie nicht über und über mit Prilblumen bekleben dürfen. Ich gestattete mir ein „Hm“ als Kommentar und sah das verantwortliche Ferkel streng an. Er schaute ausdruckslos zurück. „Gefällt es Ihnen?“
„Das tut doch nichts zur Sache“, wich ich aus, „aber ob sechs Stunden pro Woche ausreichen, das alles auf Vordermann zu bringen...“
„Keinesfalls.“
Er verließ die Küche und wandte sich der Treppe zu. Ich kletterte hinter ihm hinauf. Oben lag Teppichboden mit Blumenmuster, in allen Räumen, außer dem Bad, dass in einem etwas zu kräftigen Apricotton gekachelt war. Verschlamptes Bad, separates Klo, eher unbenutzt und verstaubt, ein unordentliches Schlafzimmer, überall lagen Klamotten herum und das Bett war schon länger nicht mehr gemacht worden. Drei weitere Zimmer, leer, eins mit eigenem kleinen Bad in Dunkelbraun, daneben ein rosa Bad ohne Armaturen, dann eine Treppe, die ins Dachgeschoss führte.
„Da oben ist nichts zu machen, vorläufig“, wurde ich beschieden. Die tiefe Stimme gefiel mir; wenn man sie hörte, konnte man sich einen ganz anderen Kerl vorstellen, elegant und verführerisch –