Grundreinigung. Elisa Scheer

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Название Grundreinigung
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737559751



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das machen Sie natürlich während der Arbeitszeit. Den Autoschlüssel haben Sie gefunden, vermute ich?“

      „Welchen Autoschlüssel?“ Ich musste selten dämlich dreingeschaut haben, denn er sah mich ganz perplex an. „Wie haben Sie denn dann eingekauft?“

      „Mit meinem Auto natürlich. Ohne die Getränke hätte ich es zu Fuß gemacht, aber so...“

      „Sie sind ja verrückt. So werden Sie nie reich werden. Hier, Sie haben doch Sprit verfahren!“ Er drückte mir einen Zehner in die Hand. „Das war doch höchstens ein Liter“, protestierte ich und wollte den Schein nicht nehmen. „Na und? Der Rest ist Trinkgeld, weil Sie so schnell und so gut gearbeitet haben.“

      „Nein, das will ich nicht.“

      „Sie machen das wohl noch nicht lange, was?“

      „Seit letzter Woche“, gestand ich. „Bin ich unprofessionell?“

      „Technisch nicht, aber ich gebe Ihnen einen guten Rat – nehmen Sie, was Sie kriegen können, geschenkt gibt´s eh nichts.“

      „Noch ein Grund, sich nichts schenken zu lassen“, konterte ich, nahm den Zehner und legte ihn auf den Küchentisch. „So jung und schon so stur“, kommentierte er. „Na, wie Sie meinen!“

      Ich sah wütend zu ihm auf. Die grauen Bartstoppeln waren in den letzten drei Stunden reichlich gesprossen, und die Falten schienen sich vertieft zu haben. Außerdem roch er durchdringend nach kaltem Zigarillorauch, aber ich konnte nicht zurücktreten, weil hinter mir schon die Unterschränke waren.

      Kampfmann lachte kurz und freudlos auf und trat selbst zurück. „Gut, dann bis Freitag um fünf. Dann dürfen Sie sich oben austoben, aber nicht in den leeren Zimmern, die benutze ich nicht.“

      „Gut.“ Es brannte mir auf der Zunge, ihn zu fragen, warum er eine solche Riesenscheune bewohnte, wenn er sie nur so eingeschränkt nutzte, aber das wäre nun wirklich aufdringlich gewesen. Außerdem konnte es mir egal sein.

      Er sah mir nach, stellte ich fest, als ich den Kiesweg entlanglief. Wollte er sicher sein, dass ich nicht abbog, mich im Garten versteckte und später einbrach? Ich drehte mich um und winkte ihm vergnügt zu. Daraufhin schloss sich die Haustür schnell.

      Idiot.

      Wie konnte man denn so scheußlich wohnen? Aus dem Haus konnte man was machen, da war ich sicher. Aber so war es entsetzlich, halb deprimierend, halb wie eine eher unangenehme Zeitreise. Da konnte ich ja nur gespannt sein, wie diese komische Frau Rössel war – am Telefon hatte sie sich eher unsympathisch angehört.

      Heiner sah mir mit schmelzendem Blick entgegen, als ich nach Hause kam. Ach herrje, den hatte ich schon ganz vergessen. Und warum hielt er eine Hand auf dem Rücken? Jetzt schoss sie nach vorne. „Für dich!“

      Eine langstielige rote Rose, nicht mehr ganz taufrisch. Einen Moment lang wallte so etwas wie Rührung in mir auf, aber das unterdrückte ich sofort wieder. „Dann hast du jetzt also Geld? Rück raus!“

      „Nein... die Rose hab ich von meinem letzten Geld gekauft. Die Sitzung hat so lange gedauert, da hatte die Bank schon zu.“

      „Schon mal von der Erfindung von Geldautomaten gehört?“, entgegnete ich gereizt und hängte meine Jacke auf, ohne die Rose entgegenzunehmen.

      „Der ist doch kaputt!“

      „Es gibt sogar in dieser Stadt mehr als einen.“

      „Die kosten Gebühren!“

      „Na und? Pass auf, Süßer, ich hab die Nase voll. Entweder zahlst du ab sofort dreihundert Euro im Monat oder du packst deinen Krempel und verschwindest, aber zügig.“

      „Du würdest Schluss machen – nur wegen deiner Geldgier?“

      „Geldgier?“, schrie ich, „du lebst hier wie die Made im Speck auf meine Kosten und sprichst von Geldgier? Du lässt dich von einer Putzfrau aushalten und nennst mich geldgierig? Hau bloß ab, Mensch.“

      „Ach Anne!“ Er packte mich am Arm, aber ich rammte ihm den Ellbogen in die Seite. „Fass mich bloß nicht an. In Naturalien zahlen ist nicht mehr.“

      „Wollte ich gar nicht“, entgegnete er beleidigt, „jedenfalls nicht, solange du so heftig nach Putzmitteln riechst.“

      „Ich war arbeiten!“

      „Glaubst du, ich nicht?“

      „Nach dem, was du zu diesem Haushalt beiträgst, könntest du genauso gut keinen Job haben“, schoss ich zurück.

      „Hab ich aber. Und am Freitag sind wir eingeladen.“ Er lächelte zärtlich.

      „Sind wir nicht“, schnauzte ich ihn an und holte mir exakt einen Apfel aus dem verschlossenen Fach, das ich danach wieder sorgfältig versperrte. „Du bist eingeladen, sollst jemanden mitbringen und denkst, wenn du mich fragst, bin ich wieder brav und vergesse deine Ausbeuterallüren. Außerdem arbeite ich am Freitag auch so lange wie heute.“

      „Bei wem denn?“

      „Älterer Herr, Kampmann heißt er. Großes Haus, viel Dreck.“ Das war gerade mal nicht direkt faustdick gelogen, aber Heiner interessierte das eigentlich auch gar nicht. „Das fängt erst um neun an, da hast du noch Zeit zu duschen und dich zu stylen. Und sag bloß niemandem, dass du putzen gehst!“

      „Aber klar werd ich das. Plus der Information, dass ich putzen gehe, um dich zu ernähren. Wenn das bis dahin noch aktuell ist“, fügte ich drohend hinzu. Heiner machte schmale Augen. „Wie meinst du das?“

      „Herrgott, muss ich denn alles dreimal sagen? Wenn morgen das Geld nicht da ist, schmeiße ich übermorgen deinen Schotter vor die Tür, klar?“

      „Du hast wohl einen Neuen? Was ist er? Was macht er?“

      „Spinnst du? Glaubst du, ich bin so blöde? Ihr Kerle seid einfach zu teuer im Unterhalt, das kann ich mir von meinem Putzfrauenlohn nicht leisten. Zwei schon gar nicht!“

      „Dann kriegst du deine Tage?“

      „Na, hoffentlich“, kreischte ich, „die Alternative wäre ja wohl die volle Katastrophe, oder?“

      „Ach, warum denn? Ich könnte mir das sehr nett vorstellen...“

      „Ja, du schon, du ernährst das Balg nicht, kümmerst dich nicht drum und posierst einmal im Jahr als stolzer Vater, und an mir bleibt dann alles hängen. Nein, nicht mit mir!“

      „Willst du denn nie Kinder haben?“ Gottchen, diese schmelzende Stimme! Glaubte er, wenn er mit der Gefühle-und-Familie-Masche ankäme, vergäße ich die Sache mit dem Geld?

      „Doch, sicher – aber bestimmt nicht von dir. Du kümmerst dich ja schon nicht um Patrick und Jennifer. Was die beiden an netten Zügen haben, haben sie nur von Gisi geerbt.“ Das war ein Treffer, Heiner drehte sich um und verließ die Wohnung, ohne Jacke. Ich gab ihm zehn Minuten, dann wäre er bibbernd wieder da.

      Nach sieben Minuten – ich aß gerade meinen Apfel und schaute auf die Uhr – hörte ich seinen Schlüssel. Er kam herein, warf mir einen finsteren Blick zu und den Schlüssel auf den Boden im Flur, ließ sich aufs Bett fallen und griff zur Fernbedienung. Ich sammelte seinen Schlüsselbund auf und nahm ihn mit aufs Klo, wo ich in aller Ruhe den Wohnungsschlüssel vom Ring praktizierte und ihn einsteckte. Danach fuhr ich in den Keller hinunter und kramte in meinem Lattenverschlag herum. Hatte ich es doch gewusst, da waren noch zwei Umzugskisten! Ich nahm sie mit hinauf und lehnte sie im Flur an den Küchenschrank. Wenn das kein Menetekel war!

      Während Heiner sich durchs Abendprogramm zappte und halblaut seine Standardrede über die kulturelle Verblödung der Nation abspulte, fuhr ich meinen Rechner hoch und schrieb mir einige Ideen zum Kunstverein auf, danach öffnete ich eine zweite Datei und legte eine Tabelle an, in der ich vermerkte, was ich wann wo mit Putzen verdient hatte.

      Als ich reif fürs Bett war, hatte Heiner gerade einen intellektuell für ihn hinreichenden Film gefunden,