Sünden von einst. Elisa Scheer

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Название Sünden von einst
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737562799



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ja die Regel – nie mehr als drei Monatsgehälter für ein Auto ausgeben.“ Er rümpfte die Nase. „Sie tragen ja auch nichts dazu bei, die Binnennachfrage anzukurbeln!“

      Ich lehnte mich wieder zurück. „Nö, wozu denn? Ich kann jederzeit meinen Job verlieren, dann muss ich von dem leben, was ich habe. Und wenn ich mir einen Haufen Zeugs anschaffe, muss ich das ja dann auch alles putzen.“

      Er schüttelte den Kopf. Blöder Hund, ärgerte ich mich, wahrscheinlich glaubte er, Frauen hätten prinzipiell nichts anderes im Kopf als endloses Shopping. Die Kerner warf ihm einen strengen Blick zu, und er drehte sich um und studierte meine DVD-Sammlung. Üppig war sie ja nicht, gerade mal zwei Regalfächer voll – Filmklassiker, James Bonds (nur die mit Sean Connery und Pierce Brosnan, das verstand sich ja von selbst), Hitchcocks, Billy Wilders...

      „Keine Liebesfilme?“ Er drehte sich wieder zu uns um, und ich bemerkte gerade noch, wie die Kerner die Augen verdrehte. „Was schwebt Ihnen denn da so vor?“, fragte ich zuckersüß. „Die große Rosamunde Pilcher-Box?“ Ein Rest Verstand ließ ihn anscheinend nun doch den Mund halten.

      „Wie sieht denn Ihr Privatleben aus?“, fragte nun die Kerner, nachdem sie Grünbauer mit einer Geste neben sich aufs Sofa beordert hatte.

      „Mein was?“, fragte ich verblüfft zurück.

      „Nun, vielleicht hatte Ihr Freund ja ein Hühnchen mit Ihrem Vater zu rupfen?“

      „Und vielleicht haben Sie Ihn erkannt, als er aus dem Haus stürzte, und verheimlichen uns deshalb so viel“, ergänzte Grünbauer und schrumpfte ein bisschen, als seine Chefin ihn giftig ansah. Wieder mal zu vorlaut gewesen...

      „Ich habe keinen Freund“, antwortete ich würdevoll. „Zu erkennen war da nichts, ich hab diesen Mann wirklich nur eine Sekunde lang gesehen. Er hat mich beiseite geschoben und ist weg, und ich hab mich gefragt, was er wohl bei meinem Vater gewollt hatte... Ich hätte ihm nachschauen sollen, ich weiß, aber ich war so verblüfft...“

      „Wieso?“

      „Ich hatte noch nie in den letzten zwölf Jahren bei meinen – äh – Besuchen jemanden gesehen. Er war immer alleine, bestenfalls war die Haushälterin da. Und die hat prinzipiell nicht mit mir geredet, mir nur stumm geöffnet, mich verächtlich gemustert und wortlos auf die Arbeitszimmertür gewiesen.“

      „Warum dies?“ Mir schien, die Kerner hatte keine Ahnung, was sie eigentlich fragen sollte – sie reagierte bloß noch auf meine zusammenhanglosen Erzählungen. „Keine Ahnung. Vielleicht mag sie mich einfach nicht, vielleicht ist sie prinzipiell sauer, wenn sie zur Tür schlurfen muss.“

      „Wir haben sie gefragt“, kündigte die Kerner an, als sollte ich jetzt angesichts grässlicher Enthüllungen zusammenschrecken.

      „Und?“

      „Sie behauptet, Sie und Ihre Schwester hätten Ihren alten, kranken Vater herzlos im Stich gelassen, um ein lustiges Leben zu führen.“

      „Ach ja? Nett. Na, vielleicht hat er es ihr gegenüber so dargestellt. Und krank war er nicht, soweit ich weiß. Andererseits hätte er mir das wohl auch kaum erzählt. Er hat nie von sich erzählt, die Tiraden gingen immer nur über allgemeine Themen. Gesellschaftliche Fehlentwicklungen und so. Seiner Ansicht nach hat das Unheil damit begonnen, dass man den Weibern erlaubt hat, lesen und schreiben zu lernen. Da sind sie frech geworden.“

      Die Kerner grinste. „Ach, so einer! Na, wir haben ja auch noch den Bericht der Gerichtsmedizin und die ersten Informationen des Anwalts. Ihre Aussagen stimmen damit überein, und diese Frau Zittel scheint wenig Ahnung zu haben.“ Ich nickte, weil mir sonst auch nichts einfiel.

      „Hat sich der Anwalt mit Ihnen in Verbindung gesetzt?“, fragte sie dann weiter. Ich schüttelte den Kopf. „Hätte er das tun sollen? Ach so, ja – wegen der Beerdigung. Wir wissen ja gar nichts. Ob er verbrannt werden wollte oder nicht, und wie er sich das Ganze so vorgestellt hat...“ Plötzlich musste ich grinsen. „Wissen Sie was? Vater war der Typ, der sein Testament als Videobotschaft hinterlässt und dann allen versammelten Möchtegernerben erzählt, warum sie bloß genau einen Euro und eine letzte Unverschämtheit kriegen. Direkt schade, dass er dafür zu wenig Verwandtschaft hat. Bloß mit Nathalie und mir gibt das wirklich keine filmreife Szene.“

      „Warten Sie´s ab. Vielleicht finden sich ja noch mehr Erben.“

      „Vielleicht finden sich überhaupt mal Erben! Wir kriegen doch sowieso nichts.“

      „Das ist ja juristisch kaum möglich. Was würden Sie denn machen, wenn Sie dieses Haus erben würden?“

      „Platt auf den Rücken fallen, vermutlich. O Gott, das wäre ja furchtbar! Was macht man mit so was? Behalten kann ich mir nicht leisten, drin wohnen würde mich depressiv machen, verkaufen ist dann auch wieder pietätlos, es stammt ja immerhin von unserem Urgroßvater, der nur leider keinen Geschmack gehabt haben muss... Scheiße, malen Sie den Teufel nicht an die Wand!“

      Grünbauer rutschte auf seinem Platz herum und warf mir sprechende Blicke zu: Lass den Quatsch, Süße, ich weiß dass du lügst! Ich wäre scharf auf so ein Riesenhaus, also musst du´s auch sein. Ich starrte giftig zurück. „Ich kann´s Ihnen ja vermieten, wenn es Ihnen so gut gefällt! Aber dann können Sie auch das Inventar in den Container hauen – oder gefällt Ihnen das etwa auch?“

      Grünbauer sah mich so verwirrt an, dass ich schon überlegte, ob ich ihm doch Unrecht getan hatte. Dann lachte er. „Ich finde das Haus gigantisch, zugegeben, aber auch die Miete könnte ich mir nicht leisten. Und wahrscheinlich frisst die Heizung das Öl geradezu.“

      „Kann gut sein. In meiner Kindheit war es jedenfalls immer ziemlich kalt im Haus. Heizung sparen! Gut, dass ich es garantiert nicht erbe. Auch nicht mit Nathalie zusammen. Er hat bestimmt eine Möglichkeit gefunden, wozu hat er denn diesen Anwalt? Ich glaube, er hat uns damals was unterschreiben lassen, dass wir gegen diese monatliche Zahlung auf alle weiteren Ansprüche verzichten.“

      „Ernsthaft? Haben Sie dieses Schreiben noch?“

      „Bestimmt“, antwortete ich erstaunt. „Wollen Sie das etwa sehen?“

      Als beide nickten, erhob ich mich seufzend und kramte den Ordner mit Unterlagen hervor. Nach längerem Blättern fand ich ein noch richtig maschinegeschriebenes Schriftstück, dass Vaters zackige und meine noch arg schulmädchenhafte Unterschrift trug. Sogar zwei Durchschläge! Ich nahm einen heraus und drückte ihn der Kerner in die Hand. „Da, bitte! Glauben Sie mir jetzt?“

      Sie studierte das Dokument stirnrunzelnd, dann sah sie auf. „Glauben Sie ernsthaft, dass das rechtlich bindend ist?“

      Allmählich langte es mir. „Ich bin Betriebswirtin, keine Juristin. Ich weiß es nicht, und es ist mir auch egal. Wenn er auf Kastners Beratung verzichtet hat, dann ist es vielleicht juristischer Blödsinn – aber das ist mir doch egal. Sollte ich wirklich wider Erwarten die Alleinerbin sein, schlage ich die Erbschaft aus, ich will Vaters blöden Krempel nicht. Vor allem dieses entsetzliche Haus nicht! Himmel, schauen Sie sich doch um, hier gibt es nichts, was ich vor meiner Volljährigkeit schon besessen hätte!“

      „Wie das?“

      „Alles umgehend ausgetauscht. Ich hab sogar das Sparbuch sofort auf eine andere Bank übertragen lassen, alle Schulhefte weggeschmissen, die Bücher durch Neuauflagen ersetzt, und Kinderfotos hatten wir sowieso nicht. Nichts hier ist von der Gruft verseucht – glauben Sie, das will ich ändern?“

      Die Kerner seufzte, trank ihren Kaffee aus und erhob sich. „Tja, für heute war´s das wohl. Glauben Sie, Ihre Schwester ist jetzt zu Hause?“

      „Keine Ahnung. Tut mir Leid, dass ich Ihnen nicht weiter helfen konnte.“

      „Ach, sagen Sie das nicht. Ein klareres Bild haben wir jetzt zumindest gewonnen.“

      „Und ich bin immer noch Ihre Hauptverdächtige?“

      Grünbauer grinste frech, und die Kerner spulte den Standardspruch von wegen Wir verfolgen alle Spuren ab. - Jaja.