Killertime. Charlie Meyer

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Название Killertime
Автор произведения Charlie Meyer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738001198



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gehört, als Einreise bezeichnen kann. Beide haben übrigens ausgesagt, dass du sie angreifen wolltest, kurz bevor die Polizei kam.«

      So langsam geriet ich in Wut.

      »Angreifen, ja? Ich wollte Erste Hilfe leisten, weil die Frau hysterisch war und hyperventilierte. Du weißt schon, hinsetzen und Kopf zwischen die Knie. Du meine Fresse, die Frau ist beinahe kollabiert. Sie ...«

      Ich hielt abrupt inne. Stolperte ich da geradewegs in die Falle, die mein Bruder vorbereitet hatte? Er hatte schon immer gewusst, welche Strippen er ziehen musste, um mich in eine bestimmte Richtung zu lenken. Hochgradig manipulativ, auch das unterscheidet ihn nicht wesentlich von einem intelligenten Psychopathen.

      »Okay, fangen wir noch mal von vorn an. Ich bin rein zufällig über die Leichen gestolpert. Ein Zeuge. Du kannst mich nicht zum Mörder machen, nur weil deine Bosse die Macht dazu haben. Die Zeiten, unbescholtene Bürger als Bauernopfer wegschließen zu lassen, sind vorbei.«

      Doch eigentlich wusste ich es besser, und Maik Willem schüttelte dann auch nur ungläubig den Kopf. Wo, wenn nicht in der Politik, wird gemauschelt und korrumpiert? Ich war über zehn Jahre Polizist gewesen, und auch, wenn ich nie in die Entscheidungen der Oberen mit einbezogen wurde, hatte ich sehr wohl mitbekommen, was geht, wenn es nur der Richtige will.

      »Hör auf den Naiven zu spielen und sieh den Tatsachen ins Auge. Der Vater des Mädchens golft mit dem Innenminister und lädt den Verteidigungsminister zu seinen Grillpartys ein. Außerdem wurden die Beschuldigungen der Rumänen schriftlich festgehalten. Du kannst sie nachlesen. Das und deine Anwesenheit am Tatort reichen, um dich vorerst wegzuschließen.«

      »Was wenn ich ein wasserdichtes Alibi beibringen kann für die Tatzeit?«

      »Ich sagte, vorerst wegsperren. Solltest du allerdings kein Alibi auftreiben können, könnte es natürlich länger dauern. Wo warst du zum Beispiel Dienstagmorgen, so gegen fünf Uhr in der Frühe? Oder Mittwoch um dieselbe Zeit?« Er beobachtete mich scharf. »Zu Hause im Bett? Dann hoffe ich für dich, du hattest jemanden zum Vögeln bei dir. Wenn nicht, hast du ein ernsthaftes Problem.«

      Ich starrte ihn wortlos an und überdachte in Windeseile meine Optionen. Ich war im Bett gewesen. Allein.

      »Was hast du davon, wenn du mich ins Spiel bringst?«

      Wir standen dicht voreinander. Ein Fünkchen Triumph glomm in seinen Augen auf.

      »Allein mein uneigennütziges Angebot, dich einzusetzen, hat mir die uneingeschränkte Aufmerksamkeit zweier Minister eingebracht, vom Vater des Mädchens ganz zu schweigen. Solltest du Erfolg haben …?«

      Er zuckte die Achseln und lächelte freudlos.

      Es verschlug mir beinahe die Sprache. Aber auch nur beinahe.

      »Du benutzt den Mord an Luisas Patenkind, um politisch Karriere zu machen? Wie tief kann man denn noch sinken?«

      Einen Moment lang glaubte ich er würde zuschlagen, doch dann versenkte er die geballten Fäuste lediglich in seinen Anzugtaschen. Die Men in Black, knapp außer Hörweite, schienen nahe davor, ihre Waffen zu ziehen.

      »Rosanna ist tot, niemand kann sie wieder zum Leben erwecken. Warum also sollte ihr Tod nicht im Nachhinein etwas Gutes bewirken. Ich helfe dem Vater, den Mörder vor Gericht zu bringen, und der Vater und seine Ministerfreunde ebnen mir den Aufstieg. Eine Hand wäscht die andere, so läuft das nun mal seit Adam und Eva. Also entscheide dich.«

      Ich erwiderte sein freudloses Lächeln.

      »Okay, nehmen mir mal an, rein hypothetisch natürlich, ich lehne dein freundliches Angebot ab, und wende mich mit dieser unglaublich korrupten Geschichte direkt aus dem Untersuchungsgefängnis an die Medien. Bildzeitung, Spiegel, RTL, was dann? Mischt mir jemand Gift ins morgendliche Knastmüsli oder hänge ich mich versehentlich in meiner Zelle auf?«

      Maik Willem betrachtete mich einen Moment lang wie einen dieser großen toten Frösche, die uns der Familienkater in unserer Kindheit ständig vor die Füße gelegt hatte. Mittlerweile sah er genervt und müde aus.

      »Frag mich nicht, okay?«

      »Das tue ich aber gerade. Ich will wissen, woran ich bin. Jetzt.

      »Es gibt da eine Frau, die dir etwas bedeutet. Lucy Sowieso. Namen vergesse ich immer. Die Frau jedenfalls, die mit dir bei diesem grässlichen Unfall im Auto saß. Dieselbe, für die ich die Einweisung in die Psychiatrie verhindert habe.«

      Ich biss die Zähne zusammen und schwieg. Wie weit würde er noch gehen?

      »Es gab da einen Vorfall, noch keine drei Jahre her. Eine kleine Brasilianerin. Eine Schönheit unter uns gesagt, ich habe ihr Foto gesehen. Aber sie war erst fünfzehn, und diese Lucy Sowieso hat sie mit gefälschten Papieren aus dem Land geschmuggelt und in die USA einreisen lassen. So was erhitzt die politischen Gemüter und gefährdet unsere Beziehungen zu den USA. Muss ich ausführlicher werden?«

      Eine ganze Weile standen wir voreinander und keiner sagte etwas. Dutton hatte in seinem Spiegel-Bestseller Psychopathen bei den Gemeinsamkeiten zwischen Serienmördern, Wirtschaftsbossen und Politikern recht, und das beste Beispiel hierfür stand gerade vor mir.

      Mein Halbbruder Maik Willem. Janus, der Mann mit den zwei Gesichtern.

      Vor Jahren hatte sein Einfluss mir und Lucy aus einer Riesenklemme geholfen, jetzt drohte er sie einzubuchten. Er hätte natürlich einfach sagen können: Hey Dylan, du schuldest mir noch was! Aber die einfache Variante reichte ihm nicht. Er drohte, um seine Macht zu demonstrieren und seiner Erpressung doppeltes Gewicht zu verleihen.

      Trotzdem war ich ihm von damals etwas schuldig. Mir blieb keine Wahl.

      »Okay, ich tue es. Aber wenn dieser Deal hier beendet ist, treffen wir uns wieder. Genau hier und glaube mir, ich brauche nur zwei Minuten, um Danke schön zu sagen.«

      Ganz kurz nur flackerte etwas wie Furcht im Gesicht meines Bruders auf, dann war da wieder nur das Pokerface des Politikers. Ich spielte mit dem Gedanken, ihm eine Kopie der Geschichte von Kain und Abel zukommen zu lassen.

      »Einverstanden.«

      »Nur vorab schon mal, damit die Fronten geklärt sind: Du bist das größte Arschloch, das ich kenne, aber du hast Lucy damals geholfen, dafür schulde ich dir was. So, wie geht’s weiter?«

      Er reichte mir eine Plastikkarte mit meinem eingeschweißten Foto, demselben, das auch meinen Personalausweis zierte, und funkelte mich wütend an. Die Karte wies mich als Mitarbeiter des Innenministeriums aus, mit einer ellenlangen ID-Nummer und einem Chip.

      »Diese Chipkarte öffnet dir alle Türen. Du operierst vom Revier aus. Mit der ID-Nummer kannst du dich in alle Datenbanken einloggen, die für den Fall von Interesse sind. AFIS, Einwohnermeldeamt, Fahrzeugregister, was du eben brauchst. Du arbeitest ausschließlich auf dem Laptop, den du von uns bekommst. Keine handschriftlichen Notizen, keine Ausdrucke.«

      Er schwieg einen Moment lang, ließ mich aber nicht aus den Augen.

      Ich tat ihm nicht den Gefallen, über das Ausmaß seiner Befugnisse beeindruckt zu sein, war es aber tatsächlich.

      »Santos und sein Gehilfe werden in diesem Moment angewiesen, dir zuzuarbeiten. Sie werden nicht erfreut sein, aber kooperieren. Wenn nicht, ruf mich an, und sie sind ihre Jobs los. Ich halte dir den Rücken frei, solange nichts, was du herausfindest, irgendwo anders hingerät, außer an mich persönlich. Keine Presse, kein Facebook, keine Freundin.«

      »Warum diese Geheimniskrämerei?«

      »Warum? Der Kerl, der Rosanna gevögelt hat, war nicht nur doppelt so alt wie sie, sondern auch noch russischer Staatsbürger. Das macht das Ganze zu einer hochpolitischen Affäre, gerade jetzt während des Ukraine-Konfliktes und den Reibereien mit Putin. Möglicherweise steckt viel mehr dahinter als die Schwärmerei einer Sechzehnjährigen.«

      Ich dachte an die Köpfung des amerikanischen Journalisten nach den Luftangriffen der USA auf die Stellungen der IS-Miliz in Syrien. Vorstellen konnte ich es mir nicht in unserer idyllischen Provinz, aber es gab