Killertime. Charlie Meyer

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Название Killertime
Автор произведения Charlie Meyer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738001198



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Alarmglocken läuteten alle gleichzeitig.

      »Aha. Das beantwortet meine Frage nach deiner Beteiligung. Nur nicht nach dem wie und warum.«

      »Hast du dir die Leichen aus der Nähe angesehen?«

      »Nur soweit mich die Schmeißfliegen ranließen. Sah nach viel Blut aus.«

      »Dem Mann wurden Penis und Hoden abgeschnitten. Rosanna hat er …« Maik Willem schluckte. Er beugte sich vor und starrte auf den Boden vor seine blank gewienerten Schuhe. »Ihr wurde die Scham rausgeschnitten, und zwar anatomisch korrekt.«

      Ich holte tief Luft und stieß sie langsam wieder aus. »Ein Mediziner?«

      Er zuckte mit den Achseln.

      »Irgendein perverser Sadist mit anatomischen Kenntnissen jedenfalls. Sie haben übrigens zum Zeitpunkt der Verstümmelungen noch gelebt und waren bei Bewusstsein, und zwar beide. Er hat sie geknebelt, lange Zeltheringe in den Boden geklopft und ihre Hand- und Fußgelenke daran festgebunden. Die Schnüre haben sich bis auf die Knochen ins Fleisch gefräst, als er loslegte.« Er schwieg ein paar Sekunden. »Die Kehlen hat er ihnen erst ganz zum Schluss durchgeschnitten. Post mortem.«

      Ich atmete noch einmal tief durch. Ich wollte mir nicht vorstellen müssen, was ich hörte, aber mein Gehirn ließ mir keine andere Wahl.

      »Auf die Gefahr hin, wie ein Papagei zu klingen. Was hast du damit zu tun?«

      Die Kleine ist die Tochter eines hohen Tiers. Eines sehr Hohen, um genau zu sein. Außerdem Luisas Patenkind.«

      Maik Willem wohnte in Potsdam im Viertel der Reichen. Luisa war seine Frau, eine geborene von und zu. Böse Mäuler behaupteten, er habe sie nur wegen ihres aristokratischen Backgrounds und den damit verbundenen Beziehungen geheiratet. Aber immerhin haben die beiden drei Kinder gezeugt, also war zumindest auch Sex mit im Spiel.

      Ich schwieg eine Weile und versuchte, die Informationen zu verdauen, während ich an der Bushaltestelle zwei Männer mit Sonnenbrillen und schwarzen Anzügen beobachtete, die auf irgendetwas, aber mit Sicherheit nicht auf den Bus, warteten. Wenn mich nicht alles täuschte, waren wir das Ziel ihrer Aufmerksamkeit.

      »Tut mir leid. Geht es Luisa so einigermaßen?«

      Maik Willem nickte halbherzig, also fuhr ich fort.

      »In der Zeitung stand nichts, es sei denn, ich habe es überlesen. Wenn dieser Mord zwei, drei Tage alt ist und Daddy ein hohes Tier, wurde das Mädchen doch bestimmt als vermisst gemeldet?«

      Er schüttelte den Kopf und presste die Lippen zu einem Strich zusammen.

      »Wir wollten die Presse raushalten. Rosanna war morgens mit einer Freundin im Fitnesscenter. Gegen zwölf trennten sich die beiden. Die Freundin kam zu Hause an, Rosanna nicht. Die ersten Vermutungen gingen dahin, sie könnte entführt worden sein. Der Super-GAU eben. Romeo und Julia hatte keiner von uns auf dem Schirm. Es sind Sommerferien. Sie war am Vortag erst aus ihrem Schweizer Internat nach Hause gekommen. Ihre Mutter sagt, sie habe den ganzen Abend vom Internat erzählt, aber weder einen Buran noch sonst ein männliches Wesen erwähnt. Lehrer ausgenommen. Eine Teenagerromanze kam der Familie so wahrscheinlich vor wie ein Krokodil, das sie gefressen haben könnte. Niemand ahnte auch nur das Geringste. Nicht einmal ihre besten Freundinnen. Möglicherweise hat sie diesen Russen über einen Chatroom kennengelernt, unsere Leute überprüfen das gerade.« Maik Willem wandte mit feuchten Augen den Kopf ab. »Ein Teenager, dem die ganze Welt offensteht, und dann kommt da einfach so ein dreckiger Psychopath …«

      Ich legte ihm die Hand auf den Arm, doch er rückte sofort zur Seite, was mich nicht weiter wunderte. Emotional standen wir uns noch nie sehr nahe. Ich erhaschte den Blick auf seine Armbanduhr, meine Besatzung würde mich kielholen, wenn ich nicht augenblicklich zum Anleger fuhr.

      »Warum hast du mich da rausgeholt?« Ich deutete auf das Polizeirevier schräg gegenüber.

      »Ich will, dass du den Mörder findest.«

      »Maik, ich …«

      »Einmal Polizist, immer Polizist«, unterbrach er mich rüde. »Die besten Kripoleute reißen sich natürlich schon den Arsch auf, aber wir wollen, dass du parallel dazu ermittelst. Mit wir meine ich nicht nur den Vater und mich, sondern den Innenminister höchstpersönlich. Du bekommst Zugang zu ausnahmslos allen Ermittlungsergebnissen, egal welche Behörde. Höchste Berechtigungsstufe, aber auch die höchste Geheimhaltungsstufe. Kein Ton an irgendjemanden, vor allem nicht an die Presse. Du bist mein Bruder und ich habe mich für dich verbürgt.«

      »Ja, toll, vielen Dank auch. Maik Willem, ich war mal Polizist. In einem anderen Leben. Es ist furchtbar, was mit Luisas Patentochter und ihrem Freund passiert ist, aber ich bin keine Schachfigur, die sich beliebig hin- und herschieben lässt. In der einen Sekunde der Hauptverdächtige, in der nächsten Hauptermittler und Protegé eines Ministers. Davon mal abgesehen war ich nie bei der Mordkommission, sondern im Streifendienst. Das ist sieben Jahre her. Im Zeitalter von DNA-Analysen und digitaler Fingerabdrücke eine Ewigkeit.«

      Ich stand auf und schulterte meinen Rucksack mit den Badeklamotten.

      »Du sollst keine Laboranalysen durchführen, sondern ein Profil erstellen. Infos bündeln, eins und eins zusammenzählen. Was haben sieben Jahre mit deiner Fähigkeit zu tun, die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen? Du hast dafür offenbar eine Begabung. Mein Gott Dylan, du hast schon mal einen Serienmörder überführt, der Kinder tötete.«

      Im letzten Jahr meiner Polizeilaufbahn hatte ich mich von meiner Dienststelle zu einem Lehrgang für Fallanalytik, sprich Profiling, schicken lassen, einfach, um mich weiterzubilden. Der Lehrer, ein Profiler aus den USA, schikanös wie der Ausbilder einer Seals-Truppe, konfrontierte uns nach nur einer Woche mit dem ungelösten Fall eines Kindermörders, der in seiner Heimat Texas in Serie mordete. Millers Vorgabe: ein glaubwürdiges Profil des Mörders oder das Aus für den Kurs. Drei von uns schafften die Hürde. Ich war einer von ihnen, und aufgrund meines Profils wurde in Texas ein Lokführer der Amtrak gefasst, der fünf Kleinkinder und ein Baby einfach deshalb erwürgt hatte, weil ihm danach gewesen war.

      Danach bekam ich ein Versetzungsangebot zur Profilerabteilung des Landeskriminalamtes in Wiesbaden und sagte begeistert zu. Doch dann, an einem meiner letzten Tage im Streifendienst, wurde mein Partner Manni bei einer Verkehrskontrolle getötet. Ich warf das Handtuch, beendete den vielversprechenden Anfang meiner Karriere und versteckte mich in der Provinz.

      »Ich hatte mit meinem ersten und einzigen Profil einfach Glück. Mehr war da nicht. Es tut mir schrecklich leid, aber ich kann nicht helfen.«

      Ich wandte mich zum Gehen und war vielleicht drei Schritte weit gekommen, als sich die beiden Men in Black an der Bushaltestelle ebenfalls in Bewegung setzten und mir auf dem Bürgersteig den Weg abschnitten. In ihren Ray-Ban-Sonnenbrillen spiegelte sich der Park in meinem Rücken.

      Also hatte mich mein Bauchgefühl doch nicht getrogen. Nicht jeder, der an einer Haltestelle steht, wartet auf einen Bus.

      Ich drehte mich zu meinem Bruder um, der sich langsam von der Bank erhob und näher schlenderte.

      »Deine Leute?«

      »Sie passen nur auf mich auf.«

      »Sie versperren mir den Weg.«

      »Na ja, du bist ein Mordverdächtiger, und sie werden dafür bezahlt, Leute wie dich davon abzuhalten, Leuten wie mir die Kehlen durchzuschneiden. In diesem speziellen Fall begleiten sie dich lediglich wieder hinüber.«

      Maik Willem deutete auf das Polizeirevier.

      Ich starrte ihn fassungslos an.

      »Du erpresst mich?«

      »Ach bewahre. Niemand erpresst dich. Du bist ein mündiger Bürger, der seine Entscheidungen selbst trifft. Auf der anderen Seite bist du unser vielversprechendster Verdächtiger. Daher wurde die Polizei angewiesen, dich eine Weile auf Staatskosten durchzufüttern. Bevölkerung, Presse und Politiker verlangen nach schnellen Resultaten. Der junge Sinti aus Rumänien kommt als Täter nicht infrage, weil er und seine Mutter