Название | Der Zauber von Regen |
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Автор произведения | Liliana Dahlberg |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783737534710 |
Am Abend suchte Bernd das Gespräch mit seiner Tochter, die ihm offenbarte, dass sie bereits wusste, was genau vorgefallen war, und sagte zu ihm mit fester Stimme: »Paps, du kannst auf mich zählen. Wir stehen das Seite an Seite durch!«
Rita flog am nächsten Morgen wieder früh mit ihren Freundinnen nach New York. Sie verabschiedete sich zuvor noch von Nadine und meinte: »Du solltest Tom verzeihen. Er verdient eine zweite Chance.«
Nadine entgegnete: »Du misst die Menschen mit zweierlei Maß.«
»Glaube mir, ich weiß, wer eine zweite Chance verdient und wer nicht.« Sie warf einen geringschätzigen Blick auf ihren Ehemann. »Dein Vater hat mich zutiefst verletzt.«
»Du hast dich die ganze Zeit über nie verliebt?«, fragte Nadine unvermittelt und ungläubig.
»Glaub mir, eine Rita Hansen kann ihre Gefühle stets kontrollieren. Außerdem darf man verliebt sein, aber bei deinem Vater ist es offensichtlich nicht nur bei den Schmetterlingen im Bauch geblieben.«
»Er hätte wohl mit einem Netz losziehen und sie allesamt einfangen sollen«, sagte Nadine. »Vater hat es nicht verdient, auf der Anklagebank zu sitzen.« Sie hoffte, an das Verständnis ihrer Mutter appellieren zu können.
»Du kannst ja seine Verteidigung übernehmen. Er wird jede Unterstützung dringend nötig haben«, sagte Rita bestimmt. Sie griff in ihre feine Lederhandtasche und zückte ein Etui, aus dem sie eine Sonnenbrille von Coco Chanel nahm. Mit den Worten »Der, der zuletzt lacht …« ging sie durch die Eingangstür der Villa und setzte die Brille auf. Sie stieg in den Kleinbus, mit dem Bernd sie mit ihren Freundinnen zum Flughafen brachte.
Eine Eiszeit war zwischen den Noch-Eheleuten angebrochen, deren Gletscher wohl nicht mehr schmelzen würden. Die Stimmung im Hause Hansen sank auf ein arktisches Tief, als Bernd zurückkehrte. Nadine und ihr Vater fühlten sich angesichts der Geschehnisse ratlos und ohnmächtig. Sie wussten nicht recht, wie sie zur Tagesordnung übergehen und sich wieder ihrem Berufsleben widmen sollten. Bernd war natürlich froh, dass Rita erneut in die Staaten flog, wenngleich er sicher wusste, dass er bald von ihr hören würde.
Nadine trat am Vormittag ihre Arbeit bei Lennart Petri an und stellte fest, dass kein Deut mehr Ordnung in ihr Leben gekommen war, seitdem sie das Büro das letzte Mal betreten hatte. Im Gegenteil. Sie merkte aber auch, dass der Name Veronika in ihrem Kopf in den Hintergrund getreten war. Die Konfrontation mit ihr würde wohl in gut zwei Wochen stattfinden und Wunden wieder aufreißen. Wie sollte sie der Frau gegenübertreten, die sie wahrscheinlich über Wochen angelogen hatte und sie die schwersten Momente ihres Lebens erleben ließ?
Auf seinem Gestüt saß Nadines Vater am Abend mit seinem Bruder in dessen großem Büro um einen ausladenden Eichenholzschreibtisch beisammen. Bernd hatte einen anstrengenden Arbeitstag in der Herzklinik hinter sich gebracht.
»Bruderherz, du siehst aber schlecht aus. War dein Wochenende so schlimm?«, fragte Wilfried besorgt.
»Du sagst es.«
»Was war los? Hattest du deinen Hochzeitstag mit Rita?«, fragte Wilfried interessiert und etwas neckisch.
»An den muss ich mich hoffentlich schon bald nicht mehr erinnern. Mein Wochenende kann man aber getrost als turbulent bezeichnen. Rita war mit ihren Freundinnen da. Das war aber noch nicht einmal das Schlimmste«, sagte Bernd, und sein Blick wurde noch trüber.
»Das sagt schon viel, aber spann mich nicht so auf die Folter. Was ist denn so schrecklich gewesen? Musstet du mal wieder den Kochlöffel schwingen?«
»In der Tat.«
»Was gab es denn Gutes?«
»Labskaus.«
»Und Rita war damit einverstanden?«
»Nein, das ist ja daran das Reizvolle gewesen.«
»Was war dann so entsetzlich?«
»Nun, ich lass mich von Rita scheiden.«
»Und das ist eine schlechte Nachricht?«
»Wenn deine Frau mit schwingenden Schwertern und rasselnden Säbeln in den Kampf zieht und das Unrecht rächen will, das ihr angetan wurde, dann schon. Dass wir uns in diesem Leben noch einvernehmlich einigen können, ist leider Wunschdenken. Ich bin mir sicher, dass der Wind für mich in nächster Zeit hier auf Sylt noch rauer wird und ich Gefahr laufe, von mächtigen Sturmböen ins offene Meer hinausgetragen zu werden.«
»Der Scheidungsgrund ist demnach Anja und nicht das Labskaus«, stellte Wilfried überflüssigerweise fest. Dann beschwichtigte er und versuchte, Bernd zu beruhigen: »Mal den Teufel nicht an die Wand. Wir konzentrieren uns jetzt erst einmal auf die Körung von Cassis. Den letzten Parcours ist er gut gelaufen, ich denke, dass er bei der Körung erfolgreich abschneidet und schon bald als Beschäler eingesetzt werden kann.«
»Das wäre schön. Obwohl meine Sorgen momentan eine andere Größenordnung haben.«
»Welche denn?«
»Ach, so im Millionenbereich.«
»Rita hat sicherlich nur leere Drohungen ausgesprochen, und ihr erhitztes Gemüt wird sich nach ihrer Ankunft in New York beruhigen«, meinte Wilfried beschwichtigend.
»Nur wenn sie dann kopfüber in den Hudson fällt. Aber du hast recht, vielleicht schwächt sich der Wirbelsturm Rita auf seiner Reise über den Atlantik noch ab.«
»So gefällst du mir schon viel besser«, meinte Wilfried erleichtert, »außerdem vergiss nicht, du bist zwar noch mit einer Furie verheiratet, kannst aber irgendwann deinen Engel Anja vor dem Standesamt küssen. Ich hingegen bleibe wahrscheinlich mein ganzes Leben lang Single. Dabei weiß ich nicht mal, was ich falsch mache.«
»Vielleicht ist es keine gute Flirttaktik, den Damen immer gleich Reitstunden anzubieten«, sagte Bernd, der schon wieder etwas Mut gefasst hatte.
»Ich dachte, die Frauen stehen auf Pferdeflüsterer«, entgegnete Wilfried. Er hatte grau melierte Haare, aber sie waren noch sehr voll. Bernds Bruder war Mitte fünfzig, sehr sportlich und dynamisch. Er sah auch noch etwas drahtiger aus als sein zwei Jahre älterer Bruder und hatte ein attraktives Äußeres. Dennoch war er schon eine halbe Ewigkeit auf der Suche nach der richtigen Frau.
»Ich finde, mein Blick ist genauso verwegen wie der von James Dean«, sagte Wilfried im Brustton der Überzeugung zu seinem älteren Bruder.
»Deswegen findet sich wahrscheinlich auch keine Frau, die gern mit dir in deinen Porsche steigt«, erwiderte Bernd schmunzelnd.
»Sehr lustig, Bernd.« Wilfried gab sich etwas verärgert. »Vielleicht liegt es auch daran, dass ich nur der Leiter und nicht der Eigentümer der ›Syltrose‹ bin. Sonst würden mir die Frauen wahrscheinlich reihenweise zu Füßen liegen.« Er grinste verschmitzt.
»Dann müsstest du aber aufpassen, dass du nicht ständig über sie stolperst«, meinte Bernd mit einem Augenzwinkern, »du bist schließlich etwas tollpatschig.«
»Aber auf meinem Pferd mach ich immer eine gute Figur und kann bei noch so schwungvollen Gängen die Balance halten. Dazu habe ich ein großes Organisationstalent und führe dieses Gestüt sehr erfolgreich. Mir ist es zu verdanken, dass wir sogar Kunden aus Süddeutschland haben.«
»Ich beschwere mich ja auch nicht. Und jetzt planen wir am besten die nächsten Meisterschaften. Ablenkung ist ohnehin der einzig richtige Weg. Auch wenn mein Leben gerade das reinste Chaos ist, meine Pferde sollen das nicht zu spüren bekommen. Außerdem haben wir einen guten Ruf zu verteidigen. Ich will ein guter Herzchirurg und ein hervorragender Züchter bleiben!«, sagte Bernd und machte sich mit seinem Bruder daran, den Erfolg seines geliebten Gestüts weiter auszubauen.
Nadines