SILBER UND STAHL. Nicole Seidel

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Название SILBER UND STAHL
Автор произведения Nicole Seidel
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738096156



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dauerte nicht lange, da stürmten schwere Stiefelpaare ins Haus. "Alle Einwohner sammeln", hörte man jemanden sagen. "Zwei nach oben, alles gründlich durchsuchen!"

      "Was wird uns vorgeworfen?" wandte Fuin'isengrim ein.

      "Rebellen, die Scoia’tael, sollen in der Stadt sein und jeder der ihnen hilft landet mit ihnen am Galgen! Die Diebstähle in letzter Zeit wurden immer dreister! Wird Zeit, dass mal hart durchgegriffen wird." Der junge Hauptmann im blaugestreiften Wams stolzierte durch den Raum. Endlich stampften die beiden Soldaten wieder herab.

      "Drei Räume oben, keine weitere Personen zu finden, Hauptmann Roche. Aber das haben wir gefunden", stattete einer der beiden Bericht und überreichte dem Hauptmann etwas.

      "Ist es das was ich denke?"

      Fuin'isengrim nickte. "Ja, eine Elfenkrone. Bitte gebt sie mir zurück."

      "So, so, dann haben wir hier einen adligen Elfen. Ziemlich wertvoll das Teil, ist pures Gold, nicht? Der Reif wird konfisziert, du hast eh keine Verwendung mehr dafür." Hauptmann Roche blickte die zwei Elfenmänner und drei Elfenfrauen an. "Drei Räume oben, fünf Elfen unten. Dann passt das wohl -"

      "Hauptmann entschuldigt, aber der vordere Raum gehört eindeutig einem männlichen Elf, keiner alten Frau", erwiderte einer der Soldaten, die oben rumgeschnüffelt hatten.

      "Mein Sohn wohnt da, aber er ist noch unterwegs - und gehört keinesfalls den Scoia’tael an! Bitte, unsere Familie hat nichts getan!"

      "Wenn das so ist, dann bitte die genauen Personalien aller zur Familie gehörenden Personen, ob nun anwesend oder nicht. Und wenn jemand einer Arbeit nachgeht, dann bitte auch bei wem und wo!"

      Fuin'isengrim und Celeborn nannten dem Hauptmann alle gewünschten Daten, denn sie hatten ja nichts zu verbergen, waren anständige assimilierte Elfen. Tatsächlich genügte sich die Miliz damit und verließ das Haus, um im Nachbarhaus die gleiche Prozedur durch zu führen.

      Iorweth hatte den verletzten Riordain zur Pflege in seinem Zimmer belassen und hatte noch am gleichen Abend das Haus verlassen. Coinneach hatte am Rande die Scoia'tel - was Eichhörnchen bedeutete - auch schon erwähnt, um irgendeine Bande von Freiheitskämpfer soll es sich hierbei handeln.

      Dieser junge Hauptmann Vernon Roche gehörte einem Spezialtrupp an, die wegen ihrer blauge­streiften Uniform auch "Blaue Streifen" genannt wurden. Roche war vor kurzem erst nach Wyzima in die Dienste König Foltest getreten - hatte sich in einem kleinen Grenzkrieg zu Redaniens Ländereien verdient gemacht und hierher versetzen lassen. Sein Arbeitseifer - in erfolgreichem Bezug auf Razzien, Befragungen, Verhaftungen und Verbrechensaufklärungen - ließ ihn in der Hauptstadt schnell bekannt werden. Er schien am Stuhl des Kommandanten der Blauen Streifen zu sägen.

      Der Elf hielt sich im Schatten, tauchte in die Kloaken ab und folgte einem geheimen Weg in die Oberstadt, wo er ungesehen auftauchte. Im Händlerviertel nahe der Stadtmauern, auf denen doppelt so viele Wachen postiert waren, als sonst. Es lag was in der Luft. Doch unbemerkt gelangte Iorweth zum Versteck Coinneach Dá Reo. Er hatte einige dringende Fragen an ihn.

      "Deine Fragerei klingt fast nach einem Verhör. Ich bedauere was da passiert ist - mit Roche und deinem Vater. Aber wenn diese einfältigen Scoia’tael in der Stadt wären, dann wüsste ich es. Sie trauen sich nicht näher als zum Rand eines Dorfes im Osten. Dort gibt es einen Händler, der mit ihnen Handel treibt." Coinneach suchte sich aus seinen unzähligen Kleidungsstücken eine Kombination aus violettem Samt heraus und zog es sich über.

      "Und wie vertrauensvoll ist dieser Händler?"

      "Warum willst du das wissen?" Er band sein dunkelbraunes Haar im Nacken zusammen und suchte sich ein passendes Barett dazu aus.

      "Er könnte geplaudert haben?"

      "Das hat er nicht, er arbeitet für mich. Und wenn er plaudert, bindet er sich den Strick selbst um den Hals. Jetzt aber genug davon, mein Freund. Ich bin auf dem Weg zu einem Maskenball - du solltest dich mir anschließen. Ein Graf feiert seinen fünfzigsten Geburtstag, viele junge Edelleute werden dort sein. Das bringt dich auf andere Gedanken." Coinneach griff nach einer Augenmaske aus Goldimitat.

      Iorweth überlegte kurz. "Ich habe kein Kostüm."

      Coinneach deutete auf seinen ausgebreiteten Kleiderstapel auf dem Bett und der offenen Truhe. "Such dir was aus!" - und reichte ihm eine ähnliche Halbmaske, wie er sie trug. Sorgsam versteckte er die spitzen Elfenohren unter dem großkrempigen Samtbarett. "Versteck deine Ohren, man soll nicht sofort erkennen, dass wir Elfen sind, der Graf ist ein wenig eigen. Und beeil dich!"

      Eine Stunde später hatten sich eine Männergestalt in Violett und eine in Gold-Schwarz durch einen Seiteneingang zu den Ballgästen untergemischt. "Du hast mir nicht verraten, dass die Feier im Königspalast stattfinden", flüsterte Iorweth.

      "Du wärest wohl kaum mitgegangen, oder? Zudem ist es nur der Vorhof bis Audienzsaal unseres hochwohlgeborenen Foltest - seine Privatgemächer bleiben tabu. Ah, da drüben sind sie ja!" Coin­neach zog Iorweth zu einer kleinen Gruppe von edel gekleideten, maskierten Edelleuten.

      Der weitläufige Paradeplatz war durchbrochen mit unzähligen Pavillons, unter denen Tische mit herrlichen Speisen und Getränken drohten unter ihrer Last zu brechen. Emsige Pagen und Dienerinnen in der einheitlichen beige-roten Livree umschwärmten die Gäste, um ihnen jeden Wunsch abzulesen. Die meisten Gäste - alles hohe Ämter, Adlige und Königsgetreue - standen und saßen in Grüppchen im edelsten Gewand zusammen, die meisten trugen schimmernde Augenmasken, federne Stabmasken oder perlenbesetzte Schleier. Aus den weit geöffneten Türen des Palasttraktes erscholl Musik, ein Crescendo aus Trommeln und Schalmeien, Lauten und Harfen. Zwischendurch, am Rand und in überschaubarer Höhe standen Wachsoldaten.

      Coinneach begrüßte eine hübsche, langhaarige Blondine mit einem zarten Kuss auf die rosigen Lippen - sie trug ein azurblaues Empirekleid mit Silberstickereien und einer Schwanenmaske auf dem Kopf. "Das ist die bezaubernde Baronesse Iphingenia von Knappensteinberg." Bei ihnen standen zwei junge Männer - einer im irisierenden Indigoblau mit einer Vogelhaube, der andere trug rot und schwarz im Wechsel und hatte sich die Schnabelmaske auf die Stirn gezogen, so dass sein pickliges, gerötetes Gesicht zum Vorschein kam. Ihre Namen merkte sich Iorweth nicht, denn er war gefesselt von dem rosaglitzerndem blonden Schmetterling, der noch bei ihnen stand. "Und diese bezaubernde Fee ist Comtesse Ludamille von Richthoffer-Bergen."

      Ein buntschimmerndes Kristall-Blumendiadem mit einem hauchzarten Schleier bedeckte den Kopf eines puppengleichen Wesens mit zwei Zöpfen, die bis zu den Hüften gingen. Am Rücken des dreilagigen Taftkleides waren rosairisirende Schmetterlingsflügel befestigt.

      Bald gaben die beiden Vogel-Männer vor, jemand bekanntes in der Menge entdeckt zu haben und verabschiedeten sich. Die Elfenmänner waren mit den hübschen Blondinen - mehr oder minder - allein.

      Iorweth erkannte schnell, dass Coinneach die Baronesse Iphingenia schon besser kannte, denn sie schäkerten ausgelassen miteinander. Seine Begleitung Comtesse Ludamille hingegen versuchte mit ihm ein belangloses Gespräch zu starten, bis sie plötzlich den verkleideten Elf an den Rand Richtung Garten drängte, wo es efeuverhangene Liebeslauben geben sollte. "Dort drüben sind mein Verlobter und mein Bruder. Schnell - sie dürfen uns nicht sehen!" Sie zog ihn an beetgesäumten Wegen vorbei weiter in den spärlich mit Fackeln beleuchteten Garten. Hie und da hörte man leises Gelächter oder gar Stöhnen aus den Kuppeln der Lauben. Schließlich wischte Ludamille in eine noch leere Laube und setzte sich auf die weiße Bank darin. Ein kleines Öllicht brannte neben dem Eingang.

      "Iphingenia hat mir verraten, dass Coinneach ein Elf ist. bist du auch einer?" Sie bat Iorweth sich neben sie zu setzen. "Du bist schüchtern, Iorweth?" Sie griff nach seinem Barett und zog es vom Kopf. Darunter kam eine Flut langen schwarzes Haares und zwei spitze Ohren zum Vorschein. "Das brauchst du nicht zu sein!" Sie zog ihm die goldene Maske ab und ein Seufzer entrann ihren vollen Lippen. "Du bist ein ausgesprochen hübscher Junge." Ludamille beugte sich zu ihm herüber und hauchte ihm einen Kuss auf den schönen Mund. Ihre Finger fingerten an den Knöpfen seines schwarz-goldenen Wamses.

      Trunken von dem feierlichen Abend und der Andersartigkeit des