SILBER UND STAHL. Nicole Seidel

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Название SILBER UND STAHL
Автор произведения Nicole Seidel
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738096156



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Untoter sein!" - "Schon wieder? Wir brauchen hier dringend mal einen Hexer!"

      Toruviel sprang den Abhang hinunter und riss Riordain mit sich. Sie nutzten die Ablenkung und stolperten zur Brücke. Die schwere Holzkonstruktion bot einen schmalen Balkenabsatz darunter, die eine trainierte Person in angemessener Zeit bis ans andere Ufer durchklettern konnte. Iorweth ging voraus, aber seine Betäubung und die Kopfverletzung ließen ihn zusehends müder werden. Toruviel musste dem Halbelf helfen und so dauerte ihre Kletterei zwischen den Balken und Säulen doppelt so lange, als sie es gedacht hatten. Denn nachdem wohl doch kein Untoter aus den Fluten gestiegen war, und die Wachsoldaten wieder ihren Posten vor dem Tor eingenommen hatten, mussten die Elfen auch verdächtige Geräusche vermeiden. Der Morgen dämmerte bereits, als sie am Festland ankamen.

      Das weitläufige Dorf und Felder lagen frei vor ihnen. Der sie schützende Wald war noch eine Laufstunde von ihnen entfernt, das erkannten auch die Elfen.

      "Eilen wir uns", brachte Iorweth ein und lief im leichten Laufschritt weiter nach Osten.

      Den Hauptbereich des Dorfes hatten sie passiert, als die Sonne am Horizont auftauchte. Wo es ging suchten sie Deckung und wären fast mit dem Mann zusammen gestoßen, der am vorletzten Bauern­hof dastand und den Sonnenaufgang beobachtete.

      Er trug einen Lederwanst mit blauen Streifen und sein Ruf lockte weitere Soldaten der Spezial­einheit herbei. "Scoia’tael!" Ein Kampfbeil lag in seiner Hand und unvermittelt schlug er damit nach der vordersten Gestalt im Elfenumhang.

      Iorweth schoss Adrenalin durch die Blutbahn, als der Kerl mit seiner Axt nach ihm hieb. Er tauchte unter dem Schlag ab und warf sich zu Boden. Hinter ihm tauchte Toruviel auf und ließ ihre beiden Elfensihile kreisen. Während Iorweth mit hämmernden Schädel wieder auf die Beine taumelte, sah er drei weitere "Blaue Streifen" auf sich zu reiten. Zu viele Angreifer, ausgeruht und auf Pferden, dachte er, während er nach seinem Schwert griff, und ich bin unerträglich müde.

      Der erste Reiter erreichte ihn, Iorweth musste erneut aus dem Weg springen, bevor ihn das Pferd überrannte. Den nächsten Soldaten zu Pferde konnte er mit seinem Sihil blocken, aber er merkte, er hatte nicht mehr viel Kraft, um dessen harten Schläge mit dem Breitschwert zu parieren. Toruviel benötigte auch zu viel Zeit für den Kerl mit dem Beil und der erste Reiter hatte Riordain gestellt.

      Doch da nahte unerwartet Rettung. Pfeile flogen durch die Luft und töteten den dritten Reiter, bevor der sich einem seiner Kumpane anschließen konnte. Über das abgeerntete Stoppelfeld fegten drei Reiter in wallenden grünen Umhängen und kunstvollen Elfenbogen in Händen. Ihre Pfeile spickten nun die Soldaten.

      Iorweth zog den Söldner aus dem Sattel, ein Pfeil steckte in dessen Hals, ein weiterer am Oberarm. Er griff nach den Zügeln und schwang sich nun selbst in den Sattel. Er preschte auf den Reiter zu, der Riordain bedrängt hatte. Sein Schwertarm hob sich unsagbar langsam, ihm wurde ein Wurfmesser entgegen geworfen. Im letzten Augenblick gelang ihm eine Drehung mit dem Oberkörper und das Messer flog an ihm vorbei.

      Drei Pfeile ragten dem Söldner aus dem gesteppten Wams, die er wutentbrannt abbrach. Iorweth drängte ihn mit wuchtigen Hieben fort von Riordain. Toruviel hatte den Kerl mit Beil erschlagen und versuchte das Pferd des letzten Soldaten einzufangen. Vom Dorf näherten sich weitere Reiter, diesmal sieben an der Zahl, alle gutbewaffnete blaugestreifte Söldner.

      Ein flätiger Fluch ging ungehört über seine Lippen, als er ihre Chancen zu entkommen abschätzte. Iorweth stieß seinem Reittier die Fersen in die Flanken, als er bemerkte, wie Toruviel - nun auch beritten - den jungen Halbelf aufs Pferd zog. Eine weitere Pfeilflut hielt seinen Angreifer erst mal auf Abstand. Nun galt es alles aus den Pferden herauszuholen und es bis zum dichteren Wald zu schaffen, bevor die acht Söldner, die sofort die Verfolgung aufnahmen, sie einholen konnten.

      Die Elfen hielten sich dicht über den Hälsen der Pferde und preschten im halsbrechenden Tempo durchs Unterholz. Von einem unbedachten Moment zum anderen liefen die Pferde plötzlich alleine durch den Wald. Ihre Reiter waren in den Ästen und dichten Baumkronen verschwunden.

      Wenige Minuten vergingen nur, als weitere acht blaugestreifte Reiter durchs Dickicht ritten, unbeirrt der Spur folgend. Doch bald hatten sie die reiterlosen Pferde eingeholt. Eine Weile streiften sie noch in zwei Trupps suchend durch den dichten Wald.

      Iorweth lag auf einem sehr dicken Ast einer riesigen Eiche. Er lauschte den sich entfernenden Geräusche ihrer Verfolger und schlief erschöpft ein.

      Eine Hand rüttelte ihn wach. Iorweth setzte sich auf und blickte einem braunhaarigen Elf mit einer kleinen Narbe auf der linken Wange entgegen. Der Scoia'tel trug eine zerschlissene Lederrüstung, aber sein Jagdbogen im reichverzierten Köcher war von Meisterhand gefertigt. Sein Gesicht schmerzte dumpf, die Betäubung hatte nachgelassen und der Schlaf hatte Iorweth einen Teil seiner verausgabten Kraft zurück gegeben. Er kletterte dem Elf hinterher, hinab auf den Boden, wo sie ihre Reise zum südlichen Unterschlupf fortsetzten.

      Sie hielten sich erst westlich und verließen den Wald. Vor ihnen in den abgeernteten Feldern lag ein Bauernhof mit einem großen Viehstall anbei. Auf einer nahen Koppel tummelten sich drei Mähren. Lautlos schlichen sich die drei Elfenschützen an die Pferde heran, fanden am Zaum Halfter und führten die mageren Tiere unbemerkt zum Waldrand zurück. "Wir leihen sie uns nur", erwiderte der Kerl, der Iorweth geweckt hatte, "oder willst du den ganzen Weg laufen?"

      Immer zu zweit teilten sie sich eine Mähre - Riordain saß mit bei Iorweth auf einem der Pferde. Sie ritten zurück in den Wald, stets die Umgebung im Auge behaltend. Bei verdächtigen Geräuschen verharrten sie oder machten einen großen Bogen darum.

      Die Sonne war bereits untergegangen, als sie das Südufer des Sees erreicht hatten. Ein kleiner Flussarm schlängelte sich durch die sanft hügelige Landschaft. An einer niederen Furt konnte sie diesen sorglos durchqueren. Vor ihnen lag ein winziges Fischerdorf - bestehend aus drei Hütten, mit einem Anlegesteg und zwei Booten. Im Norden im See war die dunkle Silhouette der Schwarzschwalbeninsel zu erkennen. Ein Weg zweigte zwischen eine Klippenfurt und führte durch einen Wald - und würde zu einer weiteren Siedlung führen. Die Elfen hielten sich rechts am Ufer. Schließlich wurde das Gebiet unwegsamer, sie mussten die Pferde zurück lassen. Iorweth und Riordain folgten den schweigsamen Scoia’tael, bis sie in eine verborgene Bucht kamen, wo oberhalb wenige Lagerfeuer brannten, um die einige weitere Freiheitskämpfer saßen, dahinter war finster ein Höhleneingang auszumachen.

      Ein Elf mit zeitlosem Gesicht, sicher aber der älteste unter ihnen, erhob sich vom Feuer und grüßte Toruviel. Er hieß Chireadan und war der Anführer des etwa vierzig Mann großen Trupps Scoia’tael.

      "Das ist Iorweth, Fuin'isengrims Sohn. Trotz seiner schweren Verletzung fiel er uns hierher nicht zur Last. Er zeigt viel Ausdauer und Kampfesmut", stellte die Elfin ihren verbundenen Begleiter vor.

      "Dann heiße ich dich willkommen, Iorweth. Ich teile gerne mein Feuer mit einem so tapferen Elfen." Der sanfte Schatten eines Lächelns erschien auf dem schönen Gesicht Chireadans.

      "Verzeih, Chireadan, aber meine Ausdauer ist nicht unendlich. Viel lieber als der Platz am Feuer wäre mir ein sicherer Schlafplatz." Wie sich Iorweth überhaupt noch auf den Beinen halten konnte, war erstaunlich.

      "Toruviel, weise ihm in der Höhle eine Stelle zu."

      "Ich denke, wir werden alle eine Runde Schlaf brauchen", erwiderte die Elfenkriegerin und führte Iorweth und Riordain in die Höhle.

      Im Inneren brannten weitere Lagerfeuer. Um eines lagen vier im Kampf verletzte Scoia'tel. An einem anderen Feuer wurde eine einfache Mahlzeit zubereitet. Im hinteren Bereich der geräumigen Höhle, mit dem sauberen, festgetretenen Lehmboden brannten weitere Feuer, die die Wohnstatt wärmte. Dort fanden sich einige Liegestätte mit Fellen und Decken, etliche besetzt von müden Elfen. Die drei suchten sich einen freien davon aus und kuschelten sich unter die rauen Wolldecken. Iorweth war fast sofort eingeschlafen.

      Zwei Nächte und einen ganzen Tag hatte Iorweth durchgeschlafen. Verdammt hungrig erhob er sich und ging in den vorderen Bereich. Sein verletztes Gesicht fühlte sich taub an und er merkte, dass es frisch eingebunden worden war. In seinem Erschöpfungsschlaf hatte