FitShop. Dominik Rüchardt

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Автор произведения Dominik Rüchardt
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742757227



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Fall. Er unterbrach sie, dass er sich jetzt erinnere, hier aus dem Zollhaus, er wäre nie darauf gekommen dass sie Polizistin ist. Sie lachte warm und fröhlich und er ging hinein und holte ihr ein Glas.

      „Ich darf doch?“, er war schon am Einschenken.

      „Meinen Sie nicht, ich bin vielleicht im Dienst?“

      „Als Polizistin sind Sie immer im Dienst und da Sie nicht nie etwas trinken dürfen, dürfen Sie auch jetzt trinken.“

      Das hatte gesessen, sie musste einen Moment nachdenken.

      „Und wenn ich mit dem Auto da bin?“

      „Dann ist das Ihr Problem, ich denke, das könnten Sie lösen.“ Er schenkte ihr das Glas randvoll ein.

      „Ich bin tatsächlich dienstlich hier.“

      „Das habe ich schon befürchtet. Ich halte mich zwar für attraktiv, aber dass eine fast unbekannte, viel attraktivere Frau so hübsch angezogen ungefragt privat auf meiner Terrasse auftaucht … , da bin ich dann doch Realist.“

      Mit Freude sah er die Polizistin schamvoll zu ihrem Dekolletee herunterblicken. Danach verlor er kein weiteres Wort mehr in dieser Richtung.

      Sie prosteten sich zu und sahen sich, als sie tranken, abschätzend in die Augen, dann wurde sie ernst.

      „Es gab heute einen Todesfall“, legte sie los.

      „Ich habe von einem Unfall draußen am Fluss gehört.“

      Sie musterte ihn.

      „Ein Auto ist die Böschung herabgestürzt, der Fahrer ist ertrunken“, bestätigte sie ihn. „Was genau geschehen ist, versuchen wir noch herauszubekommen.“

      „Und deshalb sind Sie hier?“

      „Ja, genau.“

      „Interessant.“

      „Aber bevor wir weiter darüber sprechen,“ lenkte Greta ab, „was machen Sie hier so alles?“, sie setzte nach, „Für einen Kiosk mit kleiner Kneipe und Terrasse ist das hier ja viel zu groß, oder?“

      Hinter der frivolen Fassade steckte eine waschechte Polizistin. Anerkennend lehnte er sich zurück.

      „Ich bin Wirt“, erklärte er, setzte sei Glas ab und schwieg erst einmal. Und sah sie an.

      Sie sah zurück, wartete auf die Fortsetzung und schwieg auch.

      Jetzt ging das Spiel los, wer länger das Schweigen aushält.

      Sie gewann.

      „Als Wirt stellt man Fremden etwas zur Verfügung, was diesen nützt“ erklärte er philosophisch. „Der Gastwirt ernährt seine Gäste“, setzte er fort. „Wussten Sie, dass ‚Gast‘ der Magen ist?“ Er erkannte an ihrem fragenden Blick, sie wusste es nicht. „Gastrologie, Gastritis, Gastronomie, … das ist griechisch. Der Gastwirt ist der Magenfüller, ganz einfach.“

      „Dann hat sich mein Besuch hier ja schon gelohnt“, lächelte sie süffisant und drehte ihr Weinglas am Stängel zwischen den Fingern. „Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie sich mit Mägenfüllen begnügen.“

      „Das tue ich ja auch nicht“, jetzt schmunzelte er nachdenklich, überlegte, wie er seine Ehre retten konnte. „Ich habe ja gesagt, ich bin Wirt, ich habe nicht ‚Gastwirt‘ gesagt.“

      „Und was ist der Unterschied?“

      „Ich stelle Räume für Veranstaltungen, ich vermiete Zimmer, ich vermittle auch das eine oder andere Geschäft, wenn es passt. Schließlich habe ich hier ja eine zentrale Position in Fall.“

      „Zentral, wie man es nimmt“, meint sie nachdenklich. „Aber es kommen bestimmt viele vorbei, kann ich mir zumindest denken.“

      „Es kommen alle vorbei. Sage ich Ihnen.“

      Kaum hatte er das gesagt, befürchtete er, das war womöglich ein Fehler.

      Anstieg

      Irgendwie hatte der Mann es geschafft, dass ihr Glas stets mehr als halbvoll war. Der Überblick, wie viel sie getrunken hatte, war ihr dabei völlig entglitten. Beschwipst kletterte Greta auf ihr Rad und trat in die Pedale. Die körperliche Anstrengung kollidierte sofort mit den alkoholgeschwängerten Körperzellen und führte zu einem Gefühl bleierner Müdigkeit, das sich mit einer Weigerung paarte, genau dieses Gefühl zu akzeptieren.

      Also trat sie kräftig los und Nachtluft und Fahrtwind sorgten dafür, dass ihre Zellen sich umstellten und freudig die Energie verbrauchten, die sie mit dem Weißwein getankt hatte.

      Der Typ gefiel ihr. Sie wusste nur nicht, ob sie ihn überführen wollte, oder lieber benutzen.

      Seine Aussagen waren durchgängig zwielichtig: Nur per Anhalter mitgefahren, liegengeblieben draußen vor der Stadt, erinnert sich an das Auto, nicht an den Fahrer. Er hatte es glaubwürdig erzählt ohne Zweifel, aber ob es auch glaubwürdig war, daran hatte sie schon Zweifel. Zu den angeätzten Bremsschläuchen hatte sie geschwiegen.

      Er kannte Anton Vogel, das war schon einmal was, und dass der mit Sprit panschte und schwarz reparierte, war immerhin eine Aussage. Wenn auch nicht spektakulär und schon gar nicht ein wirklicher Grund für einen Mord. Da war mehr dahinter. Mächtige Gedanken wuchteten sich durch ihr Gehirn, als sie leichtfüßig die sommerlichen Straßen entlangflog. Das zutiefst organische des Verbrechens und der Jagd danach drang durch alle Poren und dünstete mit dem Wein aus. Als sie zur Steigung kam, wurde sie langsam nüchtern. In schweren Tritten zog sie zügig den Hügel hoch und die Gedanken kanalisierten sich, bis sie ganz verschwanden.

      Körperlich erhitzt, aber ernüchtert schloss sie die Türe auf. Es war still. Sie ging durch die dunklen Räume, Leere drückte sich ihr entgegen, doch da war ein Luftzug. Linda war nicht da, ein gutes Zeichen, fand Greta, die sich Sorgen machte, dass ihr Kind zu wenige Freunde hatte. Auf der Terrasse saß Thomas in der Hollywoodschaukel, eine halbleere Flasche Wein neben sich, und schaute auf den Fluss weit unten im Tal. Sie setzte sich daneben, kuschelte sich an ihn, er nahm sie in den Arm. Hier oben war ihr Nest, wie sie es nannten. Ihr Rückzugsort, in dem sie für sich waren und von dem aus sie heruntersahen auf die Welt. Im Besonderen auf Fall an der Donau, die sich am Fuße des Bayerischen Waldes entlangwand, den sie selbst lieber Böhmerwald nannten. Der frühere Name klang weltoffener und sie beide waren zwar schon lange da, aber nicht hier geboren, wohl aber Linda, ihre Tochter.

      Thomas fühlte sich gut an, roch nach Wein, sie bestimmt auch. Die Sterne funkelten, der Mond schien dazu, Grillen zirpten und sie spürte ihren Mann. Vertraute Bewegungen, vertraute Haut, vertrautes Brummen aus den Tiefen des Körpers. Er stockte kurz mit der Hand an ihrem Rücken, als er bemerkte, dass dort ein Kleidungsstück fehlte. Sie drückte sich an ihn und freute sich.

      Sie schwiegen mehr, als sie sprachen und bald zerrten sie an der vorhandenen Kleidung und liebten sie sich auf der Hollywoodschaukel. Es war ruhig und vertraut und bei allem Schaukeln ein Beweis ihrer Fähigkeit, einander zu stützen. Sie fand es wunderschön.

      Schließlich froren sie doch und verzogen sich ins Bett unter ein Laken. Unter der Decke strahlte sein Körper wieder Wärme aus und sie kugelte sich vor ihm ein und bald dämmerte sie selig davon.

      Sie hatte keine Ahnung, wie spät es war, als sie aufwachte und aufs Klo musste. Sie suchte ihr Nachthemd und tapste durch die mondbeschienene Dunkelheit in Richtung Toilette. Lindas Türe war angelehnt. Vorsichtig sah sie auf dem Rückweg hinein. Die leisen Atemzüge eines jungen Mädchens füllten den Raum - ihre Tochter lag friedlich schlafend im Bett.

      Erleichtert fiel Greta wieder auf ihre Matratze und schlief wie ein Stein bis zum Morgen.

      Beim Frühstück erzählte sie Thomas ihren neuen Fall.

      „Mit modernen Autos geht so etwas gar nicht mehr“, meinte der trocken, während er seinen Kaffee schlürfte. „Das Auto hätte lange vor der Kurve gemerkt, dass der Bremsdruck