FitShop. Dominik Rüchardt

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Название FitShop
Автор произведения Dominik Rüchardt
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742757227



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ihr Mann, hatte sie stundenlang über den staubigen Parkplatz geschleppt, bevor sie endlich über die Wiesen schlendern durften mit Ständen, Musikanten und Biergärten. Doch eine Verbindung zu dem Auto gab die Erinnerung nicht her.

      Tropfend kippte das Auto über die Kante der Böschung und stand schließlich vor ihnen.

      Jetzt erst bemerkten Storm und Drang Greta und ließen sie mit nach vorne.

      „Das ist der Besitzer hier, Anton Vogel“, kam es trocken von Drang in Richtung des Südländers. „Dein Chef, oder?“ Sofort drehte Greta sich zu dem Mann am Schlepper und sah in zwei dunkle Augen, die offenbar schon geahnt hatten, was jetzt kam. Er sah Greta an, dann kam er auf der Gruppe der Polizisten zu. „Dachte ich es mir doch“, meinte er leise. „Ich bin Mehdi, ich arbeite hier“, stellte er sich bei Greta vor.

      Storm versuchte, die Türe zu öffnen, doch sie klemmte. Dann lehnte er sich durch das Fenster ins Wageninnere.

      „Keine äußeren Einwirkungen zu sehen“, meinte er, als er seinen Kopf wieder herausgezogen hatte. „Ich würde sagen, der Mann ist ertrunken.“

      „Kein Wunder, das Fenster war auf, das Auto ist vermutlich untergegangen wie ein Stein.“ Nachdenklich studierte Drang den Alfa. „Kennst Du das Auto?“, wandte sie sich an Mehdi.

      „Den sehe ich das erste Mal.“ Mehdi inspizierte aufmerksam das Auto, seine Augen leuchteten auf einmal ein wenig. „Ich musste gerade erst einen Motor für so einen besorgen“, meinte er dann plötzlich. „War gar nicht so leicht. Ich hab ihn in Italien geholt, steht jetzt hinten in der Werkstatt.“

      „Also vermutlich ein Reparaturauftrag.“ Greta hakte ihre erste Erkenntnis ab und sah sich um, lief die Straße hoch.

      „Hier ist er runter“, hörten die anderen sie wenig später rufen. Sie sahen sie, über die Böschung gebeugt die Pflanzen untersuchen. „Schaut, das ist frisch abgeknickt.“

      Langsam ging sie zurück zur Straße. „Keine Bremsspuren, nichts.“ Sie ging weiter die Straße hoch, kroch plötzlich auf allen Vieren den Asphalt entlang und roch, ihre blonden, ungekämmten Haare schliffen im Staub.

      Storm kam in langen, staksigen Schritten auf sie zu und kniete sich daneben. „Lass mal nachprüfen, ob das Bremsflüssigkeit ist“ raunte sie ihn an. „Und glotz nicht so!“ Erschrocken hob er seinen Blick von ihrem klaffenden Ausschnitt und lief rot an.

      Als sie sich wieder aufrafften, war Drang schon damit beschäftigt, die Straße mit rot-weißem Band zu sperren.

      „Soll ich den Wagen in die Werkstatt runter bringen?“

      „Nein, lassen Sie mal, den übernehmen wir“, sprang Greta dazwischen. „Der geht nach Passau zur Untersuchung. Drang, Du fährst mit.“ Dann sah sie Mehdi ernst an: „Erzählen Sie mir lieber mal, was Sie wissen. Womit hat Ihr Chef sein Geld verdient?“

      In einfachen aber schönen Sätzen beschrieb Mehdi ihr voller Bewunderung, was für ein guter Chef Anton Vogel gewesen war.

      Schnell begriff sie den Kern seines Geschäftes. Reparatur mit gebrauchten Ersatzteilen. Kaum nachprüfbare Kosten, sicher ein einträgliches Geschäft. Und er und Mehdi waren abwechselnd auf Einkaufstour. Vermutlich mehr in Osteuropa, als in Italien, aber dennoch kein schlechtes Leben.

      Gerhard

      Im Zollhaus Paradies war der Nachmittag ruhig. Routiniert stand Gerhard Steinhörer an der alten Mole und fischte einen Behälter aus dem Wasser. Eine wasserdichte Box, versehen mit einem dunkelgrünen Schwimmer, dass sie nicht unterging. Eine U-Boot Lieferung, abgeworfen von dem Frachtschiff, das eben an Fall vorbeigefahren war - an einer genau vereinbarten Stelle, so dass die Strömung das Paket zuverlässig zu ihm trieb.

      Er hob die Box aus dem Wasser und schob sie mit einem Schwung zu einem unscheinbaren Verschlag, eingelassen in das rückwärtige Gemäuer des Zollhauses. Die Mole war schwer einsehbar und der Verschlag gar nicht. Routiniert öffnete er die Box, prüfte kurz den Inhalt, er war trocken und erschien vollständig, dann verstaute er alles. Er würde die Sachen erst am Abend brauchen. In tausendfach eingeübten Bewegungen schloss er ab, erschrak wie immer im Aufstehen aus der Hocke über die Schmerzen in den überdehnten Beinen und sah sich noch einmal um: niemand in Sicht.

      Zufrieden macht er sich auf nach vorne zu den Tischen.

      Julia und Flynn machten heute den Kiosk, er musste nur ab und zu da sein, dann lief der Laden. Das alte Zollhaus war ein verschachteltes Areal am Fluss. Ein Überrest aus einer Zeit, als hier Schiffe wegen Stromschnellen anhalten mussten, um sich lotsen zu lassen. Die Fälle, von denen der Name Fall kam. Sie hatten dem Ort über Jahrhunderte ein einträgliches Geschäft beschert, bis die Donau ausgebaggert worden war.

      Der Aufstieg von Fall war damit zu Ende gewesen. Es war bald hinter Deggendorf zurückgefallen, ein beschauliches Nest, hängengeblieben irgendwo zwischen Stadt und Dorf. Auf dem Weg, vom wachsenden Deggendorf als Vorort verschluckt zu werden. Nur das Zollhaus stand weiter da mit wuchtigen Mauern: Freiflächen, Lagerhallen, alte Büroräume, Schlafräume, Mannschaftsräume, alles war da. Er hatte das Gelände vor Jahren von seiner Abfindung gekauft. Der goldene Handschlag zum Abschied aus seinem früheren Leben als Verkäufer in einem Technologie Unternehmen. LiveSafe. Zwei Jahrzehnte hatte er teure Technik an große Unternehmen verkauft. Er war rund um die Welt gekommen, in die Vorstandsetagen der Wirtschaft, hatte mitbekommen wie dort gewertschätzt, gedealt und entschieden wird.

      Dann war der Tritt in die Freiheit gekommen. Der alte Hase wurde ersetzt durch junge Telefonverkäuferinnen. Bereut hat er ihn allerdings seitdem nie, das Zollhaus ernährte ihn problemlos. Die zentrale Lage in Fall an der Donau zwischen Stadtmitte und Fluss, das von einer Mauer geschützte, verwinkelte Areal, die verwunschenen Räume und Freiflächen, all das machte das Gelände zu einem Wunderwerk der Attraktionen. Kerngeschäft war der Kiosk. Hier verkaufte er alles, was ging. Alkohol, Zeitschriften, Milch, Butter und Käse, Kuchen, Kaffee, Zigaretten, Kondome, er besorgte alles, was gefragt war. Nur aus Drogen hielt er sich raus. Der Kiosk war zugleich Cafe und Kneipe, mit einer Terrasse vorne und einer hinten – vorne für die Jugend und die, die gesehen werden wollten, hinten, in der verschachtelten Freianlage des Zollhauses, für die, die lieber unter sich waren.

      Und die Jugend verdiente sich Geld, indem sie den Kiosk schmiss – zumindest den Teil des Geschäftes, der allgemein bekannt war.

      Und sie spannen herum mit allen möglichen eigenen Ideen, die gut zu der aus der Zeit geworfenen Rolle des Zollhauses passten. Stück für Stück eroberten sie das alte Gemäuer, ersannen den möglichen früheren Zweck der unterschiedlichen Elemente der Anlage: Speicher, Wachräume, Ställe, Kapelle, Gerichtsraum, Kerker - auch das alte Badehaus hatten sie kürzlich entrümpelt. Nebenbei arbeiteten sie immer weiter an ihrer Idee, Mittelalterspiele auszurichten. Damit war Leben in der Bude und der Betrieb lief – und hatte er Zeit für die wichtigen Dinge.

      Doch die kümmerten ihn gerade wenig. Entspannt und leichtfüßig sprang er barfuß über die Stufen der hintern Terrasse, um diese Zeit war dort nichts los, ging durch die angenehm kühle alte große Speicherhalle, die sie nun für Veranstaltungen nutzten, und durch eine Nebentüre zur oberen Terrasse wo er, etwas abseits gelegen, seine private Ecke hatte. Das alte Zollmeisterbüro. Von hier konnte er den gesamten vorderen Bereich überblicken: Kiosk, Terrasse und den Eingang zu den Kneipenräumen.

      Für ihn war es eine Freude, den jungen Menschen zuzusehen, wie sie den Laden führten. Mit einem Gemisch aus unendlicher Lässigkeit, Neugierde und permanenter Balz wechselten sie andauernd zwischen sich kümmern und sich präsentieren. Ihnen fühlte er sich verantwortlich. Sie wurden seiner Ansicht nach viel zu sehr missbraucht in einer Welt, die sich in eine riesige technische Spielhalle der Selbstoptimierung verwandelt hatte. Er beneidete sie nicht. Seine eigene Jugend hatte er noch auf Demos in Schwandorf, Ohu und Niederalteich verbracht. Im Kampf gegen Atomkraft und Staatsgewalt, mit Rufchören gegen Wasserwerfer. Diese Erfahrung echten Lebens entging der jungen Generation. Deren Abenteuer waren virtuell und rundum abgesichert.

      Doch