Gegen den Koloss. Achim Balters

Читать онлайн.
Название Gegen den Koloss
Автор произведения Achim Balters
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742752642



Скачать книгу

weiß nicht, Richard. Das Projekt ist doch so gut wie durch. Alles schon abgesegnet. Die Finanzierung ist wasserdicht. Warum sollten zusätzliche Kosten einkalkuliert werden?»

      «Weil sie den ganzen Komplex attraktiver machen. Und dazu mehr Wohnqualität versprechen. Die Eigentumswohnungen könnten teurer verkauft werden.

      «Genau. Ich glaube auch, dass die Kosten für diese Veränderungen kaum ins Gewicht fallen werden», meint Claudia Verwey, die zu ihnen gekommen ist, die Hände auf den großen Tisch stützt und auf den Monitor blickt. «Alles würde dann ohne großen Aufwand weniger standardisiert aussehen.»

      «Und die Herren Investoren wären dann noch zufriedener als sie es sowieso schon sind», sagt Richard. «Leerstände brauchen sie für dieses Projekt bestimmt nicht befürchten. Auch wenn alles so bleibt, wie es ist», sagt er, sich zu Claudia wendend. «Übrigens, Claudia, es war eine gute Idee von dir, die Grünflächen zwischen den Häusern anders anzuordnen. Dadurch sieht alles aufgelockerter und einladender aus. Die von Conselect waren auch sofort einverstanden.»

      «Kein Wunder. Sie haben sofort begriffen, dass der ganze Komplex dadurch gewinnt. Vorher sah es zu genormt aus. Größere Rasenflächen und ein paar Bäume und Sträucher mehr machen alles freundlicher und großzügiger», sagt Claudia.

      «Die gepflasterten Flächen wirken dadurch nicht mehr so nackt», meint Richard, das am Computer veranschaulichend.

      «Und weniger geometrisch», fügt Axel hinzu. Er überlegt kurz. «Es soll uns ja egal sein. Aber es stinkt gewaltig. Dass auf dem Grundstück so ein Komplex mit Eigentumswohnungen gebaut werden kann, ist wieder einmal ein Beispiel für institutionalisierte Korruption. Der Bebauungsplan sah vorher ganz anders aus.»

      Axel lehnt sich im Stuhl zurück, wendet seinen Blick vom Monitor ab, lehnt sich zurück, die Hände hinter dem Kopf verschränkend.

      «Ursprünglich sollten dort ja nur Einfamilienhäuser gebaut werden. Aber dann hat man von Conselect für das marode Gymnasium gespendet. Und siehe da, sie bekamen grünes Licht für ihr Projekt», sagt Richard.

      «Auch weil der ehrenwerte Herr Behrens als Grundstückseigner im Gemeinderat sitzt. Spielt den fidelen Rheinländer. Weiß, wie er leutselig seine Schäfchen ins Trockene bringt», fügt Axel hinzu.

      «Konnte dann an Conselect das ganze Bauland verkaufen. Schneller und zu einem höheren Preis, als wenn dort Einfamilienhäuser entstehen würden», sagt Claudia, sich neben Richard setzend.

      «Der übliche Reibach. Wo ein Bauamt ist, das gibt’s auch einen Skandal», meint Axel.

      «Mindestens», sagt Richard.

      «Wiederum, wäre das Grundstück nicht zur Bebauung freigegeben worden, hätten wir den Auftrag nicht bekommen.»

      «Na logisch», sagt Claudia knapp. Sie mustert Axel etwas abfällig, die Stirn hochziehend.

      «Ich finde, wir können zufrieden sein, im Großen und Ganzen. Wir haben eine auch ästhetisch gelungene Lösung für das Projekt gefunden. Trotz mancher Abstriche», sagt Richard.

      «Das finde ich auch», sagt Claudia. «Gut, dass wir die versetzte Anordnung der Gebäude durchgeboxt haben. Und dass sie kein Flachdach bekommen. Das würde zu roh aussehen.»

      «Zweifellos. Aber was waren die anfangs verbohrt», erinnert sich Richard.

      «Setzten Rendite mit Billigbauweise gleich. Wir haben sie erst bearbeiten müssen. Haben’s dann aber eingesehen», sagt Claudia.

      «Jetzt können sie mehr herausholen, als sie vorher einkalkuliert haben», sagt Axel.

      «Eine gute Investition für sie», sagt Claudia.

      «Und für uns eine gute Basis für weitere Aufträge, die Conselect für Bauvorhaben vergibt», sagt Richard.

      «Wilke hat es beim letzten Meeting ja schon angesprochen. Tat so, als würde er nur noch mit uns zusammenarbeiten. Hat was von einem Dampfplauderer. Ist mit Vorsicht zu genießen», sagt Axel.

      «Jedenfalls wollen sie einen ganzen Straßenzug in Eschweiler sanieren und komplett ummodeln», sagt Richard.

      «Noch ist alles in der Planungsphase», sagt Axel. «Wir sollten jetzt etwas für die gezielte Kontaktpflege tun. Der richtige Zeitpunkt. Ein gut funktionierendes Netzwerk gehört einfach dazu.»

      «Ja. Brauchen wir. Claudia, dafür bist du ja zuständig. Machst es immer auf die feine Art. Lass dir was einfallen», sagt Richard.

      «Habe ich schon», sagt sie verschmitzt lächelnd. «Was haltet ihr davon, wenn ich der Führungsriege von Conselect eine Einladung zur Vernissage von Stefan Heitkamp schicke? Und dazu jedem ein Exemplar vor dem gerade erschienen Buch über seine Fotoarbeiten.»

      «Prima Idee», sagt Richard.

      «Telefonisch werde ich das morgen vorbereiten, Wilke anrufen. Auf unsere gute Zusammenarbeit eingehen, blablabla. Und dann auf Kultur umschwenken. Ich glaube, der und seine Truppe sind Kulturbanausen. Aber das versuchen sie zu vertuschen», sagt Claudia.

      «Vor allem ihre Frauen werden sich für die Vernissage interessieren. Die haben bestimmt keinen kulturellen Auslauf. Hören doch nur von Geld, Geld und nochmals Geld. Insgeheim träumen sie von einem Abenteuer mit einem Künstler», meint Axel.

      «Donnerwetter, wie gut du doch die Frauen kennst», spöttelt Claudia.

      «Deswegen heirate ich auch nicht», erwidert Axel trocken. «Es gibt eine Männerkrankheit, und die heißt Ehe.»

      «Das ist auch eine Frauenkrankheit», meint Claudia.

      «Stimmt. Dagegen gibt es nur eine geeignete Prophylaxe», sagt Axel.

      «Und die wäre?», fragt Claudia.

      «Single bleiben», antwortet Axel grinsend.

      «Eine weise Entscheidung», sagt Claudia.

      «So ihr Theoretiker, das heikle Thema Ehe habt ihr auf eine verblüffend einfache Weise bewältigt. Jetzt können wir hoffentlich da weitermachen, wo wir vorhin aufgehört haben», sagt Richard amüsiert.

      «Ganz meine Meinung. Hier wird nicht getalkt, hier wird hart gearbeitet», ruft ihnen Lothar Horstmann zu, der gerade einen Aktenordner aus einem Regal genommen hat.

      «Alter Preuße», scherzt Claudia.

      «Wenn ihr fertig seid, komme ich zu euch. Ich muss euch unbedingt etwas zeigen», sagt er, hebt kurz die Hand mit dem Aktenordner und geht zu seinem von einem Raumteiler abgegrenzten Arbeitsplatz zurück.

      Richard dreht sich zum Tisch zurück, gibt in den Computer einen Tastaturbefehl ein. Claudia zieht einen Stuhl zu sich heran, setzt sich neben Richard. Axel lehnt sich zurück, streckt die Beine aus, verschränkt die Arme. Er blickt erst zu Richard, dann zum Monitor.

      «Na dann bau mal um, Richard», sagt er.

      Richard verändert Grundrisse, verlängert und verkürzt dabei Wände, verschiebt sie, passt Balkone und Fensterflächen aneinander an. Sie spielen am Monitor Varianten durch, suchen eine möglichst einfache Lösung. Es herrscht eine anregende, trotz auftauchender Meinungsverschiedenheiten anregende Atmosphäre, die Richard genießt.

      Axel Tiedeck hat noch Bedenken wegen der Dielen, glaubt, dass sie zu klein werden, wenn man die Wohnzimmer vergrößert. Er ist ein 43 Jahre alter, ziemlich korpulenter Mann, der nicht mehr mit seinen Pfunden kämpft, sondern mit einer ausgereiften Gleichgültigkeit dicker geworden ist. Richard ist seit seiner Studienzeit mit ihm befreundet. Damals schon hatten sie geplant, nach ihrem Examen als gleichberechtigte Partner ein Architekturbüro zu gründen. Sie ergänzen sich, haben sich im Laufe der Zeit gut aufeinander eingespielt, profitieren voneinander. Richard vertritt einen Architekturstil, der sich auf den Reichtum der Formen besinnt und versucht, das im Rahmen seiner Möglichkeiten zu verwirklichen. Axel neigt eher zu einer funktionalen, wenn auch nicht zu strengen Bauweise. Je nach Auftrag wird entweder die eine oder andere Stilrichtung stärker betont. Axel ist das einzige Kind eines renommierten Architekten, was