Название | Project Mercury |
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Автор произведения | Hans Müncheberg |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738016499 |
3
Die DC-8-Düsenmaschine der Pan American hatte die volle Flughöhe erreicht. Tief unten lagen die schneeigen Wolkenbänke. Der Himmel sah hier oben in fast zehn Kilometer Höhe dunkelviolett aus. Lediglich zum Horizont hin hellte er sich auf, wurde dunkelblau, hellblau und verschwamm schließlich in blass blauem Dunst. Die Sonne stand hoch, grellweiß am Firmament.
Das fühlbare Vibrieren der Maschine beim Aufstieg war verschwunden, ruhig lag der große Vogel in der Luft. Nur das leichte Pfeifen und Zischen der vier Düsenaggregate und die unter dem Flugzeug dahinziehenden Wolkenbänke verrieten die hohe Geschwindigkeit des Fluges.
Dr. Lawrence Gilbert drückte mit der rechten Hand auf den Verstellknopf des gepolsterten Sitzes. Die hohe Lehne kippte langsam nach hinten. Mit einem leichten Klicken rastete der Haltemechanismus ein: Gilbert lag bequem, den Kopf zur Seite geneigt, und sah aus dem kleinen Bordfenster. Das gleißende Sonnenlicht wurde von den Wolken zurückgeworfen und stach in die Augen.
Wenige Stunden noch, dachte er, und dann werde ich Betty wiedersehen. Betty, Scott und Dave, den kleinen Kerl. Wie alt mochte er jetzt sein? Gilbert rechnete nach. Vor fast zwei Jahren, als die Familie Sharper nach Langley zog, war Dave sieben Jahre. Jetzt musste er also neun sein, oder wurde er es gerade in diesen Tagen? Zu dumm, dass man sich solche Daten nicht in einen Kalender schrieb. Der kleine Kerl würde sich bestimmt freuen, wenn ihm sein Onkel Lawrence gratulierte. Aber so war das eben. Man wurde immer wieder vom Trubel der Ereignisse mitgerissen.
Zehn Tage waren seit dem Besuch der beiden Männer von der NASA vergangen, zehn ereignisreiche Tage. Die Erweiterung der Produktion brachte zusätzliche Arbeit. Durch die besonderen Anforderungen der NASA-Testreihe machten sich einige konstruktive Modifikationen rotwendig. Außerdem hatte es noch ernsthafte Auseinandersetzungen mit Bradley gegeben. Chefdirektor Webster musste, trotz Gilberts Bitte, vorläufig noch nichts zu unternehmen, bei seinen Verhandlungen mit dem Verwaltungsrat der Convair etwas von einem möglichen befristeten Ausscheiden des Atlas-Konstrukteurs angedeutet haben. Der Verwaltungsrat hatte sich sofort an die Leitung der Astronautics-Werke gewandt, und Bradley hatte ihn zu sich zitiert. Der technische Direktor war verärgert, weil die ersten Gespräche sozusagen hinter seinem Rücken geführt worden waren. Obwohl Gilbert nachdrücklich versichert hatte, die Angelegenheit sei längst noch nicht spruchreif, machte sich Bradley stark und ließ keinen Zweifel, dass er nicht daran dächte, Gilbert für ein Jahr zur NASA gehen zu lassen. Bradley pochte auf den langfristigen Vertrag und deckte Gilbert derart mit neuen Aufgaben ein, dass es ihm nur mit Mühe gelang, sich diese zwei Tage für einen Besuch in Langley frei zu machen.
Gilberts Gedanken nahmen nun eine andere Richtung. Sie eilten ihm voran, nach Langley. Seltsam, immer wenn er wusste, dass er mit Betty zusammentreffen würde, überkam ihn ein beklemmendes Gefühl. Und das regte ihn wieder auf. Schließlich waren inzwischen zehn Jahre vergangen, seit vor ihm die Frage stand, ob er nicht Miss Betty Wilkins heiraten sollte. Er wehrte sich gegen das Gefühl, damals falsch entschieden zu haben, als Betty zu ihm kam und es von seinem Rat abhängig machen wollte, ob sie Scotts Heiratsantrag annahm oder nicht. Gilbert atmete tief. Verdammte Erinnerung! Was hätte er denn damals tun sollen? Scott Sharper war sein bester Freund. Sie kannten sich seit der gemeinsamen Studienzeit an der Universität von Michigan. Scott, der um fünf Jahre Jüngere, war ihm in einem Seminar aufgefallen, als er einen sehr verwegenen und völlig utopischen Plan zum Bau einer fliegenden Startbasis für Jagdflugzeuge entwickelte. Sie waren zuerst in einen heftigen Streit über die realen Chancen eines solchen Projektes geraten, dann hatten sie auf einmal beide laut aufgelacht und beschlossen, gemeinsam die Luftherrschaft über ganz Amerika zu erobern. Scott war ihm nicht mehr von der Seite gewichen und hatte offen erklärt, von einem solchen Experten könne man so viel profitieren, dass es Wahnsinn wäre, die Möglichkeit nicht zu nutzen.
Gilbert absolvierte bereits ein zweites Studium auf höherer Ebene. Er wollte den Dr.-Ing. (Master of Science) erwerben, während Scott schon bald feststellte, er wäre zufrieden, wenn er wenigstens den untersten akademischen Grad erreichte. Das war eine durchaus reale Selbsteinschätzung, denn Scott zeigte genauso wenig Hang zur trockenen Theorie, wie er Leidenschaft im Ausdenken immer phantastischer anmutender Projekte bewies. Dass er die Prüfungen bestand, verdankte er zumeist der Hilfe seines Freundes Lawrence. Als durch den Überfall auf Pearl Harbour, der Krieg mit Japan ausbrach, meldete er sich freiwillig zur Air Force. Gilbert konnte sich noch genau daran erinnern, wie die sehr bald folgende Einberufung für den unternehmungslustigen Scott direkt eine Erlösung bedeutete. Die Universität gestattete ihm eine Sonderprüfung und sprach ihm danach den untersten akademischen Grad zu. Scott war völlig zufrieden damit und veranstaltete eine turbulente Abschiedsfeier. Kurze Zeit später machte auch Gilbert sein Diplom als Dr.-Ing. und trat unmittelbar darauf bei der Convair Division ein, die durch eine Arbeit auf ihn aufmerksam geworden war, die Gilbert noch während des Studiums erfolgreich zum Patent angemeldet hatte. Es war eine Abhandlung über thermodynamische Probleme eines besonders leistungsstarken Düsenantriebs. Die sprunghaft ansteigenden Rüstungsaufträge veranlassten die großen Konzerne, ihre Forschungsabteilungen zu erweitern. Es war eine Zeit, in der junge Talente echte Chancen bekamen. Gilbert machte seinen Weg. Es war ein steiler Aufstieg, der ihn bei Kriegsende bereits als Leiter einer der wichtigsten Konstruktionsabteilungen sah. Er hatte Erfolge gebracht und Ansehen gewonnen. Sein Wort galt etwas bei der Convair Division. So war es ihm auch möglich gewesen, für seinen Freund Scott etwas zu tun, als er 1948 aus dem besetzten Deutschland für einen langen Urlaub zurückkam und sich in seinem puritanischen Elternhaus nicht sehr wohl fühlte. Gilbert lud ihn zu sich nach San Diego ein.
Wenige Tage, bevor er wieder abreiste, gestand Scott dem Freund, er hätte sich in Miss Betty Wilkins sterblich verliebt. Scotts begeisterte Schilderung des Mädchens hatte Gilbert erschreckt. Er mochte Betty auch gut leiden. Allerdings ahnte er damals noch nicht, dass sie immer nur dann zu Partys ging, wenn sie wusste, dass auch Gilbert da war. Das hatte er erst später erfahren, als Betty Wilkins schon Mrs. Sharper war. Auf eine solche Party hatte er einst seinen Freund, den vielfach dekorierten Jagdflieger Scott Sharper, mitgenommen. Kein Wunder, dass die junge Betty Wilkins auf einen Flirt mit dem schneidigen Piloten einging. Gilbert hatte das Mädchen zwar immer höflich, aber nie besonders herzlich behandelt, denn meist waren seine Gedanken auch auf den Partys bei irgendwelchen technischen Problemen. Man kannte das schon an ihm. Er hatte sich also selber zuzuschreiben, was dann geschah.
Der langgestreckte Leib der DC-8 neigte sich der Erde zu. Ein leichter Druck legte sich auf die Trommelfelle der Ohren. Der Zeiger des Höhenmessers an der vorderen Kabinenwand wanderte langsam, aber stetig dem Nullpunkt zu. Gilbert sah hinaus. Wolkenfetzen huschten am Fenster vorbei. Plötzlich tauchte Fort Worth auf. Gilbert konnte sich nicht verhehlen, dass ihn diese Stadt nicht besonders reizte. Er war felsenfest davon überzeugt, in Langley, am Ziel seiner Reise, würde es anders sein.
Langley war eine mittelgroße Stadt im Bundesstaat Virginia. Hier lag das Trainingscamp für Amerikas erste Raumpiloten.
Am Rande der Stadt, auf dem Gelände eines ehemaligen Militärflugplatzes, befanden sich die verschiedenartigsten Anlagen. Einem Uneingeweihten wäre es nahezu unmöglich gewesen, die Bedeutung und den Zweck all der Bauten zu erkennen. So spezialisiert ist der Ausbildungsweg eines Astronauten.
Während Dr. Lawrence Gilbert, den Flugplatz von Langley verließ und in ein Taxi stieg, hatte das Camp schon anderen, hohen Besuch. Eine Gruppe Air-Force-Offiziere, darunter auch der Stützpunktkommandant von Cape Canaveral, war zu Gast bei der NASA in Langley. Besonders General Kingsberry zeigte sich sehr interessiert, als die Militärs vom wissenschaftlichen Ausbildungsleiter des Camps, Mr. Harcroft, durch das Gelände geführt wurden.
"Nach welchen Gesichtspunkten sind denn eigentlich die zukünftigen Astronauten ausgewählt worden?" wollte er wissen.
"Es waren im Wesentlichen fünf Bedingungen, die jeder Kandidat erfüllen musste: eine ausgezeichnete gesundheitliche Kondition,