Название | Project Mercury |
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Автор произведения | Hans Müncheberg |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738016499 |
Hans Müncheberg
Project Mercury
-1961-
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
1
"T minus dreißig!"
Aus allen Lautsprechern des größten amerikanischen Raketenversuchsgeländes auf Cape Canaveral drang diese Zeitangabe. Jeder, der hier unter der heißen Sonne Floridas arbeitete, wusste nun: Dreißig Minuten blieben nur noch bis zu dem mit Spannung erwarteten ersten Flug einer voll ausgerüsteten Mercury-Pilotenkapsel über rund vierhundert Kilometer.
Keith Grandle, Cheftechniker der NASA-Arbeitsgruppe auf dem Cape, wiederholte die Zeitangabe und blickte zu Robert Hawker, der neben ihm am Kommandopult der technischen Zentrale saß. Hawker war der leitende Ingenieur aller Versuche, die von der NASA, der staatlichen Luft- und Raumfahrtbehörde der USA, mit der Redstone-Trägerrakete unternommen wurden.
Von dem etwas höher gelegenen Kommandoraum aus konnte man den Hauptraum der technischen Zentrale gut übersehen. Dort saßen in langen Reihen Ingenieure und Techniker vor den Überwachungs- und Messgeräten, die alles verzeichneten, was sich in dieser Sekunde in dem komplizierten Mechanismus der Rakete ereignete. Seit der letzten Startverschiebung vor zwei Tagen war keine Panne mehr eingetreten. Hawker wandte sich dem Zeitgenerator zu, der alle Messergebnisse kontinuierlich auswertete. Man konnte ihn direkt vom Kommandopult aus überwachen. Alle Kontrolllampen zeigten grünes Licht. Die aktive Kontrollphase war nun abgeschlossen. In den nächsten Minuten mussten alle Aggregate durch fehlerfreie Arbeit beweisen, dass die Rakete startbereit war.
Die Redstone stand aufgetankt auf dem fast acht Meter hohen Starttisch. Die unmittelbaren Startvorbereitungen vor der Zündung der Triebwerke erforderten die höchste Konzentration aller Ingenieure und Techniker.
Grandle beugte sich wieder zum Mikrophon.
"T minus fünfundzwanzig!"
Draußen, dicht am Ostrand der Insel, nicht weit von den flach auflaufenden Wellen des Atlantik, löste sich das fast fünfundzwanzig Meter hohe Wartungsgerüst langsam, Zentimeter um Zentimeter, vom leuchtend weißen Körper der Redstone-Rakete. Auf vier breiten Schienen glitt diese vielstöckige, fahrbare Montagewerkstatt zurück. Die Techniker verließen das Wartungsgerüst und den Starttisch und eilten zu den einige hundert Meter entfernt gelegenen betonierten Schutzbunkern. Warren Eastburn, der für die Pilotenkapsel Verantwortliche, trat zuletzt aus dem Fahrstuhl, der ihn von der obersten Etage zur Erde gebracht hatte. Tief atmend wischte er sich den Schweiß von der Stirn und wandte sich dem Jeep zu, der bereits neben dem Fundament des Starttisches auf ihn wartete. So schnell sein massiger Körper es ihm erlaubte, kletterte er auf den Sitz neben dem Fahrer.
Auf der Fahrt zum flachen, langgestreckten Bunkerbau, der die technische Zentrale beherbergte, trafen sie den Flüssigsauerstoffwagen, der nochmals zum Starttisch fuhr, um die Rakete nachzutanken.
Die Redstone stand frei auf dem Starttisch, nur noch durch ein dickes Mess- und Zündkabel mit der Zentrale verbunden. Einundzwanzig Meter hoch reckte sich der leuchtende Raketenkörper in den tiefblauen Himmel. Weiße Dampffetzen stiegen von seinem unteren Ende auf. Flüssiger Sauerstoff verdampfte. Hundertachtzig Grad Kälte herrschten dort, aber nur dort, denn alle anderen Außenthermometer auf dem Cape zeigten in dieser Sekunde vierunddreißig Grad Wärme an.
"T minus zwanzig!"
Unbarmherzig brannte die Sonne auf das flache, baumlose Gelände nieder. Nach Ansicht der Experten war es geradezu ideal gelegen. Kurz nach dem Ende des zweiten Weltkrieges hatten die Vereinigten Staaten begonnen, aus den Vorbildern der erbeuteten deutschen Großraketen A 4 eigene Projekte zu entwickeln. Bald reichten die Wüsten- und Steppengebiete für die Erprobung nicht mehr aus. Eine große Versuchsstrecke wurde gebraucht. Sie sollte nicht über das Festland führen, damit sowohl unerwünschte Beobachter als auch Unfälle durch abstürzende Raketentrümmer ausgeschaltet wurden. Als am besten geeignet stellte sich schließlich der mittlere Atlantik heraus. Er war nicht so unruhig wie zum Beispiel der nördliche Teil und garantierte auch ein stetiges, mildes Klima. Florida war das ideale Land für die Abschussbasis, wenn der Flugkorridor zu den Bahama-Inseln führen sollte. Nach langen Vorplanungen fiel die Wahl auf Cape Canaveral, jene schmale, meist nur wenige Kilometer breite Insel, die in einer Länge von fast hundertfünfzig Kilometern der Ostküste Floridas vorgelagert ist. Den Namen verdankte sie einer weit in den Atlantik vorstoßenden Verbreiterung. So besaß sie an dieser Stelle auch einen ausgedehnten, von der starken Brandung verschonten Südstrand. Ein besserer Platz für die Abschussrampen hätte nicht gefunden werden können. Die Insellage gestattete eine absolute Abschirmung des Geländes. Die Erfahrungen mit der Patrick Air Force Base kamen der Planung entgegen. Dieser Stützpunkt befand sich auf dem südlichen Zipfel der Insel Merritt, die zwischen dem Cape und dem Festland lag. So wurde zunächst von Titusville aus eine Verbindungsstraße auf das Cape gebaut, von Militärpolizei streng bewacht, und dann begann der Ausbau der technischen Einrichtungen. Jahre waren seitdem vergangen, Jahre, die den Namen des einst unbekannten Cape um die ganze Welt getragen hatten. Von hier aus wurde am 31. Januar 1958, vier Monate nach Sputnik I und drei Monate nach Sputnik II, der erste amerikanische Erdsatellit Explorer I ins Weltall gestartet. Das Trägersystem war die Vierstufenrakete Juno I, deren erste Stufe die militärische Kurzstreckenrakete Redstone bildete, ähnlich der, die in wenigen Minuten starten sollte,
"T minus fünfzehn!"
Grandle ließ den Blick über die langen Reihen grün leuchtender Kontrolllampen gleiten.
Die schwere Stahltür öffnete sich, und Warren Eastburn kam schnaufend herein. "Verdammte Schinderei. Eine Hitze ist das wieder!" Eastburn ließ sich ächzend in einen der drehbaren Stahlrohrsessel fallen. Er knöpfte das leichte Sporthemd etwas weiter auf. "Ich verstehe, ehrlich gesagt, nicht, Mister Hawker, wie Sie das immer mit Ihrem Seidenschal um den Hals aushalten?"
"Ganz einfach - ich schwitze nicht."
"Ich habe mal gelesen", bemerkte Grandle, "was gut ist gegen die Kälte, soll auch gut gegen die Hitze sein."
Eastburn