Cemetery Car®. Angelika Nickel

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Название Cemetery Car®
Автор произведения Angelika Nickel
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847675730



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die bisher in die Villa Punto gekommen sind, alles friedfertige Geister waren, so ändert sich letztendlich nichts daran, dass sie nun einmal Geister sind. Klar, brauchst auch du Gesellschaft, aber …, du musst auch uns verstehen. Und ein paar Tage, so ganz ohne das Jenseits, das ist, wie soll ich sagen …, eine Art Erholung für uns.« Kim war zu Evelyn hingetreten, umarmte sie, auch, wenn dies mitunter ein recht schwieriges Unterfangen war, denn Geister zu umarmen, darin brauchte es schon einige Übung. Doch Kim wurde von Tag zu Tag besser darin.

      Quentin beobachtete dies mit einiger Verwunderung. Wie leicht Kim es doch weggesteckt hatte, täglich mit Geistern konfrontiert zu werden, und dazu noch einen solchen im Haus leben zu haben.

      Er tat sich darin weniger leicht. Auch, wenn er, seit den damaligen Erlebnissen, kein Ungläubiger mehr war, was das Paranormale anging, so wehrte sich dennoch alles in ihm, dass dies nun zu ihrem täglichen Alltag gehören sollte. Geister, sie gehörten, aus Quentins Sicht, in Romane, Filme, Überlieferungen und Legenden, aber niemals in das reale Leben … Nur, darauf hatte er, seit dem Kauf von Cemetery Car und dem Einzug in die Villa Punto, keinen Einfluss mehr. Er musste sich damit abfinden und lernen, damit zu leben. Anders ging es nicht. Er hatte Evelyn schon so oft auf den Lichttunnel angesprochen, aber letztendlich hatte sie ihm nie so richtig eine Antwort gegeben. Was darauf schließen ließ, dass sie gar nicht vorhatte, in den Lichttunnel hineinzugehen. Und solange sie dies nicht von sich aus wollte, so lange würde der Tunnel für sie auch nicht erscheinen. Das war etwas, das Quentin mittlerweile erkannt hatte. Er musste, ob er wollte oder nicht, akzeptieren, dass er sein Leben mit dem Geist seiner verstorbenen Großtante Evelyn, zu teilen hatte.

      »Ich halte es für falsch, dass ihr fahrt. Ihr wisst noch nicht einmal, wo das genau ist, wohin ihr wollt.«

      »Tante Evelyn, mach dir doch bitte keine Sorgen. Wir sind nur für ein paar Tage auf dem Land. Mehr ist das nicht.«

      »Kim, sag das nicht derart leichtfertig dahin.« Sie machte eine vielsagende Pause. »Ich habe kein gutes Gefühl dabei. Wäre es nicht besser, wenn ich euch begleiten würde?«

      »Nein, danke, Tante. Ich brauche ein klein wenig Abstand von Geistern. Versteh das bitte.« Bei der Vorstellung, nun auch noch seine freien Tage mit dem Geist seiner Großtante verbringen, sie auch noch auf Urlaubsreisen, womöglich in seinem Gepäck, mitnehmen zu müssen, wurde Quentin ganz flau im Magen. Nein, das wollte er auf gar keinen Fall. Ein klein wenig Privatsphäre brauchte auch er, und wenn er dazu verreisen musste.

      »Quentin, auch, wenn ich dich verstehen kann, so bin ich mir nicht sicher, ob ihr ohne mich fahren solltet. Wie seid ihr eigentlich an dieses Angebot gekommen?« Evelyn wollte nicht, dass die beiden fuhren, das war offensichtlich.

      »Schluss jetzt, Tantchen. Du kannst dir, während wir weg sind, deine gesamten Geisterfreunde einladen. Vielleicht besucht dich auch Madame Zink einmal wieder. Alleine wirst du auf gar keinen Fall sein. Und wenn’s dir langweilig wird, dann kannst du Lavendelduft ohne Ende versprühen.« Quentin nahm Kims Koffer, winkte seiner Großtante noch einmal zu, und verließ das Haus.

      Kim tat es ihm gleich. »In ein paar Tagen sind wir wieder zurück, Tante Evelyn. Und das mit dem Lavendel, das war ein Scherz. Das hat Quentin nicht so gemeint. Nur manchmal riecht es ihm hier eben zu sehr nach Lavendel.«

      Die alte Dame kicherte. »Ja, Lavendel, dieser Duft, er riecht nach mir. Und genauso muss das auch sein. Somit wisst ihr immer, dass es mich noch gibt.«

      »Ist gut, Tante Evelyn. Tschüss! Bis in ein paar Tagen. Dann hast du uns wieder zurück«, lachte Kim und winkte Evelyn noch einmal zu. Sie selbst fand den Duft nach Lavendel, nicht als allzu störend.

      »Hoffentlich, Kim, hoffentlich.«

      Kim eilte Quentin hinterher. Er war gerade damit beschäftigt, die Koffer in Cemetery Car zu verstauen.

      »Weißt du, ein bisschen komisch, ist mir jetzt schon. Was, wenn deine Tante Recht hat und wir in eine Falle gelockt werden?«

      »Dummerchen, wer sollte uns in eine Falle locken wollen? Und weshalb? Wir haben die Mächte der Finsternis in die Hölle zurückverbannt, haben viele ihrer Kreaturen vernichtet, also ist unser Weg frei, und uns kann nichts passieren. Lass dich doch nicht immer von meiner Großtante derart kirre machen. Vergiss nicht, sie ist ein Geist, und noch dazu ein sehr alter.«

      »Nein. Sie mag alt gewesen sein, als sie gestorben ist, aber als Geist ist sie noch recht jung in ihrem Dasein.«

      »Auch recht, Kim. Wenn du willst, drück es eben auf diese Art aus.« Sein Blick legte sich schmunzelnd auf sie. »Doch jetzt steig‘ ein, damit wir von Silentsend endlich einmal wegkommen.«

      Kim tat ihm den Gefallen und nahm auf Cemetery Cars Beifahrersitz Platz.

      Während sie Silentsend verließen, dachte Kim an die Geschehnisse, die sich hier vor Hunderten von Jahren zugetragen hatten.

      Sie erinnerte sich an Andrea Imperato, an seine große Liebe Palermo, und an den gemeinen Valenco da Riga, den bösartigen Imperatoren, gegen den sie zu kämpfen hatten, damals … Bei ihrer ersten Begegnung mit den Mächten der Finsternis. Auch heute noch jagte es ihr einen Kälteschauer nach dem anderen, den Rücken runter, wenn sie nur daran dachte.

      3 - Der Fährmann

      »Super, und was jetzt?« Quentin war ausgestiegen. Er lehnte sich an Cemetery Cars Motorhaube und sah sich um. »Mist aber auch! Wir müssen uns verfahren haben. Irgendwo muss ein Schild gewesen sein, das ich übersehen habe«, schimpfte er, wütend auf sich selbst.

      Auch Kim stieg aus. Sie zog eine Zigarette aus ihrem Zigarettenetui und zündete sie an. Langsam ging sie auf Quentin zu, drückte sich zwischen seine Beine und lehnte sich an ihn. Den Rauch vor sich her blasend, sagte sie: »Ich habe keinen Wegweiser noch ein Hinweisschild gesehen.« Ihr Blick strich auf der Oberfläche des Wassers entlang, das vor ihnen lag. »Schön ist es hier. Und so ruhig. Schade, dass hier nicht das Hotel ist.«

      »Ja, zu schade, Liebes. Nur, wir müssen das Hotel finden, da geht kein Weg dran vorbei. Wir können ja schlecht hier unsere Zelte aufschlagen.« Ein grimmiges Lächeln zog um seinen Mund. »Zumal wir gar nichts zum Zelten mit dabei hätten.«

      »Schau mal dort hin, Quentin! Da hinten kommt ein Schiff. Vielleicht können wir die Leute fragen, wo das Hotel Shadowisland liegt. Wenn wir Glück haben, ist das eine Art Passagierschiff, das ebenfalls auf dem Weg zu dem Hotel ist.«

      »Das können wir tun, vorausgesetzt, der Kahn legt an dem Steg auch an.«

      »Kahn?« Die Frau kniff die Augen zusammen, um besser zu sehen, da das Sonnenlicht sie blendete.

      »Sicher, Kim, ein Kahn. Für ein Schiff ist es viel zu klein. Außerdem, wenn du mich fragst, ist da nur einer an Bord, und der steht am Steuerrad, oder was immer das auch sein mag.«

      Sie schlenderten an den Steg. Eile hatten sie keine. Wozu auch. Der Kahn war noch eine Strecke von ihnen entfernt. Kim zog ihre Schuhe aus. Sie setzte sich auf die ausgeblichenen Bretter des Stegs und ließ die Beine baumeln.

      Der Kahn kam näher.

      Je näher er kam, um so deutlicher erinnerte er sie an eine Fähre, wenn auch sehr klein geraten.

      Als die Fähre angelegt hatte, stieg ein Mann aus, verknotete das dicke Tau an einem Landehaken und lief auf die beiden zu.

      »Kannst du sein Gesicht sehen?« Kim wurde flau im Magen, sie dachte an Evelyns Warnung.

      »Nein. Vielleicht verträgt er die Sonne nicht, und versteckt deshalb sein Gesicht. Oder es ist einfach auch nur ein Zufall, dass wir sein Gesicht bisher noch nicht haben erkennen können.«

      »Quentin, dann hat er aber den falschen Beruf, wenn er Probleme mit dem Sonnenlicht hat.«

      »Hallo, wartet Ihr auf mich?«, rief ihnen der Fremde zu. Sein Gesicht war unter einer weiten Kapuze versteckt. Der schwarze Stoffmantel umrahmte seine Figur. Seine Füße waren eingehüllt in grobe Wanderstiefel.

      »Hallo«, rief Quentin