Das Erbe der Ax´lán. Hans Nordländer

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Название Das Erbe der Ax´lán
Автор произведения Hans Nordländer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738042412



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der als Mitglied des Bodeneinsatzkommandos meinte, auch bei dem letzten Akt ihres Abenteuers dabei sein zu müssen, aber schließlich fügten sie sich widerwillig in ihr Schicksal, das diesbezüglich mit einem Befehl von Neneema besiegelt wurde.

      Zum zweiten Mal an diesem Tag verließ die Raumfähre das Mutterschiff in Richtung Elveran. Wie sich die ZETRIS zurückzog, konnten sie durch die Fenster nicht mehr sehen, denn schnell verschwand ihr schwarzer Leib zwischen den Sternen. Der letzte und folgenschwerste Abschnitt des ganzen Unternehmens hatte begonnen.

      Der Pilot setzte Neneema und Taligh samt ihrer Kiste vor dem Eingang der Urwaldpyramide ab und zog sich dann wieder in die Umlaufbahn des Planeten zurück. Das Unternehmen, das sie jetzt begonnen hatten, barg einpaar ungewisse Risiken und weder der Pilot noch die Fähre sollten einer unnötigen Gefahr ausgesetzt werden, aber er sollte sich nicht so weit von ihrem Standort entfernen, dass er sie nicht in kürzester Zeit von der Planetenoberfläche zurückholen konnte. So bezog er einen stationären Beobachtungsposten einige Kilometer über der Urwaldpyramide und diente gleichzeitig als Verbindungsstation zwischen Taligh und Neneema und der ZETRIS.

      Osir und Gnum erwarteten die beiden bereits. Es war das erste Mal, dass die Oson in die unteren Bereiche der Pyramide eingelassen wurden. Durch einen vormals verborgenen Schwerkraftaufzug erreichten sie das erste Stockwerk unter der Grundfläche der oberen Pyramide. Jetzt war Taligh die Wirkungsweise des Schachtes kein Rätsel mehr und die »magische« Treppe, wie sie sie einst genannt hatten, hatte viel von ihrer ursprünglichen Magie verloren.

      Der Raum, den sie jetzt betraten, war nicht der, in dem die Sinaraner ihre Körper aufbewahrten. Doch er lag unmittelbar daneben. Unter diesem Stockwerk befanden sich die Räume mit den Energieaggregaten.

      Es war auch das erste Mal, dass die Oson einen Raum betraten, der Einrichtungsgegenstände und technische Geräte enthielt. Gnum erklärte, dass alles Inventar, das sie bisher in der Zeit versteckt hatten, wieder in die Gegenwart zurückgekehrt war. Würden sie jetzt die oberen Stockwerke untersuchen, dann würden sie die Räume in ihrem ursprünglichen Zustand vorfinden. Die wichtigsten Dinge befanden sich aber in der unteren, auf dem Kopf stehenden Pyramide. Wenn die Rückkehr in ihre Körper gelungen war, würden die Sinaraner die Pyramide nicht mehr benötigen und den Oson überlassen. Doch er bezweifelte, dass sie besonders interessante Dinge vorfinden würden, denn die gesamte Einrichtung war dreitausendsiebenhundert Jahre alt und somit verglichen mit dem gegenwärtigen technischen Niveau völlig veraltet. Einzig und allein die Maschine, die die Zeitverschiebung ermöglichst hatte, mochte für die Oson von einigem Interesse sein.

      „Ihr wollt also alles aufgeben?“, fragte Taligh.

      „Ja, und für einige Zeit wird die Pyramide und alles, was sich darin befindet, unverändert bleiben. Das bedeutet aber nicht, dass wir die Absicht haben, hierher zurückzukehren. Wir vermuten, dass auch ihr bald den Planeten verlassen werdet. Für drei Monate steht euch die Pyramide zur Verfügung. Was ihr gebrauchen könnt, gehört euch. Aber in drei Monaten wird sie mit allem, was sich dann noch darin befindet, endgültig verschwinden. Über dieser Pyramide liegt nämlich ein Geheimnis, von dem niemand außer uns etwas weiß. Sie ist die Schablone einer Pyramide unserer Heimatwelt, besteht aber nicht aus festem Material, wie ihr sicher immer gemeint habt. Sie besteht in Wirklichkeit aus einem Kraftfeld, dass die Struktur der Pyramide auf Kukul nachahmt. Nur die Gerätschaften im Inneren sind materiell. Aber auch sie werden vergehen, wenn sich die Pyramide sozusagen in Luft auflöst. Wenn wir wieder unsere Körper eingenommen haben, werden wir den Auflösungsmechanismus aktivieren.“

      Taligh wunderte sich über die Zuversicht der Sinaraner, dass alles reibungslos verlaufen würde. Immerhin befanden sie sich inzwischen über eintausendfünfhundert Jahre außerhalb ihrer Körper, da konnten sie auch bei den besten Überwachungsgeräten Schaden genommen haben. Aber er behielt seinen Zweifel für sich und hoffte, dass aus den Erwartungen der Sinaraner keine Tragödie wurde. Und was die Pyramide betraf: die drei Monate, die die Oson Zeit haben würden, um sie zu untersuchen, waren illusorisch, denn wenn sich Elveran tatsächlich in den nächsten Tagen verändern würde, würden sie diese Frist kaum noch nutzen können. Und niemand konnte sagen, welcher Art diese Veränderungen sein würden.

      „Was geschieht mit dem Chrysalkristall?“, fragte Neneema.

      Die beiden Sinaraner wurden nachdenklich. Anscheinend hatten sie darüber noch keine klaren Vorstellungen.

      „Das ist schwer zu sagen“, meinte Osir. „Wir hatten natürlich vor, ihn mitzunehmen. Schließlich haben wir ihn auch hierher gebracht. Doch jetzt haben wir Zweifel daran. Wer kann sagen, was er anrichten könnte. Würdet ihr nach allem Anspruch auf ihn erheben?“

      Jetzt wurden Taligh und Neneema nachdenklich. Doch dann meinte Neneema entschieden:

      „Nein, auch wir hatten uns vorgenommen, ihn für uns zu behalten, nachdem er euch die Rückkehr in eure Körper ermöglicht hat. Seltsam, wir hegen ähnliche Bedenken wie ihr. Vielleicht ist es daher besser, wir überlassen ihn euch.“

      „Wir haben uns über die Worte Alben Surs Gedanken gemacht und manche Dinge, die er sagte, lassen uns an unseren Absichten zweifeln. Schließlich werden wir darüber entscheiden, wenn alles zu Ende ist“, sagte Taligh.

      Hätten sie sich in diesem Augenblick beobachteten können, wäre ihnen ihre Unentschlossenheit amüsant vorgekommen. Sie hatten möglicherweise eine Auseinandersetzung um dieses Juwel der Macht erwartet, doch jeder von ihnen glaubte plötzlich, er traf seine Entscheidung, auf den Kristall zu verzichten, aus freien Stücken und aus der Einsicht, dass er ein zu gefährlicher Gegenstand war.

      Was jedoch keiner von ihnen ahnte, in diesem Augenblick standen sie, ob als Geist oder als irdisches Wesen unter dem Einfluss des Chrysalkristalles, der alles andere vorhatte, als mit ihnen den Planeten wieder zu verlassen, denn jetzt befand er sich endlich an dem Ort, an dem er die Wirkung entfalten musste, für die er einst erschaffen worden war.

      Der Chrysalkristall war kein seelenloses Mineral, hübsch anzusehen, wenn er zusammengesetzt war, aber erfüllt von einer inneren Leere. Er war von Anfang an als ein denkendes Wesen erschaffen worden, mit der dauerhaftesten Gestalt, die sich denken ließ und einem Bewusstsein dafür, was der Sinn seines Daseins war. Und sein Dasein war untrennbar mit dem Wesen Elveran verbunden. Für einen Ortswechsel jedoch war er auf die Hilfe beweglicher Wesen angewiesen.

      Dass Talighs und Tjerulfs Gruppe seine Fragmente gefunden hatten, war nicht zuletzt auf seine Mithilfe zurückzuführen, auch wenn die Umstände aus menschlicher Sicht kaum als berechenbar oder vorhersehbar gelten konnten. Trotzdem hatte er einen entscheidenden Einfluss auf die Umstände ausgeübt, und das über lange Zeiträume.

      Es war kein Zufall gewesen, dass er einst von Sinaranern auf einem Planeten entdeckt wurde, der sich in einer Frühphase seiner Entwicklung befand. Genauso wenig war es Zufall, dass er genau die Energie besaß, die es den Sinaranern erlaubte, mit wenigen Leuten die Überwachung der zahlreicheren Ax´lán durchzuführen. Die - unbekannterweise nicht ganz freiwillige - Ankunft eines ax´lánischen Gefangenentransportes auf Elveran war keine Notwendigkeit, aber eine der Möglichkeiten, in deren Folge der Kristall auf den Planeten gelangen konnte. Tatsächlich hatte der Kristall auf diese Entwicklung keinen Einfluss gehabt, aber die danach ablaufenden Ereignisse ließen ihn Elveran auf einen konsequenteren Weg erreichen, als es durch das Herbeiführen möglicher anderer Entwicklungen hätte geschehen können. Die Schandtaten, die später folgten, gehörten nicht zu diesem Plan und waren für das Wesen Elveran und den Chrysalkristall bedeutungslos.

      Die Sinaraner brachten den Kristall also auf diesen Planeten, hielten ihn aber in so guter Obhut, dass für ihn die Gefahr bestand, wieder von dem Planeten fortgebracht zu werden. Also musste er sich von den Sinaranern trennen, um seine Wirkung entfalten zu können. So brachte er die Ax´lán dazu, ihn bei einem Überfall auf die Sinaraner zu entwenden, und beeinträchtigte gleichzeitig für eine kurze Frist die Aufmerksamkeit seiner Hüter, bis der Raub unumkehrbar geworden war.

      Nach einigen weiteren seltsamen Geschicken ließ er es sogar zu, dass er in eben die berühmten sieben Fragmente zerlegt und für eine Weile an verschiedenen Orten auf Päridon versteckt wurde, denn noch war die Zeit seiner wahren Machtentfaltung nicht gekommen.