Vater und Klon. Wolf Buchinger

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Название Vater und Klon
Автор произведения Wolf Buchinger
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742780416



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alles verdauen kann.“

      „Was? Du hast den ganzen Topf Pastete ganz alleine gegessen, normalerweise muss der für sechs Personen reichen!“

      „Das war auch das Beste am ganzen Menü. Und du hast ja irrsinnig lang mit der Marie rumgeturtelt. Ihr Mann war ganz sauer. Da blieb mir ja nichts Anderes übrig als zu essen und zu essen.“

      „Nochmals pardon, pardon, Paul. Ich stehe in deiner Schuld. Wie kann ich dich trösten?“

      „Ich hätte da eine Idee. In der Zeitung habe ich schnell die Börsenkurse kontrolliert - und siehe da, ich hatte mal wieder ein goldenes Händchen. 194.000 Euro Gewinn an einem einzigen Tag, das hatte ich noch nie. Die können wir getrost auf den Kopf hauen, Zeit haben wir ja jetzt. Ich will wenigstens einmal richtig essen gehen. Wo ist das beste und teuerste Restaurant in Frankreich?“

      „Natürlich in Paris.“

      „Also, nix wie hin!“

      „Aber nicht im 2CV, das wird eine Quälerei, vor allem in der Stadt. Wir nehmen den TGV und lassen das Auto am Bahnhof stehen, das kennt sowieso niemand.“

      „Wann?“

      „Jetzt, ich bin schon auf dem Weg dorthin.“

      Die Verarbeitung von ein paar Tagen Paris

      „Danke Edouard. Das waren die drei schönsten Tage meines Lebens! Ich habe zum ersten Mal eine Art Tagebuch mit den schönsten Momenten dieses Aufenthaltes geführt und ich bin zum Souvenirjäger geworden: Ansichtskarten, Bierdeckel, Hotel- und Restaurantrechnungen - und in dem Silberturm habe ich einen Aschenbecher mitgehen lassen. Bei diesen Preisen dort liegt das ja wohl problemlos drin. Kannst du mir bitte das französische Gefasel an komplizierten, erfundenen Namen für die einzelnen Gänge übersetzen, ich habe nie gewusst, was ich denn so esse.“

      „Alors, der Gruß aus der Küche war Sticky-Reis mit Mango auf geeistem Atlantikwasser.“

      „Nicht schlecht, ich dachte, es wären speziell behandelte Austern.“

      „Gang numéro eins: Gegrillte Jakobsmuscheln mit frischem Knoblauch und Thai-Curry.“

      „Auch nicht schlecht. Meine Vermutung war, es wäre eine besondere Currywurscht.“

      „Die Hauptspeise: Freilandhuhn mit schwarzen Trüffeln, serviert in vier Gängen.“

      „Genauer, in vier Bissen. Ich habe immer die Servierschüssel festgehalten, weil ich dachte, der Ober würde den Rest wieder mitnehmen.“

      „Der große Wagen mit den 101 besten Käsesorten Frankreichs, das war mein Favorit.“

      „Nja, gestunken hat es wie auf dem Klo. Gott sei Dank konnte der Ober kein Deutsch, als ich von jedem die Hälfte verlangt habe.“

      „Und der feine Nachtisch: Crèpe wie zu Großmutters Zeiten mit Mandarine und Cointreau serviert.“

      „Ja, das war das Beste von allem. Ich habe der Likörflasche von hinten einen Stups gegeben, damit der Ober mehr reingießen muss.“

      „Und der Wein war ein achtjähriger Faugères, zwei Jahre im Eichenfass gelagert, der sogar die Goldmedaille an der Pariser Weinmesse gewonnen hat. Er kommt direkt vom Erzeuger.“

      „Hast du den Gesamtbetrag der Rechnung gesehen?“

      „Mon Dieu, mein 2CV ist ja weniger wert! Das sollten wir nicht allzu oft machen.“

      „Doch! Hierher müssen wir mit Raoul zur Feier seiner Geburt. Koste es, was es wolle. Und all die Souvenirs habe ich für ihn gesammelt. Er soll wie Gott in Frankreich leben. Und auf eine Sprachschule schicken wir ihn auch. Und nach Rom und nach London. Und nach Peking. Er soll Weltbürger werden und nicht wie ich in einem hinterwäldlerischen Städtchen hinter dem Ofen sitzen und vor Langeweile versauern.“

      „Das ist wohl jetzt vorbei.“

      „Okay, wie geht es nun weiter, wenn wir das Auto wieder am Bahnhof abholen?“

      „Wir fahren nach Süden, nein, nicht ans Mittelmeer, aber fast, sozusagen kurz davor. Lass dich überraschen. Aber nun sollten wir seriöser werden, unser Hauptziel ist doch nicht fressen, saufen und Geld aus dem Fenster werfen, wir sollten uns über die Erziehung und die Zukunft von Raoul einig werden. Wir müssen uns gut vorbereiten, denn die Chinesen werden das Ihrige tun, um ihn in ihrer seltsamen Mentalität zu erziehen: Untertänigkeit, Klappe halten, alle Forderungen der Partei erfüllen. Und er darf auch kein Luxussöhnchen werden, das mit goldenen Löffeln wie du geboren wird und Zeit seines Lebens nichts Vernünftiges mehr tun muss.“

      „He, das war jetzt hart!“

      „Stimmt aber. Er soll arbeiten lernen, sich durchsetzen können und kommunikativ sein und kein Eigenbrötler hinter dem Ofen, wie du es selbst gesagt hast. Er soll offen für alles Neue sein, von mir aus ein Global Player und am liebsten Politiker mit hohen Zielen.“

      „Nö, nö, bitte kein Politiker, er soll wohl dein Ersatzsohn werden, der in der nächsten Generation deine vermasselten Träume verwirklicht?“

      „Das ist unfair.“

      „Wie du mir, so ich dir!“

      „Er soll etwas Ordentliches werden und konkrete Dinge tun.“

      „Ich schweige.“

      „Architekt, Arzt, Forscher, Pilot, von mir aus auch Künstler, dessen Werke man versteht. In jedem Fall möchte ich stolz sein auf das, was er machen wird.“

      „Paul, wir haben zum ersten Mal gravierende Meinungsverschiedenheiten. Sollen wir nicht das Problem vertagen und vor allen Dingen nicht im Zug diskutieren, wo jeder uns zuhören kann?“

      „Ja, ja, wir sind sowieso gleich da. Bitte fertigmachen zum Umsteigen in Frankreichs Schaukelstuhl!“

      „Wer meinen 2CV beleidigt, beleidigt mich.“

      „Verstanden. Ich nehme den Schaukelstuhl zurück und nenne ihn ‚die fliegende Ente‘.“

      „Schon besser und fast korrekt.“

      Der Morgen danach

      „Ich hoffe, dass sich die schwarzen Wolken in unsrer Beziehung über Nacht verzogen haben.“

      „Es ist bei uns ja schon wie bei einem Ehepaar: Am häufigsten gibt es Krach wegen der Erziehung der Kinder.“

      „Ich sehe es positiv, dass wir uns streiten können und nachher wieder ganz normal miteinander sprechen, … das sollte Raoul auch können.“

      „Volle Übereinstimmung. Und wenn wir gerade die Fronten klären, ich habe bisher nicht getraut zu fragen, ob ich wie bisher ‚Edouard‘ zu dir sagen soll oder deinen richtigen Namen ‚Pierre‘ benutzen darf, so wie dich Marie-Laure liebevoll genannt hat.“

      „Non, non! Pierre gibt es nicht mehr, der ist irgendwohin verschwunden. Auch ich habe ihn aus den Augen verloren. Edouard ist meine Identität und so soll es auch bleiben. Und ein letztes Problem, das nur mich betrifft: Ich bekomme Nacht für Nacht lange Mails und SMS von … von meiner leider immer noch geliebten …“

      „Marie-Laure. Oh ja, das hat man gleich gesehen, dass du da noch ein heißes Eisen im Feuer hast. Mein unmaßgeblicher Tipp: Entscheide dich für oder gegen sie, schaffe aber Klarheit. Alles andere wäre Quälerei für beide.“

      „Paul, was würdest du machen?“

      „Oh je, als Freund sage ich, lass sie in ihrem Umfeld, dort ist sie zuhause. Träumt lieber ewig voneinander und vermeidet jeglichen weiteren Kontakt. Nachdem ich aber gesehen habe, wie gut sie aussieht und wie sie dich anhimmelt, schnapp sie dir, so was Tolles kriegst du nie mehr wieder. Ja, ich weiß, dass das kein guter Rat ist, ja, ja, ich lege da auch meine eigenen Träume hinein. Ein solches Angebot hatte ich leider nie, nie …“

      „Willst