Vater und Klon. Wolf Buchinger

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Название Vater und Klon
Автор произведения Wolf Buchinger
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742780416



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wieder da und damit haben die Sorgen ein Ende. Was meinst du, was ich alles in die Wege geleitet habe, um Kontakt zu dir zu bekommen? Schrecklich, dass sie mit deinem Namen auf meine Mails geantwortet haben. Nein, ich bin jetzt unwichtig, erzähl du, Komm, da drüben ist ein ruhiges Café …“

      „… und daneben sehe ich eine Wein-Bar, ich habe Nachholbedarf.“

      „Mist, Madiran kennen die hier nicht. Ich habe einen Cor-bières bestellt, das ist ein naher Verwandter, quasi der Cousin.“

      „Ja, damit kann man leben, vor allem nach Wochen der Enthaltsamkeit.“

      „Erzähl!“

      „Oui, mon Général!“

      „Du siehst blendend aus, hast abgenommen und du bist braun gebrannt wie nie zuvor. Die Frauen werden dir nachlaufen. Hast du das für Elisabeth gemacht?“

      „Sozusagen ja, am Schluss haben sie mich auf eine ihrer

      Yachten gebracht und wir sind irgendwo durchs chinesische Meer geschippert, immer dorthin, wo die Sonne scheint, nie an Land, aber die Fischerboote hatten alle eine chinesische Beschriftung. Tja, du siehst, ich kenne die Gegend.“

      „Und die chinesische Mauer?“

      „Pöh, alles Bluff, ich durfte das Hochhaus nie verlassen, habe von oben ein paar Hütten gesehen, in der Ferne die Lichter einer Stadt. Fertig, aus, das war mein China. Wahrscheinlich wollte es die Führung nicht, persona non grata. Raoul wird es erst einmal genauso gehen. Aber bevor ich weitererzähle: Ich hatte verdammt viel Zeit nachzudenken und dabei ist mir bewusst worden, dass unsere Träume, mit Raoul eine Weltreise zu machen und ihn hierher zu uns zu holen, wahrscheinlich eine Illusion sind. Er ist ein Forschungsobjekt, dem in einer weiteren Stufe die ganze politische Elite folgen wird, er muss wohl ewig dortbleiben, wahrscheinlich ebenso eingesperrt wie ich. Ich habe den Vertrag mehrfach durchgelesen, es steht nirgends etwas auch nur Annäherndes drin, wem er dann gehören wird. Ich mache mir Sorgen. Vielleicht wird mir gar nichts anderes übrigbleiben, als nach China auszuwandern. Ich ahne Schlimmes.“

      „Es könnte noch einen Grund geben, dass du Chinese wirst. Ich habe meine Zeit genutzt, habe recherchiert und habe herausgefunden, warum ausgerechnet du geklont wurdest.“

      „Wegen meines Geldes?“

      „Falsch, total falsch!“

      „Wegen meines Aussehens!“

      „Noch falscher.“

      „Wegen meiner Souveränität.“

      „Kein Kommentar.“

      „Mein Gott, mir fällt nichts mehr ein, sag es mir!“

      „Lieber Paul, du musst jetzt ganz stark sein, trink erst mal einen großen Schluck. Ex? Okay, umso besser. Du sitzt fest im Sessel? Du hältst dich an den Lehnen fest? Und du bist bereit, den Grund zu erfahren?“

      „Jetzt bist du wieder ein echter Franzose mit deiner großen Show um Nichts.“

      „Alors, meine Recherchen haben ergeben, dass du eine sehr, sehr große Ähnlichkeit mit dem verstorbenen Professor Ming hast. Fazit: Elisabeth will ihn über deinen Klon quasi wieder zurückholen.“

      „Gut, dass ich sitze, … das ist hart. Oh, jetzt verstehe ich einiges! Sie hat mich mehrfach geküsst und hat mich oft mit seltsam glühenden Augen angesehen. Und ich Rindvieh dachte, dass dies an meiner Ausstrahlung liegt. Zum Wohl!“

      „Ex! Ich brauche noch eine Flasche.“

      „Lass uns ein paar Momente schweigen, ich muss mich neu sortieren.“

      „Non, non, du kannst unterwegs nachdenken, wir gehen jetzt sofort hier raus und setzen unser Gespräch zuhause im Garten fort.“

      „Bei diesen Temperaturen? Ich komme aus dem tropischen China.“

      „Okay, wir machen den Aussenkamin an, der heizt ganz schön ein.“

      China ist überall

      „Cousin hin, Cousin her, ein Madiran ist das klar süffigere Familienmitglied. Zum Wohl, Edouard. Danke für deine Treue und das lange Warten. Warum haben wir so schnell die Weinbar verlassen? Wegen dem Corbières?“

      „Oh nein, ich hatte dort erst nur so ein Gefühl und dann die Gewissheit. Als wir reinkamen, war die Bar leer, nur der Ober stand hinter dem Tresen. Zwanzig Sekunden später waren es drei mehr: zwei Europäer und ein ziemlich chinesisch aussehender Typ. In Lodenmänteln, die sie nicht ausgezogen haben …“

      „James Bond lässt grüßen …“

      „Mir ist nicht zum Scherzen, ich habe den dringenden Verdacht, dass wir überwacht werden.“

      „Von Elisabeth oder ihrer Regierung?“

      „Eher letzteres.“

      „Das würde durchaus zu meinen Erfahrungen dort hinten passen: Überwachen oder einsperren. Oder beides.“

      „Sicher beides. Denn erstens ist Elisabeth nur eine geduldete Ausländerin, zweitens macht sie Dinge, die für die unerklärlich, also gefährdend und gefährlich sind, drittens bist du auch ein Westler und noch Kapitalist dazu und viertens weiß man nie, was ein Klon so alles bewirken kann. Sie haben nur Angstphantasien, keine echte Kommunikation, keine positive Einstellung zum Fortschritt. Sie wollen nur ihre Führungsansprüche zementieren. Und das geht halt am besten mit der totalen Kontrolle. Ich bin sicher, dass unser Haus total verwanzt ist. Ich habe zwar schon überall nachgeschaut und nichts gefunden, aber mit den heutigen Methoden muss man auch gar nichts sehen. Vielleicht haben sie einen Satelliten auf uns gerichtet oder oben auf dem Kirchturm eine Fernüberwachung. Hier draußen vor dem Kamin sind wir sicher. Hoffentlich. Aber nicht mehr lange, morgen früh ist auch hier Überwachungszone.“

      „Und auf dem Klo?“

      „Gerade dort denkt man, dass man sicher wäre. Error. Also donnere gesitteter und nicht so heftig, damit sie keine Ohrenschmerzen kriegen!“

      „Oder erst recht laut, Rache muss sein.“

      „Hat dich nicht gewundert, dass Elisabeths Verflossener ‚Ming‘ heißt und hundertprozentig europäisch aussieht?“

      „Oh, wenn du es jetzt sagst, ja, ich bin manchmal ein Spätmerker.“

      „Ich bin stolz, nach endlosen Recherchen die Lösung gefunden zu haben. Es ist eine so typische chinesische Geschichte: Professor Ming ist das ungewollte Kind einer Italienerin, die sich im Reich des Drachens freiwillig in den Dienst der Liebe zur Verfügung gestellt hat. Irgendein dahergelaufener europäischer Seemann hat sie dann geschwängert, - und da es so etwas in diesem Lande nicht geben darf, hat man ihn in eine staatliche Pflegefamilie gegeben, wo er durch besondere Intelligenz in der Schule aufgefallen ist und bald seine Karriere mit Studium in Deutschland begonnen hat.“

      „In Sachsen …“

      „Ihr Deutschen seid ja schlimmer, als wir in der Grande Nation. Bei uns wären das die Bretonen. Und den Rest seiner Geschichte kennst du.“

      „Super gemacht. Für mich persönlich heißt das, dass ich vielleicht auch italienische Vorfahren hatte.“

      „Dein Temperament sagt etwas ganz Anderes.“

      „Na, was denn?“

      „Deine Vorfahren waren Inuits oder so was, die den ganzen Tag im Iglu rumhockten und Knochen gezählt haben.“

      „Och nee, so etwas kann nur ein Elsässer sagen, der immer noch nicht so recht weiß, ob er Franzose oder Deutscher ist.“

      „Isch habe misch längschtens schon entschieden, ich stehe auf der Seite des Genusses und der echten Gefühle.“

      „Ich liebe China!“

      „Warum schreist du plötzlich so sinnlos?“

      „Psst! Das haben sie