HIPPIE TRAIL - BAND 2. Wolfgang Bendick

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Название HIPPIE TRAIL - BAND 2
Автор произведения Wolfgang Bendick
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742797063



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bis der Ingenieur seinen Hebel mit dem Zeiger in Deckung gebracht hatte. Dann machte er sich daran, die Befehle umzusetzen, das heißt, die Maschine auf die verlangte Laufart einzustellen. Von den Kesseln führten enorme Abgasrohre nach oben in den Schornstein und bildeten hoch über den Decks die schwarze Rauchfahne, die für Dampfschiffe so typisch ist.

      Beim Essen saß ich mit John und ein paar anderen Westlern am selben Tisch. John, der manchmal, wie er sagte, sich als Kellner ein Zubrot verdiente, hatte mir eine Jacke und eine Krawatte ausgeliehen. Auf Schiffen geht Tradition vor, und zum Essen, vor allem für die Bälle, war schicke Kleidung Pflicht. Die irische Familie hatte einen eigenen Tisch. Die Atmosphäre war aber ungezwungen, weil Passagiere aus allen Kulturkreisen an Bord waren und alles auf gutes Einvernehmen ausgerichtet war. Ich musste den Stewards regelrecht einen Befehl geben, damit sie nicht immer neben mir standen, um einen Wunsch zu erfüllen oder erst zu wecken. Alle sprachen miteinander, bei den Fest-lichkeiten waren erste und zweite Klasse gemischt. Die Zwischendecks waren fern und manchem der Passagiere bestimmt unbekannt.

      Bei einer solchen ‚Pflege‘ ging es mir täglich besser und ich kam mir fast vor wie auf einer Kur (so stellte ich mir das jedenfalls vor). Am zweiten Abend machte ich mich daran, meine erste Meerschaumpfeife seit geraumer Zeit zu stopfen. Im Bordladen hatte ich holländischen Tabak entdeckt, den gleichen, wie damals in Peshawar, der bis hier gehalten hatte. „Hang on!“ sagte John, „put in a bit of this!“ Und zu meiner Überraschung legte er ein Stück Haschisch auf den Tisch. Ich konnte es nicht glauben, dass ein 30Jahre älterer Mann Haschisch rauchte. Ich nahm das Piece und roch erst mal daran. Ich wollte sicher sein, dass er mich nicht verarschen will. Es war echt. Sogar gutes! Er weidete sich an meinem Erstaunen. „Es sind nicht die Hippies, die das Haschrauchen erfunden haben!“ meinte er. Es war weich. Ich brach ein kleines Stück davon ab und klemmte es zwischen zwei Zündhölzer. Mit einem anderen, brennenden, erwärmte ich es, bis ein kleiner Rauchfaden aufstieg. Dann bröselte ich es auf den Tabak, vermischte beides, und stopfte alles in die Pfeife. Ich überließ ihm die Ehre des Anrauchens. Spät in die Nacht hinein lagen wir dann an Deck in den Liegestühlen, schauten in den Sternenhimmel und erzählten einander die größten Momente unserer Seefahrtszeit.

      Wir machten einen Zwischenstopp in den Nicobaren. Das ist eine Inselgruppe, nicht weit von Sumatra, die zu Indien gehört. Das Schiff ging für einen guten halben Tag vor Anker. Ein Dutzend schutengleicher Lasten-segler kam zu uns gefahren und legte sich geschickt auf beiden Seiten der Rajula längsseits. Es waren grobe hölzerne Kähne, so 5 Meter breit und an die 20 lang. Ein schwacher Wind blies sie unter einem großen Lateiner-segel zu uns heran. Einmal ihre Ladung abgeliefert, die mit den dampfgetriebenen Ladegeschirren an Bord gehievt wurde, stiegen die hier ausschiffenden Passagiere ängstlich in die in der leichten Dünung schaukelnden Schuten. Dann wurden die langen Bambusrahen der Segel mit den vereinten Kräften der halbnackten Mannschaft gehisst, die Leinen fielen ins Wasser, und schon nahmen sie Fahrt auf zu den verschiedenen Inseln. Andere Segler nahmen deren Platz ein. Es war ein reges Kommen und Gehen. John und ich standen auf einem der oberen Decks über die Reling gebeugt und bestaunten diese urtümlichen Schiffe. Kein Draht, keine eisernen Teile. Alles nur Holz und Fasertauwerk. Selbst die Blöcke (Rollen), die zum Setzen der Segel dienten, waren aus Holz!

      Am Abend rauchten wir John’s letztes Haschisch. Man wusste nicht, wie der Zoll auf Penang uns empfangen würde. Das Beste war, clean zu sein. Singapur lag in Reichweite. Jeder wusste, dass man dort mit langen Haaren kein Visum bekam. Also bat ich John, so schwer es mir auch fiel, mir die Haare zu schneiden, das Werk von zwei Jahren Wachstum zunichte zu machen! Aber da war noch ein anderes Problem. Ich kramte in meinem Rucksack und zog zu John’s großem Erstaunen den Revolver hervor. „Was willst du denn damit?“ Ich wog ihn in der Hand. „Habe ich bis jetzt nicht gebraucht, werde ihn wohl in Zukunft auch nicht brauchen!“ Das Bullauge stand offen, damit frische Seeluft in unsere warme Kabine kommen konnte. In hohem Bogen warf ich ihn in das andamanische Meer. Die Handvoll Patronen folgte. Ich hörte nicht einmal das Platschen, so schnell pflügte die Rajula die See. „Wenn doch alle so handeln täten“, meinte John, „dann wäre bald Frieden auf Erden!“

      DAS VERGESSENE PARADIES

      Vierundzwanzig Stunden später machten wir in George Town, einem Hafen auf der Insel Penang, nicht weit vom malaysischen Festland fest. Endstation. Hier trennten sich unsere Wege. John ging nach Kuala Lumpur. Er kannte dort einen Hotelier, wo er hoffte, etwas Jobben zu können. Hirohito ging in dem Menschengewühl verloren. Ich traf ihn nie wieder. Auf den ersten Blick unterschied sich Südost-Asien von Indien durch die anderen Rikschas. In Indien sitzen die Passagiere hinten, hier sitzen sie vorne. Gewissermaßen in einem lenkbaren großen Sessel, mit zwei Rädern seitlich daran. Der Fahrer sitzt also hinten, auf einem fast normalen Fahrrad-Hinterteil, das an dem Sessel beweglich angebracht ist. Zum Lenken dient ein großer Bügel, der hinter der Sofalehne befestigt ist. Daran befinden sich auch die Bremshebel, Klingel oder die Hupe mit Gummiball. Ich quartierte mich in einem billigen Hotel ein. Jemand, der kein Wort Englisch verstand, hatte mich hierher geführt. Ich kam mir vor wie in Japan. Die Innenwände waren aus Pappkarton. Andere Länder, andere seismische Normen, dachte ich. Ich ließ dort mein Gepäck und ging auf Erkundung und Nahrungssuche.

      Der Stadt war eine Pfahlbausiedlung vorgelagert. Den Dutzenden hölzernen Lastkähnen und Lastseglern, die zwischen der Mole und den Pfahlbauten dümpelten nach zu schließen, wohnten hier deren Eigner und die Mannschaften mit ihren Familien. Manche dieser Stelzenhäuser waren unbewohnt und in schlechtem Zustand. Wahrscheinlich machte die Motorschifffahrt den Seglern die Existenz schwer. Viele Obdachlose oder Kriegsflüchtlinge aus Vietnam und den angrenzenden Ländern hatten sich hier einquartiert und führten ein ärmliches Dasein. Kinder spielten auf den die Häuser umgebenden Laufstegen Fangen und sprangen von da aus ins Wasser, bevor der Fänger sie erwischte. Für sie zumindest war hier das Paradies.

      Die Stadt selber quoll über von Läden. Penang war Freihandelszone und fast jeder Bewohner schien das auszunutzen. Es ging eine Fähre zum nahen Festland, und wer sie nahm, musste zuerst durch den Zoll. In diesem Durcheinander von Läden aller Art fand ich auch eine ‚Travel Agency‘. Hier bestätigte man mir, dass das Schiff von Singapur nach Fremantle auf zwei Monate ausgebucht sei. Man empfahl mir, eher hier zu buchen. Für Singapur bekam man in der Regel nur ein eintägiges Transitvisum. Hier in Malaysia konnte ich ohne Visum drei Monate bleiben. Doch die Geschäftsführerin tröstete mich. Oft würden in letzter Minute Tickets gecancelt, also zurückgeben. Es bestünde eine Chance, früher wegzukommen. Ich hinterließ also dreißig Dollar als Anzahlung und meine Adresse im Aung Youn Hotel und versprach, bald wieder reinzuschauen, damit mir das Ticket nicht vor der Nase weggeschnappt würde!

      Für meine Zukunft war also vorgesorgt. Jetzt wollte ich mich um meine Gegenwart kümmern. Und die hieß Essen. Ich kannte die Preise nicht, hatte gerade ein paar US Dollar in Malaysische Dollar umgetauscht, und ließ mich überraschen. Wenn ich die Bevölkerung auf den Straßen betrachte, könnte man sagen ¼ Inder, ¼ Chinesen, ½ Malaien. Vielleicht sind die Malaien ein Mischprodukt von beiden? Die indische Küche kenne ich. Also heute mal die chinesische! Ich betrachte die Schilder der Restaurants. Daran sieht man, welche Küche serviert wird. Oder man schaut auf den Koch. Und außer seiner Herkunft erkennt man an ihm auch die Güte seines Essens: je dicker der Koch, desto besser die Speisen! Man bringt mir die Speisekarte auf Englisch. Doch selbst die ist für mich wie Chinesisch. Ich kann mir nichts unter den Namen der Gerichte vorstellen. Also führt mich der Kellner in die Küche und ich zeige auf das, was ich gerne essen möchte, und der Koch bereitet mir einen gemischten Teller. Dazu Essstäbchen und einen großen Porzellanlöffel in Schiffchenform für die Suppe! Während ich auf mein Essen warte, schaue ich den anderen zu, wie sie die Stäbchen anfassen. Sie handhaben diese so geschickt, dass ich fast neidisch werde. Bei mir führte jedes Stäbchen sein Eigenleben. Langsam wurde dabei mein Essen kalt. Bei den anderen Gästen sah ich, dass sie, wenn nicht mehr viel in der Schüssel oder auf dem Teller verblieb, sie diesen vor den Mund hielten und den Rest mit den zwei Stäbchen nebeneinander in den Mund schoben. So machte ich es dann auch. Ich fing gewissermaßen mit dem Ende an. Ich war überrascht über die gute Zubereitung. Man schmeckte das, was man gerade aß. Die Gewürze dienten nur zur Geschmacks-hebung. Dazu ein kühles Bier, denn hier war Alkohol erlaubt. Und