Название | Silber |
---|---|
Автор произведения | Hans.Joachim Steigertahl |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738034127 |
Lemesós (Limassol), Zypern, September 1248
Genuesische Galeere um genuesische Galeere lief in den Hafen von Lemesós ein, entlud ihre Ladung aus Rittern, Knappen, Knechten, Pferden, Rüstungen, Waffen, Mätressen, Nahrungsmittel, Weinkaraffen….. Was immer das riesige Kreuzfahrerheer brauchte, musste herbeigeschafft werden, und die Republik Genua konnte ihre Schiffe nicht besser einsetzen als zum Transport all dieses – auch wenn jedes hundertste Schiff als Spende umsonst fuhr!
Für die meisten Kreuzfahrer, gleich welchen Standes, war die Überfahrt unangenehm gewesen – das Schwanken des Schiffs auch bei ruhigem Wind, die Enge, der Gestank, das ständige Getrampel der Tiere, das meist brakige Wasser, das eintönige, nur aus Getreidebrei bestehende Essen morgens, mittags und abends. Für einige hundert Ritter und ihr Gefolge war die Überfahrt allerdings bereits das Ende des Kreuzzuges geworden.
Ein Verband von 10 Galeeren, wie immer begleitet von zwei wendigen, schwer bewaffneten Zweimastern der genuesischen Marine, war östlich von Syrakus in einen schweren Sturm geraten. Die Wellen waren so gewaltig, dass die Ruder wie Zweiglein brachen. Der eine Zweimaster verlor beide Masten und trieb nach wenigen Minuten kieloben über einen Wellenkamm, der andere ritt, nur mit der Fock segelnd, den Sturm unter dem Schutz der Küste Siziliens aus und brachte später die Nachricht nach Lemesós, dass alle zehn Galeeren gesunken seien – und mit ihnen ein fast unersetzlicher Truppenteil.
Jean de Beaumont fluchte gotteslästerlich, als er im Zelt König Ludwigs die Neuigkeit vernahm. Der Kreuzzug, zu dem er mit solcher Freude aufgebrochen war, hatte in den wenigen Wochen seit dem Kreuzeid seine Stimmung schwer getrübt. Als Kämmerer des Königs sah er die Ströme an Gold und Silber durch seine Hände fließen, die nötig waren, um nur die Kosten des Hofes und den Transport zu bezahlen – die Ritter mussten für sich und ihr Gefolge selbst aufkommen. Und die Beschaffung der Münzen aus Franzreich war jedes Mal ein gewagtes Spiel, denn längst hatte sich unter den Piraten herumgesprochen, dass die Schätze Franzreichs in Säcken in ihrer Nähe herumsegelten. Wenn dann auch noch viele Kämpfer gar nicht am Etappenziel ankamen, schwächte das die Kampfeskraft und den Kampfeswillen. Schlimmer aber war, dass der König den Genuesern zusagen musste, dass er für mögliche Verluste aufkommen würde. 10 Galeeren und eine Brigantine würden ihn mehr kosten als die Verpflegung des ganzen Heeres für einen Monat – und es war schon Herbst!
Heinrich von Meißen sah seinen Freund an und wusste, dass er jetzt die Seite des Freundespaares sein musste, diefür die schöneren Seiten des Lebens zuständig war. „Lass das Geschimpfe, Jean. Wir sind um unseres ewigen Lebens willen hier, und das Geld, das verloren ist, war doch sowieso nicht Deines! Lass uns dieses Zeltlager wenigstens heute Abend einmal verlassen und uns im Städtchen vergnügen!“ „Du hast Recht! Genug des Ärgers für heute. Komm, wir kleiden uns wie einfache Soldaten und nehmen nur ein Beutelchen mit meinem Geld mit.“ Gesagt, getan. Der treue Gernot blieb zurück mit dem Auftrag, beide Rüstungen zu reinigen und für Nachschub an Wein und Käse zu sorgen.
Als sie das Lager verlassen hatten, sagte Jean: „Eine gute Idee von Dir, Henri. Wir haben bisher noch nicht ein einziges Mal über die Stränge geschlagen – und das, wo uns unsere zukünftigen Sünden doch bereits vergeben sind! Pierre La Motte hat neulich im Zelt des Königs Ludwig von einer Kneipe gesprochen, die noch so unter byzantinischem Einfluss steht, dass sie sauber ist, aber Zicklein vom Feinsten und vorzüglichen Wein serviert. Und was Pierre sonst noch so erzählte - lassen wir uns überraschen.“
Wie von selbst führte sie der Weg vom Lager gleich hinter dem Hafen den Hügel hinauf in die Richtung der Hochburg. Das geschäftige Treiben und die Verschiedenheit der Menschen beeindruckten Heinrich immer wieder. Ein bärtiger, dunkelhaariger Fischverkäufer mit blauen Augen hatte seinen Stand neben einem Obsthändler, der ganz offensichtlich afrikanischen Ursprungs war und für den Thüringer unbekannte Früchte lauthals anpries. Auf zweirädrigen Karren wurden Waren von Männern transportiert, die so mancher Erzählung in den trauten Winternächten entsprungen zu sein schienen: hochgewachsener Berber mit ihren blauen Turbanen überholten sehnige, aber viel kleinere Araber in ihren wehenden Gewändern, beide machten einem offenbar wohlhabenden Juden Platz, der durch seine Kopfbedeckung, die Kippa, und seine Schläfenlocken ganz eindeutig als orthodoxer Jude gekennzeichnet war, selbst wenn das wegen seines Gesichtsschnittes nicht nötig gewesen wäre. Sein Knecht, der den Karren schob, war unzweideutig ein Sklave aus Nordeuropa. Osmanen, Griechen, Italiker, Berber, Nubier, Ägypter – Lemesós war wahrhaftig ein Schmelztiegel der Völker. Und wie überall in von Christen beherrschten Gegenden des Orients mischten sich verschleierte wie unverschleierte Frauen und Mädchen in das Gewühl, während die Kinder zwischen den Erwachsenen herumwuselten. Die Mischung aus orientalischem Handel, dem Durcheinander von Religionen und Kulturen und der dominanten Anwesenheit von vor allem französischen Knechten und Knappen machten aus der verschlafenen Hafenstadt, die erst durch Richard Löwenherz, der hier während des dritten Kreuzzugs geheiratet hatte, bekannt geworden war, einen brodelnden Kessel aller menschlichen Eigenschaften. Raub, Erpressung, Todschlag, Mord, Vergewaltigung waren hier genauso an der Tagesordnung wie Hilfsbereitschaft, Almosen, Dankbarkeit und Hingabe.
Als die beiden fast auf dem Hügel angekommen waren, zeigte Jean auf eine kleine Gasse, die halblinks wieder den Hügel hinabzuführen schien. „Dort hinein!“ Wenige Schritte später standen sie vor einem zweistöckigen Haus, von dem nur das Eingangstor mit den schweren Türflügeln und der Inschrift „Λεμεσός“ (Lemesós) darüber zeigte, dass es sich hier um mehr als eine Mauer handelte. Auf Jeans Pochen hin wurde der eine Torflügel einen Spalt weit geöffnet und ein finsterer, riesiger Bursch mit Vollbart und dem Krummschwert an der Seite musterte sie. „Kein Eintritt für Knechte und anderes minderwertiges Volk“ fasste seinen Eindruck von den beiden, die eintreten wollten, zusammen und er versuchte, den Torflügel wieder zu zudrücken. Jean stellte seinen stiefelbewehrten Fuß in den Türspalt fingerte nach seinem Beutel und drückte dem Riesen eine Münze in die Hand. Der schaute das Geldstück nicht einmal an, sondern ließ seinen Daumen über die Oberfläche gleiten, öffnete mit einem schiefen, aber wohlwollenden Lächeln die Tür und sagte: „Oh, die Herren sind verkleidete Ritter – eine gute Vorsicht! Herzlich willkommen im Lemesós.“
Sie traten durch das Tor und kamen in einen kaum beleuchteten Gang; in den Nischen der dicken Festungsmauer standen Statuen fremder Götter und vor allem Göttinnen, die vom Aussehen her wenig mit Küchenfeen zu tun hatten. Am hinteren Ende des Ganges tat sich eine Türwölbung auf, durch die helles Licht fiel. Jean und Henri traten durch diese Wölbung und standen in einem Innenhof: an allen Seiten gab es Säulengänge, in der Mitte plätscherte ein Springbrunnen und Heinrich stellte mit einem Blick an den Himmel erstaunt fest, dass der ganze Hof mit einem festen Dach überdeckt war. Das Licht, das sie bemerkt hatten, kam von Fackeln, offenen Feuerschalen und Kerzen, die in den beiden Etagen der Säulengänge geschickt verteilt waren, dass das ganze Atrium erleuchtet, aber nicht allzu hell war. Rund um den Springbrunnen waren Tische so platziert, dass zwischen ihnen und dem Brunnen ein gewisser Abstand eingehalten war. Überall standen große Tontöpfe mit blühenden Pflanzen, die Tische waren mit weißen Leinendecken gedeckt, die Stühle und Bänke mit Kissen gepolstert, über allem schwebte der Duftreifer Feigen, wie er so typisch für Zypern war. Sowie die beiden Ritter den Torbogen durchschritten hatten, näherte sich ihnen ein barfüßiger Junge in roten, knielangen Pluderhosen und einem weißen Überwurf und bat sie wortlos mit deutlichen Gesten darum, ihnen einen Platz anbieten zu dürfen, von dem aus sie die Darbietung auch gut verfolgen könnten. Erst da wurde ihnen bewusst, dass das regelmäßige Viereck des Hofes von einer etwas erhöhten breiten Stufe unterbrochen wurde, die ganz offensichtlich als Bühne gedacht war. Jean und Heinrich wählten einen Tisch, der etwas abseits stand, so dass sie sehen konnten, ohne allzu genau gesehen zu werden. Kaum hatten sie sich gesetzt, brachte der Junge weißes Brot und ein Tablett mit vielen kleinen Tellern,