Deus Blue. Mario Degas

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Название Deus Blue
Автор произведения Mario Degas
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847695301



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das in Strähnen an den Schläfen klebte, und mein Zweitagebart, der der nächsten Rasur entgegenwuchs.

      Bevor ich mich vergaß, tauchte ich den Kopf ins Becken. Es war erfrischend und belebend, linderte aber nicht die stetig stärker werdenden Kopfschmerzen. Ich blieb eine Weile unter Wasser und tauchte erst wieder auf, bevor mir die Luft ausging.

      Spieglein, Spieglein an der Wand: Gänsehaut und weit aufgerissene Augen.

      Als Nächstes waren die Hände an der Reihe. Mit Seife versuchte ich, das imaginäre Blut abzuwaschen. Nach einer geschätzten Ewigkeit – ich hatte nicht mitgezählt – war ich mit dem Ergebnis so weit zufrieden. Ich trocknete meine Hände ab und zog mir den Bademantel über, der bereits hinter der Tür auf mich wartete.

      Ich schlenderte geradewegs weiter ins Schlafzimmer. Das Bett war für zwei Personen ausgelegt, was nicht darüber hinwegtäuschte, dass ich es seit einiger Zeit nur noch alleine nutzte. Ausgelaugt ließ ich mich rücklings auf die Matratze fallen. Sie spendete mir umgehend Trost. Meine melancholische Seite kehrte sich dabei nach außen. Ich starrte zur Decke und musste unwiderruflich an Sid denken.

      »Warum nur, Sid? Warum nur?«, flüsterte ich zu mir selbst. Ich konnte seine Worte nicht vergessen. Sie klammerten sich mit Widerhaken versehen an mir fest und spukten wie Glühwürmchen durch mein Gehör.

      Ich versuchte mich an alles zu erinnern, versuchte, seinen Sätzen einen tieferen Sinn zu geben; es fiel mir jedoch zunehmend schwerer, mich zu konzentrieren.

      Was war mit meiner Mutter?

      Sie war für mich nur eine Nadel im Heuhaufen – unsichtbar und schon bald vergessen. Doch er machte sie sichtbar und holte sie zurück an die Oberfläche.

      Was war mit Zoe?

      Als Sid von seiner Göttin sprach, wurde er angreifbar. Es war eine Schwäche, die mir viel über ihn verriet. Und vielleicht war es auch das, was er damit bezweckt hatte.

      Auch Zoe hat eine Mutter gehabt: Mel. Die Frage war nur: Warum musste Mel sterben? Und war es mehr als ein Zufall, dass es am Tag von Zoes Geburt geschah?

      Das Warum, das Weshalb; es nahm mich gefangen. Ich wollte in allem nach einer Bedeutung suchen, wollte die grobe Richtung kennen, an der ich mich orientieren konnte. Noch war es wie ein großes Puzzle, bei dem viele Teile fehlten, doch jedes Puzzle konnte vervollständigt werden.

      »Deine Fragen werden alle beantwortet«, hatte Sid gesagt.

      »Die Lösung ...«

      Heute?

      »Der Weg ...«

      Morgen?

      »Die Last ...«

      In Zukunft?

      »Zoe ...«

      Sid hatte mir einmal vor einer Ewigkeit geholfen. Er war es, der mich von der Straße holte und zu Quentin brachte. Ich verdankte ihm so vieles. Jetzt war es an der Zeit, mich dafür zu revanchieren. Bei der Suche nach seiner Tochter wollte ich ihn dabeihaben, aber Gott hatte andere Pläne. Sein Geist war nun bei seiner Mel in Sicherheit, so hoffte ich. Was seinen Körper anging, war es wie mit jedem anderen Toten auch: Die Leichenhalle erwartete ihn.

      Meine Augen wurden schwer, die Lider sanken herab. Wie die Wahrheit auch immer aussah, ich war bereit, mich ihr zu stellen.

      4

      Träume kommen und gehen. Sie zeigen sich nicht jedem, bleiben am liebsten im Verborgenen. Manche meinen, man kann sich das Träumen antrainieren, so wie man einem Hund beibringen kann, Stöckchen zu holen. Als wäre es eine Sache des eigenen Willens, ob ein Traum kommt, und wenn er es tut, wann er denn kommt.

      Bestätigt fanden sich die selbst ernannten Traumdealer durch die Badehäuser, wohl leugnend, dass der Traum in ihnen nur eine Dienstleistung war, wenn auch eine, die kam und ging, wie es einem gerade beliebte.

      Als ich am Morgen schweißgebadet auf dem Bett lag, wusste ich, dass es noch eine dritte Macht gab – hinter Wille und Tadpole, hinter Zauberei und Ware – die einem nicht bloß träumen ließ: Es war die Wirklichkeit. Sie hatte mich in der Nacht heimgesucht. Ich hatte mehr als elf Stunden geschlafen, elf Stunden, in denen mir immer wieder die Ereignisse des vorigen Tages vorgespielt wurden. Es war so, als hätte jemand auf die Wiederholen-Taste gedrückt. Immer wieder trat mir Sid von Neuem im Bahndepot gegenüber und jedes Mal endete die Szene mit dem einen Schuss, der ihn erlöste und aus dem Leben riss. Es war die Steigerung eines Albtraums, weil man nur allzu genau wusste, dass das, was man sah, in der Wirklichkeit stattgefunden hatte.

      »Verzeih mir«, murmelte ich wieder zur Wand herauf.

      »Du bist ich.«

      New Neu York lag verschlafen unter mir. Der Smog tauchte die Stadt in ein Meer aus Rauch und Nebel. Die Luftverschmutzung war allgegenwärtig, gab es doch keinen Tag, an dem die Menschen ihrer Nähe nicht gewahr wurden. Von weit oben war man versucht, der Stadt nur noch wenige Jahre zu geben, zu sehr löste sich Gebäude für Gebäude und Individuum für Individuum in Luft auf.

      Jemand hat einmal gesagt: »Wenn ich noch einmal verreisen könnte, und dann nie wieder, es wäre eine Reise weit in die Vergangenheit. Ohne Wiederkehr.« Als wäre damals alles besser gewesen, wo doch jedes Übel irgendwann seinen Anfang nahm. Ich konnte mich so genau an diese Aussage erinnern, weil sie von mir kam. Ich war derjenige, der auf die Wiederkehr verzichten wollte.

      Nach einer Weile überflog ich die Grenze zum A-Sektor. Ein Kontrollfahrzeug der Einheit ließ mich passieren, ein anderes schwebte gemächlich an mir vorbei. Ich hatte längst das Blinken in der Ferne ausgemacht – dort lag mein Ziel.

      Ich drosselte die Geschwindigkeit, den Blick nach oben gerichtet. Majestätisch tauchte das höchste Gebäude der Stadt vor mir auf: der­ hoch über allem thronende Turm der Exekutive und der Einheit. Es war mir, als würde der Bau mit jedem Tag mehr und mehr in die Höhe steigen. Die Macht ging hier eine beispiellose Symbiose mit der Schwärze ein. Egal wohin man schaute, überall herrschte dunkle Tristesse. Die Außenfassade war eine Aneinanderreihung von schwarzen Metallplatten, ab und zu nur von, ins grau neigenden, Lüftungsgittern unterbrochen, die fremd wirkten, so selten, wie sie waren. Fenster gab es keine. Ganz oben direkt unter dem Dach gelegen, befanden sich die einzig existenten Lichtquellen. An jeder der vier Ecken des Gebäudes war eine Leuchte angebracht – stand man auf der Straße und blickte gen Horizont, sah es aus, als würde das Licht geradewegs aus dem Himmel herabscheinen.

      Ich suchte die Öffnung im Gemäuer. Mein Cloud registrierte eine Einfahrt, die mir sogleich orange umrandet auf der Frontscheibe angezeigt wurde. Ich navigierte darauf zu. Die Elektronik zeigte mir die Entfernung an: noch zwanzig Meter. Ich schaltete die Düsen auf Landung; der Rest war ein Kinderspiel.

      Das Deck war kaum zur Hälfte gefüllt. Nur vereinzelt standen Fahrzeuge in einer der Parkbuchten. Neben den Polizei-Clouds zählte ich noch mehrere private Automobile. Ich erkannte Barklis' Dodge, der wenig unauffällig zwischen zwei Streifenwagen parkte. Das rechte Rücklicht war immer noch defekt – ein unschönes Souvenir aus dem Untergrund.

      Ich stieg aus dem Cloud und nahm, wie jeden Tag, den Weg zum Aufzug. Ich hatte den Rufknopf gerade gedrückt, als sich die Türen öffneten.

      »Jill.«

      Als hätte sie dort auf mich gewartet.

      »Es tut gut dich zu sehen, Sean.«

      Meine Jill. Wie immer sah sie umwerfend aus, wozu sie nicht einmal einen Schleier benötigte. Ihr dunkles Haar war zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden, was sich früh als ihre Lieblingsfrisur herausgestellt hatte. Sie war ganz der Mensch, wieder oder schon immer: In ihrer Uniform, einer eng anliegenden Ledermontur, konnte sie einen Mann um den Verstand bringen. Doch sie spielte nicht. Wenn sie austeilte, dann an die bösen Jungs, wobei sie nur selten enttäuschte. Für die meisten im Präsidium war sie die zuverlässige Morhaime, die im Körper einer Powerfrau steckte. Für mich war sie einfach nur Jill.

      Ich trat zu ihr in die Kabine.

      »Kann