Название | Deus Blue |
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Автор произведения | Mario Degas |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783847695301 |
Ich berührte den Türgriff, worauf der biometrische Scanner meinen Fingerabdruck überprüfte. Es knackste leise, als sich die Schwebetür nach oben hin aufschob. Ich schüttelte noch schnell meinen Mantel ab, bevor ich mich in den Schalensitz warf und die Tür hinter mir zuzog. Der Lärm erstarb umgehend, indes sich der Umgebungssensor des Clouds einschaltete und das blinkende Display immer noch nach Aufmerksamkeit gierte. Ich schaltete den Bordcomputer ein. Dies setzte eine Kaskade von LEDs in Gang. Ein leises Surren begleitete die Elektronik bei ihrem Start. Auf der Frontscheibe baute sich derweil – halbtransparent – ein Schriftzug auf:
DIE EINHEIT – THE UNIT
Darunter erschien das Wort:
AUTORISIERUNG_ _ _
Ich führte das Ritual zu Ende, indem ich zur Mittelkonsole sprach: »Leto, Sean.«
Es war wie bei Sesam öffne dich, der Sendung auf dem überregionalen Kanal: Den Cloud konnte man, hatte man sich einmal Zutritt verschafft, ohne jegliche zusätzliche Kontrollen bedienen, was auch das Fliegen mit einschloss; wollte man jedoch in das System hinein, bedurfte es der Eingabe des bei der ersten Inbetriebnahme hinterlegten Namens mitsamt einhergehendem Abgleich des Stimmerkennungsmusters. Die Einheit wollte sichergehen, dass sich niemand Unbefugtes über die streng vertraulichen Dateien hermachte, war jeder Cloud doch so etwas wie ein Hochleistungscomputersystem im fliegenden Zustand und enthielt damit einen nicht unerheblichen Teil von Neu New Yorks Wissen.
Ich war dankbar für die Unterscheidung, hatte es doch seine positiven Seiten. Nicht bloß, dass es einem ein Gefühl von Sicherheit vermittelte – was nicht schaden konnte; was mich anging, so vergaß ich wenigstens nie meinen Namen.
Etwas prallte gegen die Karosserie und ließ mich wieder ernst werden: Ein älterer Mann hatte sein Gleichgewicht verloren und war auf die Motorhaube geknallt, in der Hand eine Flasche mit hochprozentigem Inhalt. Im nächsten Moment hatte er sich jedoch wieder aufgerappelt und stolzierte, flatterig wie ein Pfau auf den nächsten Wagen zu. Ich blieb derweil im Wagen und wandte mich wieder dem Computer und dem Blinken zu.
Mit der rechten Hand tippte ich MESSAGE in das kurz zuvor aufgepoppte Feld. Das rötliche Aufleuchten erstarb daraufhin und wurde von einem grünlichen »Die Farbe der Hoffnung«-Dauerleuchten abgelöst. Die Nachricht ließ mich jedoch innehalten:
»RÄUBER AM BAHNDEPOT«
»Räuber«, wiederholte ich flüsternd zu mir selbst. Sofort dachte ich an Quentin ... und an eben jenen Räuber mit der Hundeschnauze und dem Stummelschwänzchen. Wie lange war es her, dass wir ihn in der Natur zurückgelassen hatten? 15 Jahre? Vielleicht mehr? Es wollte mir in diesem Moment nicht einfallen, zu sehr war ich von der Nachricht überrascht. Sie wirbelte meinen Gedankenhaushalt wild durcheinander und sorgte für ein Schaudern. Ich hatte immer noch den rechten Arm vor der Frontscheibe erhoben. Unbeabsichtigt tippte ich das Wort Räuber an, woraufhin eine Erklärung aufsprang:
Räuber:
Einbrecher
Schurke
Dieb
Ich ergänzte die Auflistung in Gedanken: bester Freund. Spielkamerad. Tod.
Nur langsam fiel die Starre von mir ab. Ich beruhigte meine Nerven, indem ich mehrmals kräftig ein- und ausatmete, wie ich es in solchen Momenten immer tat. Was es auch war, ich musste zum Bahndepot und der Wahrheit ins Auge sehen.
Sekunden später hatte ich den Cloud auf Touren gebracht und in der Luft hängen.
Die nächste Haltestelle: Vergangenheit.
2
Während des Fluges spürte ich die Anspannung. Sie war da, obwohl ich sie nicht wollte, nicht schon wieder. Meine Hände umklammerten das Steuerportal mit einem Druck, der ganz sicher für einen Abdruck auf der Gummierung sorgen musste.
Der Bordcomputer wies mir den Weg; die Navigationssoftware blendete allerhand Pfeile auf der Frontscheibe ein – die Sprache, die damit einherging, das Quäken der Computerstimme hatte ich vorsorglich deaktiviert. Ich brauchte weder das eine noch das andere, wusste ich doch, wo mein Ziel lag.
Über der Stadt war alles ruhig. Nur wenig Gegenverkehr machte sich links und rechts von mir breit, sodass ich gut und schnell vorankam. Ich flog die übliche Route, um in den C-Sektor zu gelangen. Dort lag verlassen, aber im Herzen Neu New Yorks gelegen, das Bahndepot.
Als ich die Grenze nach C überflogen hatte, wies die Elektronik mich darauf hin, dass ich in einem neuen Bereich angelangt war. Es war immer dieselbe Leier: Sobald man den Sektor oder die Ebene wechselte, reagierte der Cloud auf die Veränderung und quittierte dies mit einem volltönenden, manchmal nervtötenden Geräusch. Alles war zur Gänze durchchoreografiert, um einem zu helfen – um einem das Denken abzunehmen. Für den Piloten in seiner Luftschleuder diente es als Hinweis und Warnung zugleich: Achtung, hier herrschen andere Gesetze. Achte auf dich und deinen Untersatz.
Die Neonlichter und der Schein der Lampen reduzierte sich drastisch, je näher ich dem Rand Neu New Yorks kam. Was sich unter mir ausbreitete, war ein Vorgeschmack auf die Hölle, oder, wie wir es nannten, den Untergrund, der nur eine Etage tiefer unter dem Gestein der Oberschicht lag. Eines hatten Oberwelt und Untergrund gemeinsam: Beiden machte das Fernbleiben der Sonne zu schaffen, die gegen die undurchdringliche Wolkendecke keinen Stich schaffte.
Den C-Sektor dominierte einstmals geschäftige, aber jetzt bloß noch brachliegende Industrie. Fabriken, bereits nicht mehr in Betrieb, schlummerten kollektiv im Nebel. An jeder Kreuzung sah man halb verfallene Gebäude und Bürokomplexe, wovon nur noch wenige von Menschen bewohnt waren. Ich drückte einige Knöpfe auf der Mittelkonsole und bedeutete dem Cloud, sich in den Sinkflug zu begeben.
Das Bahndepot tauchte blass schimmernd vor mir auf. Die Züge, oder das, was noch von ihnen übrig war, funkelten in der Stille. Ich parkte vor dem Eingang zum Depot. Einen Moment dachte ich daran, meine Pistole ins Handschuhfach zu legen. Mein Verstand riet mir jedoch dazu, sie vorsorglich mitzunehmen. Ich wusste nicht, welche Art Räuber mich da draußen erwartete. Ich hoffte auf klein und flauschig, rechnete aber unterbewusst mit groß und gefährlich und damit einhergehend mit Herzschmerz statt einer unbändigen Freude als Teil des Wiedersehens. Seit der Botschaft dachte ich unentwegt an meinen kleinen Freund. Wer, wenn nicht Quentin, konnte sie mir geschickt haben? Sollte ich es für das halten, was es vermutlich nicht war: Einen Hinweis auf ein neues Experiment meines Ziehvaters, ausgeheckt im stillen Kämmerlein, um der Überraschung die Würze zu geben? Ich wusste es nicht. Aber am Ende triumphierten die grauen Zellen über den Rest. Ich prüfte die Pistole ein letztes Mal und steckte sie dann zurück ins Holster.
Als die Fahrertür aufschwang, war mir erst, als wäre sie nicht geöffnet wurden. An der anhaltenden Stille hatte sich nichts geändert. Dies, so sagte ich mir, hatte seine Gründe: Nirgendwo in der Oberwelt war es so ruhig wie tief in den Eingeweiden von Sektor C. Hier konnte man noch einsam sein.
Behutsam betrat ich das Depot, vorbei an einem Schild mit der Aufschrift Trains Ldt. Die Farbe der Buchstaben blätterte mit jedem Windzug mehr und mehr ab, sodass teilweise nur noch ein schwarzer Rand übrig blieb. Allem hier setzte die Zukunft zu; einer Zukunft, in der für Nostalgie außerhalb der Häuser und Wohnungen kein Platz mehr war.
Jeder kannte die Geschichte des Bahndepots, war mit ihr vertraut. Vor zwanzig Jahren fuhren vom Depot aus noch Züge quer durch Neu New York und in die Bezirke außerhalb. Hauptsächlich zu dem Zweck, Waren wie Klamotten oder Arzneien von A nach B zu befördern. Das alles geschah im Namen der Exekutive. Trains Ldt. war ein rein verstaatlichtes Unternehmen und lebte, wie man zu sagen pflegte, von der Hand in den Mund. Anfangs hielt es die Exekutive für kostengünstiger, Waren auf Schienen statt auf dem Luftweg zu transportieren. Doch die stetige Technologisierung machte auch vor den Zügen nicht halt. Bald schon sattelte