Mordsschock!. Gaby Hoffmann

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Название Mordsschock!
Автор произведения Gaby Hoffmann
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847656647



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mich an, als ob ich nicht ganz dicht sei. „So früh?“

      Das war ja nett! Kompromissbereit bot ich an, gerne jederzeit später anzufangen.

      Das Männchen gewann wieder etwas von seiner verlorenen Fassung zurück und setzte die nervige Fragenstellerei fort: „Wie sind Sie dazu gekommen, gerade diesen Beruf einzuschlagen?“

      Diese Runde ging an ihn, ich wurde unruhig. Vermutlich hatte ich den Job längst nicht in der Tasche, und er war irgend so ein Personalchef, der mich nochmals auf Eignung testete. Wohlüberlegt formulierte ich: „Ich interessiere mich für Menschen, und da lag es nahe ...“

      Das Männchen stoppte mich, während es auf seinem Block herumkritzelte. „Aber es gibt so viele andere Berufe, die mit Menschen zu tun haben und ...“, er hüstelte kurz, „ich will es mal so ausdrücken, etwas ehrbarer sind.“

      Nanu, war der Typ etwa ein Nestbeschmutzer von der Sorte ‚wir schimpfen auf Schmierenjournalisten und hängen uns das FAZ-Mäntelchen um‘? Ich überlegte, ob ich ihm den Käse vom investigativen Journalismus, der durchaus ein Wohltäter der Menschheit sein könne, aufs Brot schmieren sollte.

      Aber das neugierige Männchen hatte schon seine nächste Frage parat: „Gibt es Praktiken, die Sie ablehnen?“

      Ich überlegte vorsichtig: „Na ja, ich habe Respekt vor dem Tod, Pietät – Sie wissen schon! Als Witwenschüttlerin eigne ich mich wohl nicht!“

      Mein wissbegieriges Gegenüber fuhr in seinem Stuhl hoch, glotzte mich entsetzt an, zuckte zweimal wie ein altersschwacher Regenschirm, sackte dann in schiefer Haltung zusammen und schrieb emsig mit. Fasziniert betrachtete ich drei Schweißperlen, die ihm von der angestrengten Stirn auf die Nase tropften, als koste ihn seine Fragerei große Überwindung. Jetzt brachte die Feuchtigkeit seine Brille ins Rutschen. Er fing sie eben am linken Bügel auf. Konzentriert sandte er mir einen stechenden Blick zu, als ob das Malheur meine Schuld wäre.

      „Wenn Sie mit so vielen Männern zusammen sind, wie sieht es dann mit einer festen Beziehung aus?“ Ein rosiger Hauch flackerte über sein Gesicht, als wäre er stolz, diesen Satz über die Lippen gekriegt zu haben.

      Okay, ich bin bestimmt nicht verklemmt, aber das war zu viel! Mein Privatleben ging diesen fremden Typen überhaupt nichts an. „Waren Sie mal bei der Stasi?“ Ich schnappte meine Tasche, warf meine Lederjacke über und wollte mit den Worten ‚Entschuldigung, hier kann ich nicht bleiben!‘ einen eleganten Abgang machen. Der wurde mir aber versaut, weil die Tür sich dummerweise von der anderen Seite öffnete und ich sie an den Kopf bekam. Eine hübsche Beule war genau das, was mir in diesem Moment noch fehlte!

      Meine Begleiterin von vorhin schob eine dauergewellte junge Frau in Jeans, Pulli und Turnschuhen durch die Tür. „Tut mir leid“, stammelte sie verlegen. „Das ist die richtige Frau Körner.“ Mit diesen Worten bugsierte sie die Sportliche ins Zimmer, reichte mir formell die Hand und sagte: „Ich habe mich gar nicht vorgestellt. Riechling ist mein Name, ich bin die Sekretärin. Herzlich willkommen bei uns!“

      Das Männchen schien in diesem Moment einer Herzattacke nahe zu sein. „Eine Verwechslung also?“, stammelte es keuchend und stand jetzt endgültig auf den Trümmern seiner abermals runtergerutschten Sehhilfe.

      „Schon gut!“ Ich verließ mit der Sekretärin den Raum.

      „Möchten Sie ’n Bonsche?“ Sie fuchtelte mit einer Tüte Himbeerbonbons vor meiner Nase herum.

      Aus Höflichkeit griff ich zu. „Was hat diese Frau Körner für einen Beruf?“

      Die Riechling reckte sich bis zu meinem Ohr hoch, sodass ich ihren süßlichen Himbeeratem wahrnahm, und flüsterte schmatzend: „Nutte!“ Gepflegter schob sie hinterher: „Sie wissen schon, Prostituierte!“

      Tiefe Furchen auf der Stirn verliehen dem graubärtigen dürren Chefredakteur Edfried Wagner den Anschein eines großen Denkers, der ständig mit Weltproblemen befasst war. Die eingefallenen, in Höhlen liegenden graublauen Augen verstärkten das Image des ausgemergelten Asketen. Ich stellte ihn mir beim Meditieren in einem buddhistischen Kloster vor. Seine Knochen steckten in einem zerknautschten Leinenanzug. So wie ihm seine Kleidung um den Körper schlackerte und oben der farblose Kopf herausguckte, erinnerte er mich an einen Totengräber. Kein Wunder, dass ich beim Vorstellungsgespräch glaubte, in einer Spukspelunke zu sein. Ein eingefleischter Vegetarier mit Essstörungen? Heimlich spähte ich, ob ich auf seinem Schreibtisch einen ausgewaschenen Joghurtbecher voller Salatblätter entdeckte.

      Während Wagner mich einwies, stürmte sein Kontrastprogramm – ein ausgemachter Fettwanst – schnaufend ins Büro. „Drei Verletzte und ein umgekippter Schweinetransporter auf der A1. Machen Sie die Eins frei, Chef!“, brüllte er, und sein schwammiges rotes Gesicht unter der blonden Vollponyfrisur wurde durch ein strahlendes Grinsen verzerrt. „Aye! Jetzt haben wir einen Super-Aufmacher!“ Die auf halb acht sitzende schmuddelige Jeans rutschte ihm in die Kniekehlen, wozu seine unzähligen Schlüssel am Hosenbund ahnungsvoll klimperten. Als Aura umgab diesen keuchenden Polizeireporter außer einem saftigen Schweißaroma die ständig piepsende und knackende Geräuschkulisse vom Polizeifunk. „Peeeddder Eins biddde kommen! Hier is ’ne Frau umgekippt. Peeeddder Eins biddde!“, schnarrte es aus dem kleinen Apparat.

      Der Chef ließ sich von seiner Begeisterung anstecken. „Gut, Jelzick!“ Er ballte die knochige Faust und stampfte dabei auf den knarrenden Dielenboden. Ich lag mit meiner Einschätzung des durchgeistigten Propheten völlig falsch!

      Die karge Möblierung der Büros hatte wohl auf Edfried Wagner abgefärbt oder ihm den Appetit verschlagen: Die kleinen, verwinkelten Räume waren bis auf zwei oder drei verwitterte Holzschreibtische nackt. Davor standen altersschwache graue Drehstühle, die mindestens schon drei Generationen von Journalisten durchgesessen hatten. Weder Bilder an den weißen Wänden noch Grünpflanzen auf den Fensterbänken. Nur abgerissene Zettel mit Memos, vollgekritzelte Timer, Kalenderblätter und vergilbte Zeitungsausschnitte klebten überall. Computer, Drucker und Telefone auf den Tischen wirkten wie futuristische Eindringlinge aus einer anderen Welt. Den Blick nach draußen versperrten graue, rauchgeschwängerte Mullgardinen, die sich trotz geschlossener Fenster leicht vor den offensichtlich undichten Butzenscheiben blähten.

      Aha, ständige Frischluftzufuhr als kreativer Kick, dachte ich, als ich meinen neuen Arbeitsplatz in Beschlag nahm. Trotzdem roch es stark nach 1900.

      Mir gegenüber erhob sich eine Hünin, vielleicht vierzig Jahre alt. Sie wiegte sich beim Gehen aufreizend in den Hüften, als wolle sie mir von vornherein demonstrieren, welche Frau in diesem Laden die Nummer 1 war. Geschmack war nicht ihre Stärke: Der grüne Hosenanzug erzeugte eine fabelhafte Disharmonie zu ihren blond gesträhnten Haaren und den grell blau geschminkten Augenlidern hinter einer goldenen Brille. Herausfordernd sog sie zunächst mit gespitzten Lippen und nach oben gerecktem Kinn an ihrer Zigarette, ehe sie mir herablassend die Hand schüttelte. Die vielen Ringe an ihren Fingern piekten. „Ich bin Gundula Zöllner. Wenn du mal nicht weiter weißt, frage mich! Nur keine falsche Scheu!“

      Sie lachte für mein Empfinden etwas zu schrill. Bei dem Gedanken an ihre feuchten Qualmwolken, gepaart mit süßlichem Parfümgeruch, wird mir jetzt noch übel.

      Als angenehme Überraschung entpuppte sich der zierliche Mann, der mit mir das Interview geführt hatte. Hinter den dicken Brillengläsern blitzten intelligente braune Augen, an deren Rändern sympathische Lachfältchen saßen. „Ich heiße Herbert Dabelstein. Sagen Sie ‚Herbie‘, das tun alle!“

      Der Polizeireporter Jelzick popelte am nächsten Morgen während der Redaktionskonferenz gelangweilt seine Frühstücksreste aus einer Zahnlücke. „Heute ist tote Hose!“, lispelte er, und weil ein Finger noch zwischen den Zähnen klemmte, schaltete er mit den restlichen Fingern das Funkgerät ein.

      „Der Peter Heimann ist verunglückt! Tragische Sache!“, meldete sich Herbie zu Wort. „Da könnten wir eine Meldung bringen.“

      „Wer is ‘n das?“ Jelzick kratzte inzwischen mit einem Bleistift das Schwarze unter seinen Nägeln hervor.

      „Ein Abgeordneter von den Konservativen.