Название | Mordsschock! |
---|---|
Автор произведения | Gaby Hoffmann |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783847656647 |
„Ja?“ Ungeduldig legte er mit herrischer Geste seinen rechten Arm um meine Taille.
„Ein Kater, acht Jahre alt.“
Anthony verbarg seine Schneidezähne krampfhaft hinter festverschlossenen Lippen. Stumm und finster wie eine Auster ging er im Stechschritt neben mir durch den Pulk summender Menschen zum Parkhaus. Wortlos fuhr er mich im rasanten Tempo zur Redaktion.
Geschäftshäuser, Banken, Patriziervillen, Läden, Restaurants, der Hauptbahnhof flogen an uns vorbei. Wir überquerten die Lombardsbrücke mit ihrem traumhaften Blick auf die von der Cityskyline eingerahmte Binnenalster. Verwaist ruhte sie, eine zarte Eisschicht als Bettdecke übergestülpt. Ihre Könige waren noch nicht zurück, aber bald würden die stolzen Alsterschwäne wieder majestätisch ihre Bahnen ziehen.
Anthony drückte das Gaspedal durch, als könnte er mich nicht schnell genug loswerden. Er brauste den Mittelweg an den weißen Villen entlang in Richtung Außenalster. Das Schweigen im Auto wurde erwidert. Der Fluss lag im Winterschlaf. Nur gestört von einigen Spaziergängern, hart gesottenen Joggern, Radlern und hungrigen Enten.
Wenn die Alsterfontäne ihr funkelndes Wasserspiel startete, erwachte das Leben. Ausflugsdampfer würden begeisterte Touristen befördern, zahlreiche weiße Segel würden sich im Wind blähen, schwitzende Ruderer würden mit verzerrtem Gesicht vorbeihasten, und ich würde bei einem Cappuccino in einem der Cafés am Ufer in der Sonne dösen.
Anthony setzte mich vor dem gläsernen Bürogebäude in der Alten Rabenstraße ab. Von hier aus konnte man bis zum Fähranleger hinunter sehen. Ich erkannte dort die Silhouette einer alten Frau, die Brot für die Enten ins Wasser warf.
Anthony presste schwerfällig die Lippen auseinander: „Ich rufe dich an!“
Es war das Letzte, was ich jemals von ihm hörte!
Kapitel 2
„Wir hängen tierisch!“, kreischte Conny, eine der Grafikerinnen, mir entgegen.
Bevor ich sie leibhaftig sah, entdeckte ich die Spiegelbilder meiner Kollegen an den Glaswänden, die das Großraumbüro einrahmten. Die Psychologie hinter dieser architektonischen Lösung war logisch: Kein Hindernis schottete den freien Blick kreativer Menschen ab, wenn sie ihre Gedanken in die Weite schweifen ließen. Jetzt lümmelten sich diese Künstler alle zwischen Rechnern, Telefonen und Papierbergen auf den Chromtischen und warfen mir vorwurfsvolle Blicke zu, weil ich so spät kam.
Erstaunt über die ungewöhnliche Aufmerksamkeit an meiner Person, blickte ich fragend in die kreative Runde. „Müssen wir nicht heute das Titelbild produzieren?“
„Ach, wirklich?“, äffte mich Achim, ein anderer Grafiker, träge nach. „Nö, lass dir ruhig Zeit! Die Seite muss erst morgen in der Druckerei sein!“
Mir schwante Böses. „Ist Karina etwa noch krank?“
Die Leidensmienen um mich herum bedurften keiner Antwort. Karina war meine Vorgesetzte. Da unser Art-Direktor mit gebrochenem Bein im Krankenhaus lag, zeichnete sie momentan für die Produktion der Titelseite allein verantwortlich. In mir schrillte eine Alarmglocke, meine Körpertemperatur stieg an. Jetzt kam mein Part. Ein Trend musste her, aber subito!
Manchmal geht der Ehrgeiz mit mir durch. Hätte ich in die bewährte Kiste voller Titelgirl-Fotos gegriffen, wäre mein weiteres Leben anders verlaufen. Ich wollte mich aber mit etwas sensationell Neuem beweisen. Nachdem ich vergeblich meine beschränkten Hirnwindungen nach einer bahnbrechenden Idee durchgeknetet hatte, rief ich meine beste Freundin Lila an. Das Unheil nahm seinen Lauf.
„Geschirrhandtücher!“, riet sie.
„Ich will keine Küche einrichten, sondern die Titelseite eines Lifestylemagazins produzieren.“
„Na klar“, entgegnete sie ungeduldig. „Geschirrhandtücher lässig unter den Achselhöhlen verknotet – das kommt an! Megamäßig, sage ich dir.“
Ich stellte mir vor, wie Lila in diesem Moment Daumen und Zeigefinger ihrer rechten Hand in der Luft zu einem Kreis spreizte. Ihr Zeichen für eine nicht zu toppende Sache. Zu meiner Entschuldigung muss ich gestehen, dass ich damals ein bisschen skeptisch war. Aber Lilas Enthusiasmus überzeugte. Normalerweise besitzt meine Freundin eine exzellente Spürnase für Modetrends. Diesmal litt ihr Riechorgan jedoch an Verstopfung.
Eifrig buchte ich einen Fotografen und ein Model für das Titelshooting.
Wendy, das Model, schaute mich irritiert an, als ich sie mit einem Haufen karierter Geschirrhandtücher empfing. „Soll ich mir die etwa um den Bauch binden und hier spülen?“, nuschelte sie durch ihre kesse Zahnlücke.
„Nein, unter die Achselhöhlen!“, befahl ich freundlich, eine Dosis natürliche Autorität in der Stimme, die keinen Widerspruch duldete.
Wendy hob artig ihre rasierten Achselhöhlen, und eine maulende Stylistin nestelte so lange mit einem der Handtücher an ihrem Waschbrettbody herum, bis die Kreation perfekt saß.
„Come on, work harder!“, feuerte der knipsende Fotograf Wendy an, die sich professionell im geknoteten Geschirrhandtuch mit fliegenden Blondhaaren drehte, wendete, hüpfte, auf den Boden warf, die Beine überkreuzte, in die Luft sprang.
Ich entschied mich für eine Aufnahme, auf der Wendy kniete und einen tiefen Einblick ins Geschirrhandtuch-Dekolleté gewährte. Gar nicht schlecht!, dachte ich stolz.
Dieses Hochgefühl verflog, als ich meine erste Coverproduktion in den Händen hielt. Ein winziges Schild war mir durch die Lappen gegangen. ‚100 Prozent Baumwolle. Waschbar bei 60 Grad‘ prangte unschuldig an Wendys Busen. Während ihrer wilden Verrenkungen musste das Etikett, das die Stylistin mühsam nach innen geklemmt hatte, wieder an die Oberfläche gerutscht sein. Dank der Vergrößerung war es nun deutlich sichtbar.
Meine Reue kam zu spät, der Titel war bereits gedruckt! Ich dachte an einen Last-Minute-Flug, der mich weit weg bringen würde – egal, wohin. Aber das Echo meiner Heldentat war schneller als jeder Überschalljet: Wichtige Inserenten stornierten ihre Anzeigen für die nächste Ausgabe. Ein Magazin mit einem so geschmacklosen Titel war kein geeignetes Werbeumfeld. Die wirtschaftlichen Konsequenzen lagen auf der Hand.
„Warum haben Sie ihr nicht gleich eine Wäscheklammer mit Gebrauchsanleitung in den Ausschnitt geklemmt?“, erkundigte sich unser Herausgeber sarkastisch.
„Sex sells!“, erwiderte ich mit schiefem Lächeln.
Das war zu viel! Der Boss setzte seine getönte CK ab! Ein Skandal! Solange es den Verlag gab, hatte er sich nie ohne diese Gläser gezeigt. Ich zuckte erschrocken zusammen. Froschaugen! Die liefen ihm jetzt über, das verlangte ein Opfer. Ich sprang über die Klinge!
Mühsam beherrscht, steckte ich das Schreiben mit meiner fristlosen Kündigung ein. Nur keine Tränen! Die Fernseher in den WC-Räumen waren das einzig Gute an dem Job, dachte ich trotzig. Mit meiner Coolness war es jedoch nicht weit her. Auf wackeligen Beinen, den Kragen meiner schwarzen Lederjacke so hochgezogen, wie es nur irgendwie ging, schlich ich verklemmt davon. Nur niemandem begegnen!
Edith, die 68er-Rockerbraut vom rotgepolsterten Samtthron im Empfang, rief mir ahnungslos ein lässiges „Bye“ hinterher.
Dann stand ich draußen. Über mir leuchtete die neonfarbene Lichtreklame ‚Hip – Szenemagazine‘.
Ich lief zum Fähranleger, warf mich auf eine eiskalte Bank und heulte dicke Tränen in die schlafende Alster.
Lila öffnete mir die Tür wider Erwarten nicht im geknoteten Geschirrhandtuch, sondern im blau gepunkteten Overall.
Mein Tränenfluss drohte, ihre winzige Wohnung unter Wasser zu setzen.
Sie knutschte mich, ließ meine wüsten Schimpftiraden geduldig über sich ergehen, wischte mir mit einem Taschentuch quer übers verheulte Gesicht und drängte mir irgendein selbstgemixtes Zeug auf. Es schmeckte nach faden Gummibärchen, zischte wie Feuer durch