Der Tod des Houke Nowa. Eike Stern

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Название Der Tod des Houke Nowa
Автор произведения Eike Stern
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738065879



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wird mir eine Klinge an das Handgelenk schmieden.“

      „Es sei ihm freigestellt. Doch uns zu führen, braucht es einen ganzen Kerl, dafür taugst du nicht länger!“

      Suteman biss sich vor Wut auf die Lippe. „Dich mache ich auch mit einer Hand noch fertig!“

      „Dann zeig’ es mir“, forderte Hiram und lockerte die Arme, um mit ihm zu ringen.

      Ein Waffengang schien Suteman aussichtsreicher, doch das kam einer Hinrichtung gleich. Er fasste seine mächtige Doppelaxt mit der Linken fester, und Hiram nahm seinerseits von Hasdrubal dessen reich verziertes Bronzeschwert entgegen, zückte das seine und schlug Suteman in einem denkbar kurzen Kampf die Waffe aus der Hand. Als Suteman hochmütig das Kinn hob, anstatt aufzugeben, erschlug er ihn im Kreis seiner Leute wie einen räudigen Hund. Dumpfes Ausatmen ging um. Doch kaum rief er sich zum neuen Anführer aus, jubelten alle und ließen ihn hochleben. Pollugs tuschelte Houke zu, „und jetzt wird alles anders, wart’s ab.“

      Wieder behielt er Recht. „Wir sind noch zwölf Mann“, verkündete der neue Kapitän der »Zerberus« und warf sich mächtig in die Brust. Wie eine stumme Frage flog sein Blick von einem zum anderen. „Zu wenig, noch ein Schiff zu kapern! Gebt ihr mir recht?!“

      Jeder bestätigte es mürrisch nickend, in dem Fall auch Pollugs und Houke. „Das mag so sein“, seufzte Archaz einsichtig.

      „Darum werden wir nicht den Hafen von Memphis anlaufen, um Wasser und neue Vorräte an Bord zu nehmen!“ brüllte Hiram in die Runde. „Wir segeln stromauf bis zum zweiten Katarakt. Bedun sagt, einen halben Tag südlich von Abu Simbel gibt es einen toten Flussarm, an dessen Strand liegt eine Siedlung, die wohl zum Reich des Pharao zählt. Doch leben in der Region überwiegend Nubier, denn dort beginnt bereits Nubien. Ich weiß aus zuverlässiger Quelle: dieses Dorf hat den Ruf einer Piratenstadt. Dort gibt es Weiber und Wein, und genug Leute, die sich darum raufen, mit uns zu segeln!“

      Der Beifall, den die Rede auslöste, schien nicht enden zu wollen, und Semiris atmete schwer durch und bohrte ihren Blick in den von Kirsa, weil die bestenfalls ein paar Fetzen aus dem Wortwechsel verstanden hatte und unmöglich die Situation erfassen konnte. Die blöde gaffenden Gesichter machten ihr vermutlich Angst. Aber in den blauen Augen ihrer Schicksalsgefährtin zu lesen hatte sie gelernt. „Aus der Traum“, flüsterte Semiris erschüttert, und Kirsa schlug die Hände über dem Kopf zusammen.

      Ehe der Beifall verebbte, ergriff Hiram erneut das Wort.

      „Noch etwas, Leute“, hieß es. „Die beiden Sklavinnen, die Suteman in seiner Güte für frei erklärt hat, sollen sich ihre Freiheit verdienen. Ab heute werden wir alle fünf Tage um sie nach dem Strich werfen, Leute!“

      „Jetzt ist es genug!“ rief Pollugs dazwischen und trat ihm mit erzürnt funkelnden Augen entgegen. „Was bedeutet schon Ehre, wenn Männer sich einig sind, wolltest du sicher noch beifügen. Oder nicht?!“

      „Halte dich zurück. Was ich sage ist ab heute Gesetz an Bord.“

      „Da lache ich drüber. Was ein Kapitän angeordnet hat, kann sein Nachfolger nicht widerrufen!“

      „Oh doch!“ brüllte Hiram gegen ihn an und wetzte die beiden Bronzeschwerter, als sei er einem weiteren Waffengang wenig abgeneigt.

      „Nun gut“, sagte Pollugs, „Du hast Suteman gefordert, um zu sehen, wer der bessere Anführer ist, und ich fordere dich, Hiram!“

      Houke traute Augen und Ohren nicht, als es auf einmal kritisch wurde und die beiden im Kreis der Schwertfischer energisch die Klingen kreuzten, sich beäugten und umkreisten und dann immer schneller miteinander fochten, beide mit zwei Waffen. Hiram empfing eine Beinwunde, Pollugs kurz darauf eine am Oberarm. Dann klirrte es hart wie in einer Schmiede, bis Pollugs zurücktaumelte und sich die Hüfte hielt. Und damit war es entschieden. Man sah die Wunde nicht gleich. Kaum jedoch nahm er die Hände von der Hüfte, rann eine Blutspur über sein erzitterndes Bein. Er schwankte, sackte auf die Knie, blickte aus brechenden Augen Houke an und hauchte sein Leben aus.

      Houke schluckte. „Und nun?“

      Nur Archaz hörte es. „Frag nicht mich.“

      Mit versteinerter Miene starrte Houke Semiris an. Nie fühlte er sich so überfordert. Denn der Mensch, an dem er sich nach dem missglückten Einstand an Bord wieder aufgerichtet hatte und der ihr das Tor zur Freiheit aufstieß, würde ihnen nicht mehr helfen können. Es gab ihn nicht mehr.

      Die Leute gierten nach einem Weiberrock, und Hiram hielt sie nicht lange hin. Er befahl, mit dem Blut des alten Anführers den Strich auf dem hinteren Deck nachzuziehen. „Ihr wisst, worum es geht?“, fragte er in die erwartungsvolle Runde, und ein hämisches Schmunzeln flog über seine dünnen Lippen, an Houke gerichtet. „Um die blonde Schönheit bei unserem Neuen.“

      Houke hatte Pollugs’ Scheitern tief getroffen. Das Feuer in seinen Augen war für immer erloschen, aber es war doch, als würde der Freund ihm noch einmal Rat zuflüstern. „Und du zögerst?“, schien es in seinem Hinterkopf zu flüstern, und Houke stellte sich bei den anderen auf, die ihrem Wurf zum Strich entgegen fieberten. Kirsa und Semiris wagten kaum zu atmen. Ein Siegelring mit zwei gekreuzten Dreiecken lag kaum zwei Finger breit entfernt von der roten Linie, und es war der von Sanherib. Niemand kam näher heran, bis die Reihe an Houke war. Der hatte zwar noch mehr als einen Ring zum Einsatz, aber es gab stets bloß einen Versuch, und er warf mit einer Gemme aus Onyx, weil darauf ein Portrait der Arthemia dargestellt war und das widerum heftig Semiris glich. Und er gewann. Niemand protestierte, doch es genügte nicht, dass Semiris ihm erlöst in die Arme fiel. Die genarrte Mannschaft akzeptierte es lediglich, weil jeder für sich danach auf Kirsa hoffte, die ja ebenfalls nicht hässlich war.

      Kirsa hatte sich selten unwohler gefühlt und nestelte ahnungunsvoll an ihrem Kleidärmel. Klar, dass sie für Houke eine Freundin geworden war und er spürte, es wäre angebracht, sich schützend vor sie zu stellen. Pollugs jedenfalls hätte so gehandelt, und Houke glaubte das Richtige zu tun, als er frech sein Glück erneut versuchte.

      „Der will beide“, raunte jemand, und Bajuna der Sarde nickte hastig und bemerkte, „so ein unverschämtes Bürschchen.“

      „Du kannst doch sowieso nur einmal abdrücken“, höhnte Sanherib.

      Sofort mischte sich Hiram ein. „Wirf! Das steht dir frei“, gab er Houke zu verstehen. „Aber so wie ich beschlossen habe, dass Larban ab heute an der Ruderpinne steht, soll Houke ab heute nicht mehr der Letzte unter uns sein. Joktan ist wieder der Letzte.“

      Nun wusste Houke nicht mehr, ob er lachen oder weinen sollte. Er konnte nicht begreifen, warum Hiram dem jungen Sidonier etwas zutuschelte. Er durchschaute die List erst, als das Spiel eigentlich gewonnen schien und doch alles wieder auf der Kippe stand. Sein Einsatz, die Gemme, rutschte auf Haaresbreite an die Linie heran, und diesmal war nach ihm noch Joktan an der Reihe. Der warf einen recht schweren Bronzeteller und drehte den um. Damit schoss er die Gemme von ihrem Platz, und wenn er dadurch auch aus dem Spiel war, so lag nun ein Silberring mit einem Löwenkopf am dichtesten am Strich – einer der beiden Ringe, die gewöhnlich Sanheribs Hand schmückten. Was hätte Houke einwenden sollen? Er schwieg verbissen. Semiris hielt er im Arm und senkte befangen die Stirn, während der Assyrer Kirsa am Handgelenk packte und mit sich fortzerrte.

      Entsetzt begehte Semiris auf. „Du kannst nicht stur weggucken.“

      Houke schaute sie aus leeren Augen lange traurig an. „Selbst Pollugs würde sich die Wut verkneifen. Wenn ich auch sterbe, blüht dir dasselbe wie Kirsa.“

      6. Kapitel

      Seit drei Tagen verrichtete Larban wieder das, was er ehedem für das Haus Nowa tat. Er war der neue Steuermann und durch seine Idee mit dem Fischernetz zu Ansehen in der Bruderschaft gelangt. Die Landschaft des Nils wandelte sich ständig und doch nicht wirklich. Immer wieder heranreifende Felder und Kanäle, immer wieder Siedlungen aus Lehmbauten – dann zahllos Fischerhütten