Название | Der Tod des Houke Nowa |
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Автор произведения | Eike Stern |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738065879 |
Um nicht den Verdacht alter Vertrautheit zu erregen, ließ er Houke und Semiris vorläufig links liegen. Allmählich stießen sie in die Provinzen des Pharaonenreiches vor. Auf einem Steg flickten halbnackte Fischer ihr Netz und winkten ihnen zu. In einer Baumkrone, die das letzte Sonnenlicht in Rotschimmer hüllte, turnten zwei Äffchen umher, und auf einer Sandbank trompetete ein Elefant und spritzte ihnen Wasser nach. Einmal rauschte ein Schwarm Flamingos über ihr Schiff, und die Gegend war wenig von Menschenhand geprägt, als sie sich mit geblähtem Segel dem ersten Katarakt näherten. Der Fluss zwängte sich hier durch eine Felspforte, Stromschnellen bahnten sich an. Das Schiff fing an zu stampfen, und der Bug bäumte sich bedrohlich auf, da der Nil dahinter abknickte. Kaleb wollte eben die Stiege zum Laderaum nehmen, da fand er sich am Boden des kleinen Flurs wieder und rieb sich den dröhnenden Schädel. Sonst war nichts geschehen, das man als besonderes Pech bezeichnen könnte, abgesehen davon, dass sie nach der Erschütterung schlingernd flussab trieben. Hiram befahl alle Mann auf die Ruderbänke, und Strudeln und stäubender Gischt zum Trotz erlitten sie keinen Schiffbruch, da Larban an der Ruderpinne der richtige Mann war, und natürlich, weil alle vereint ruderten.
Diesmal stellten sie getreu Hasdrubals Anweisungen in der Flusskurve das Segel um, und während Kaleb an Deck seine Beule herumzeigte, gesellte sich der braungebrannte Atlanter endlich zu seinem heimlichen Freund Houke. „Ab heute“, begrüßte ihn Decgalor, „steht es Semiris frei, bei wem sie schläft. Das habe ich zur Bedingung gemacht.“
Offenen Mundes nahm Semiris es auf, und in den klaren Augen des Atlanters lachte eine Erheiterung, die ihr gefiel. „Der Rest wird sich finden, denke ich.“
„Du meinst, den Brocken hat Hiram geschluckt?“, fragte Houke ungläubig.
„Das will ich meinen. Ich habe gesagt, ich kämpfe für euch und mit euch, aber wo ich herkomme, verehrt man Frauen und stellt ihnen nicht nach wie die Paviane.“
Es genügte, ihm dankbar zu sein, aber nach der ersten Freude schluckte Semiris. „Was mag aus Kirsa geworden sein?“
„Auch für sie forderte ich die Freiheit“, sagte Decgalor leise. „Aber Hiram weigert sich, damit herauszurücken, was sich zwischen Kirsa und Sanherib ereignete. Er sagte, sie sei zu zerbrechlich gewesen... und das klang wie ein Nachruf.“
Sie stöhnte auf und schlug die Augen nieder, denn sie hatte es nicht wahrhaben wollen.
Noch mehr traf es Houke, der sich nach Pollugs Niederlage nicht getraute, einzuschreiten, und Decgalor bemerkte mitfühlend, „manche Dinge sollen wohl geschehen.“
Den achtundzwanzigsten Tag segelte die »Zerberus« schon stromauf, aber mit dem Atlanter an der Seite wendete sich Houkes’ und Semiris’ Situation zum Guten. Selbst der Berber oder Sanherib legten es nicht darauf an, es sich mit diesem Mann zu verderben.
„Es dauert keinen Tag mehr bis Abu Simbel“, bemerkte Decgalor.
„Wir segeln daran vorbei“, klärte ihn Houke auf. „Da, wo die Egypter große Figuren von Pharaonen aus dem Granitmassiv geschlagen haben, beginnt ein versteckter Seitenarm, der fast versandet sein soll. In der Bucht, in welcher der endet, liegt der Ort, zu dem Hiram uns bringen will.“
Als Freund des Atlanters galt er wieder etwas unter den Schwertfischern. Das war bei Pollugs so gewesen, und unter dem herrischen Blick von Decgalor nahm er erst recht eine Sonderstellung ein, das musste ihm keiner flüstern. Hinter der Dschungelwand des Nilufers eröffnete sich eine urweltliche Landschaft mit glasgrünen Seen, und alle Augen hefteten sich auf die in Sicht gerückten Kunstwerke, die von früheren Pharaonen erzählten.
Archaz zwinkerte ihm schelmisch zu. „Und für wen haben da nun Steinmetze über Jahre geschuftet? Sollen sich die Affen dran freuen?“
Innerhalb von zwei Wimpernschlägen waren die aus dem Granit des Berghanges gehauen Skulpturen in Gestalt des thronenden Osiris wieder aus dem Sichtfeld. Eigentlich hätte der Eindruck zu Abydos gepasst, der Stadt des Osiris, einstmals die Hauptstadt, lang vor Pi-Ramesse, der türkisblauen Stadt an der Deltaküste, und auch vor Theben oder der Blüte von Memphis.
Beipflichtend schmunzelte Houke und empfand erneut Sympathie für den nie um einen Kommentar verlegenen, charmanten Armenier. Auf eine andere Art als Decgalor wirkte er wie ein geborener Prinz. Es glich einer Feuerprobe, unbefangen den Blick zu erwidern, aber dadurch besserte sich für ihn das Klima an Bord. Kaleb erteilte ihm zwar eine Abfuhr, bei dem Versuch, einen Brotleib nachzufordern, aber lachenden Mundes. „Versuchen kann man’s ja“, tat er es ab und griente.
Es war das kleine Lächeln im Umgang mit den Leuten, was plötzlich wieder auflebte, und Houke fühlte sich von Grund auf erleichtert. Am Abend erreichten sie den unter Akazien und Sykomoren versteckten Seitenarm. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit warf der Sarde an einem Pfahlanleger Leinen über, und sie drifteten mit der Bordschale an den Steg.
Die Strömung des Nils brachte unsichtbare Schätze aus den Bergen Nubiens mit, die sie an dieser halb verlandeten Mündung ablagerte. Es führte dazu, dass hier eine Siedlung für Goldwäscher aus dem Boden schoss. Die lehmbeworfenen Flachdächer aus Binsen verrieten es, und vor allem die vielen Leute, die sich im Wasser tummelten und mit Sieben die Goldkiesel aus dem Fluss wuschen.Sie lachten und scherzten bei der Arbeit, doch ihre Sprache prallte unverstanden an Houke ab. Als er Schulter an Schulter mit Decgalor hinter Hiram und Hasdrubal her zog, und sie durch die Gassen aus staubigem Lehm streunten, bot die Siedlung ein anderes Gesicht. Unter einem Sonnendach wurde um eine Feuerstelle wild gestikulierend miteinander geschachert, nebenan Wein ausgeschenkt, es roch nach Anis und Koriander. Jemand bot kleine Elefanten aus Jade feil, Fruchtbarkeitsketten, Silberschlangen, Schlangenhäute und Leopardenfelle, sowie Antilopenleder, aufgespannt an einem Gerbgeländer. Menê war ein Schlupfwinkel für geflohene Verräter, Wegelagerer und Beutelschneider. Es hatte einen egyptischen Namen und gehörte zum Reich am Nil, aber hier walteten eigene Gesetze, und der Pharao wusste, warum er diese Enklave des Bösen unbehelligt ließ. Besser die bösen Elemente alle an einem Ort, als übers Land verteilt.
Aus einer dämmerigen ehemaligen Lagerhalle drang Lachen und lautstarkes Prahlen, und solcher Art Lärm zog Hiram an wie eine Schmeißfliege. „Aha“, raunte der Atlanter, als sie sich in einer Welt des Schattens wiederfanden und in vielen dunklen Nischen Tropfkerzen flackerten. Die plattnasigen Gesichter vieler Nubier glänzten blauschwarz im Kerzenschimmer, und Houke saß dann neben Decgalor an einer langen Tafel. Wein wurde über den Tisch geschoben, gleich ein Dutzend Karaffen. Hiram neckte ein kleines Äffchen, das er vom Nachbartisch herübergelockt hatte. Da er die Dattel nicht hergeben wollte, biss es ihn, und er jagte das an einer feinen Kette hängende Tier mit wegwerfender Hand vom Tisch und schielte boshaft auf die Dattel. Dann verkündete er hüstelnd, „auf unseren Neuen“, und schob die ersten der irdenen Schalen, die bei ihnen abgestellt wurden, zu Houke und dem Atlanter hinüber.
„Sardes soll sehr reich sein“, bemerkte er mit einem verstohlenen Augenaufschlag. „Kennst du den Ätna und die Sikulerküste, oder eine von Klippen geschützte Bucht, wo man mit einem Schiff wie der »Zerberus« unsichtbar bleiben kann, bis Beute kommt?“
Decgalor nickte. „Das will ich meinen. Doch wir müssten dafür zum Sperrturm, und der heißt nicht grundlos so. Man sieht uns von dort, ehe der Turm vor uns aus dem Horizont steigt.“
Hiram bleckte wölfisch die Zähne. „Wer sagt das denn überhaupt? Na und? Sobald der Turm sichtbar ist, segeln wir nördlich die Küste hoch und dann irgendwo durch die Klippen. Es heißt, auf einmal ist man drüben.“
„Ach… ja“, erwiderte Decgalor und nickte beifällig. „Ganz einfach vorbei, abseits vom Turmbau, meinst du?“
„Na was?“ Hirams Augen funkelten begeistert. „Das ist doch altes Gewäsch. Aber einen Atlanter mag es wohl wundern, da dein Volk doch meint, die alten Völker im Griff zu haben.“
Decgalor hob gänzlich unbekümmert die Schultern. „Es ist mir lieber, als am Turm unbequeme Fragen zu hören. Meine dunkelblaue Tunika verrät jedem, ich habe mich der Flotte verschrieben, und es zieht mich nicht zurück,