Das Geheimnis der Baumeisterin. Petra Block

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Название Das Geheimnis der Baumeisterin
Автор произведения Petra Block
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847682066



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Nachricht davon gegeben und auch von Agnes habe ich nichts gehört. Wenn es mein Kind ist, habe ich einen Grund mehr, schnell nach Hause zu kommen. Gib den Weg frei Jokoff, wir unterhalten uns ein anderes Mal.“

      „Nichts da, runter von dem Wagen, keinen Schritt werden die Pferde Dich mehr in Richtung Wismar bringen.“

      „Was soll das? Lass mich des Weges ziehen, ich werde die Dinge richten, sobald ich angekommen bin.“

      „Du wirst nichts weiter tun als vom Wagen zu steigen und der Vogel neben Dir auch.“

      Bernhard Rikeland hatte keine Wahl, die Kerle auf dem Wagen zwangen ihn und seinen Knecht hinunterzuklettern.

      „Versündige Dich nicht Moderitz, Du willst uns doch nichts antun?“

      „Oh nein, so dumm bin ich auch nicht. Niemand von uns wird Hand an Euch legen. Meine Brüder und ich sind ehrbare Männer. Wir krümmen Euch kein Haar.“

      „Was willst Du dann?“

      „Ich wollte Dir nur sagen, wie leichtfertig es ist, bei diesem Wetter mit so wenig Bekleidung zu reisen.“

      „Wovon sprichst Du?“

      „Ausziehen!“

      „Was?“

      „Runter mit den Klamotten!“

      Um der Aufforderung Nachdruck zu verschaffen, schnappten sich zwei Brüder von Jokoff Moderitz den vor Angst schlotternden Knecht und entrissen ihm den Umhang. Eh es sich der arme Bursche versah, war er auch seines Schuhwerkes und des Wamses entledigt. Mit einem schnellen Messerschnitt durchtrennte ihm einer der Männer den Gürtel und die Hose rutschte zu Boden. Zitternd stand er im eisigen Sturmwind.

      „Um Gottes Willen was macht ihr da?“ Bernhard Rikeland schrie auf. „Er wird sterben!“

      „Und Du hoffentlich auch“, erwiderte Jokoff Moderitz und bedeutete ihm seine Kleidung abzulegen. „Mach hin, uns ist kalt, wir wollen nach Hause ins angewärmte Bett.“ Die Männer grölten bei diesen Worten und schlugen sich vor Lachen auf die Schultern.

      Bernhard Rikeland zog langsam seine Sachen aus. Er hatte keine Chance gegen die fünf wehrhaften Brüder.

      Die warfen inzwischen die Klamotten auf den Wagen, kletterten hinauf und schickten sich an davonzufahren.

      „Wartet!“, rief Bernhard. „Wartet, ihr könnt uns nicht einfach hier stehen lassen!“

      „Doch, können wir und machen wir. Eine bessere Gelegenheit Dich ohne Blutvergießen aus der Welt zu schaffen, kriegen wir nicht wieder. Wir werden Dich und den Rest Deiner Familie ausrotten. Ihr wart uns schon immer im Weg. Schönen Abend noch.“

      Jokoff wendete das Fuhrwerk und fuhr laut lachend zurück in Richtung Lübeck. Nach ein paar Metern drehte er sich um und rief: „Ach übrigens, Deine Tochter heißt Ghese, sie kann längst laufen und ist ein richtiger roter Teufel.“

      Fassungslos starrten die beiden nackten Männer dem Karren hinterher. Sie begannen zu rennen und wollten hinten aufspringen, wurden aber mit kräftigen Peitschenhieben abgedrängt.

      Mit dem Wagen waren es etwa zwei Stunden bis Wismar. Zu Fuß, bei dieser Kälte und ohne Zeug auf dem Leib, war es unmöglich den Weg zu schaffen. Frost hatte eingesetzt und ließ sehr schnell alles gefrieren.

      Aufgeben wollten sie nicht, deshalb setzten sie einen Fuß vor den anderen. Wie weit kamen sie aber? Nach ein paar hundert Metern brachen sie zusammen. Es begann zu schneien und die Nacht breitete ein Leichentuch aus.

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      Eine Woche später wurde Johan Rikeland unruhig. Schon seit langem hatte er seinen Sohn zurückerwartet. In der letzten Botschaft stand, dass er eine Tagesreise von Lübeck entfernt sei und von dort noch ein Fass Rotspon mitbringen wolle. Ob er wohl zuviel davon gekostet hatte? Rikeland schmunzelte kurz. Nein, so einer war der Bernhard nicht, auf ihn konnte man sich verlassen. Trotzdem, irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht.

      Er konnte seinen Freund Hegemann überzeugen, mit ihm auf die Suche zu gehen und so ritten sie gemeinsam gen Lübeck.

      Gallus Sympathicus - Der Erzähler

       Meine Vorfahren haben erlebt, dass Wismar Mitte des 13. Jahrhunderts aus allen Nähten platzte. Die Bürger waren fleißig, der Handel florierte, die Stadt wurde wohlhabend. Neue Wohnhäuser und Geschäfte mussten her. Man erbaute sie im Bereich der heutigen Neustadt.

       Mit der Errichtung der Pfarrkirche Sankt Georgen (niederdeutsch: Sankt Jürgen), welche, mit modernen Maßstäben gemessen, einer besseren Dorfkirche entsprach, wurde die erste Bauperiode einer neuen Hallenkirche eingeleitet. Man baute fortschrittlich, aber teuer, aus Stein.

       Zur selben Zeit tauchte auch der erste meiner Ahnen in Wismar auf.

       Wer ich bin?

       Nun, mein Name ist Gallus. Das wird Ihnen möglicherweise nicht viel sagen. Um mehr über mich zu erfahren, können Sie in der Geschichte der Stadt Wismar forschen, oder aber diesen Roman bis zum Ende lesen. Ich werde Sie dabei begleiten und das historische Wissen meiner Vorfahren sehr gerne mit Ihnen teilen.

       Eines noch, auch wenn meine Familie seit Jahrhunderten in Wismar ansässig ist, schließe ich doch verwandtschaftliche Verbindungen zu irgendeinem der geneigten Leser völlig aus.

      März 1250 – Die Opferhand

      Die Ratsleute tobten.

      Noch nie war ein solch frevelhafter Antrag auf ihren Tisch gekommen.

      Der Bürgermeister griff immer wieder zur Tischglocke und mahnte die aufgebrachten Männer sich zu beruhigen. Sein lauter volltönender Bass wurde allerdings vom Geschrei der anderen erstickt.

      Einzig Johan Rickeland saß still am Tisch und starrte mit glasigen Augen vor sich hin..:

      Am lautesten schrie Jander Moderitz seinen Zorn hinaus, aber das hatte Rikeland nicht anders erwartet. Nur, dass auch sein Freund Hegemann in den Chor der Entrüstung einstimmte, das befremdete ihn.

      Vielleicht aber war ja das, was er da verlangte, und dem Rat auf einem Stück Pergament vorgelegt hatte, tatsächlich ein Frevel.

      Er nahm das Blatt an sich, stand auf und augenblicklich war es totenstill in der Ratsstube. „Ich wiederhole noch einmal mein Ansinnen“, sprach er und las das Schreiben langsam vor.

      „Ich, Johan Rikeland, der Unterzeichner gar selbst, leibhaftig

       und bei geistiger Unversehrtheit, verlange Aufklärung

       über die grausame Ermordung meines Sohnes Bernhard.

       Seine seelenlose Hülle werde ich auf dem Kirchhof von

       Sankt Jürgen der Erde wiedergeben.

       Mit diesem Schriftstück aber beantrage ich Folgendes:

       Vor der Beisetzung meines Sohnes soll seinem Leichnam die

       rechte Hand abgenommen und in der Kirche für jedermann sichtbar

       aufbewahrt werden.

       Sie wird ein Zeichen für die Anklage dieser barbarischen Tat sein,

       ein Zeugnis für meinen Willen, nicht eher zu ruhen, bis der elende

       Schurke gefasst ist, der den letzten Erben der Familie Rikeland