Das Geheimnis der Baumeisterin. Petra Block

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Название Das Geheimnis der Baumeisterin
Автор произведения Petra Block
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847682066



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bei Sankt Jürgen.“

      „Was aber soll mit dem Friedhof und der alten Kapelle geschehen?“ Arnhold Hegemann kaute nun schon gelassener an dem Fleisch herum. Er war ein stattlicher Kerl, wenn er zum Essen auftauchte, konnte man sicher sein, dass kein Häppchen übrig blieb.

      „Der Rat hat beschlossen ein neues Kirchspiel zu bauen, daher wird die Kapelle vorerst bleiben, aber wir werden eine neue Bürgerkirche bauen und somit wird auch der Friedhof weiterhin von der Stadt betrieben.“

      „Wie viele Seelen leben eigentlich hier?“

      „So an die viertausend mögen es wohl sein.

      „Das ist ja eine beträchtliche Anzahl, da sind doch viele Töchter aus guten Häusern dabei, hat denn Dein Sohn noch immer keine Braut gefunden?“

      „Bernhard ist nach Flandern unterwegs und versucht neue Handelsbeziehungen aufzubauen. Ich hoffe sehr, dass ihm dort eine Jungfer gefällt. Ich habe ihn bei meinem alten Freund Heesten einquartiert. Der hat gleich zwei liebreizende Töchter und die Mitgift kann sich auch sehen lassen.“

      Hegemann lachte. „Als ob er die nötig hätte, Deine Geschäfte laufen seit Jahren mehr als gewinnbringend. Wer auch immer in Deine Familie einheiratet, wird es gut haben. Bernhard ist ein braver Bursche, Geld wird er genug erben und gesund ist er allemal. Aber zurück zur geplanten Stadterweiterung. Meinst Du es lohnt sich, innerhalb des neuen Kirchspiels ein Haus zu bauen?“

      „Das könnte sehr wohl sein, ich selbst trage mich mit dem gleichen Gedanken. Darüber können wir aber ein anderes Mal reden, jetzt verrate mir endlich, wer Dir von dem Ratsbeschluss erzählt hat, diese Antwort bist Du mir schuldig. Heraus mit der Sprache, wer ist der Schwätzer?“

      „Oh, das kann ich Dir gar nicht sagen. Ich habe vor einer Stunde im Roten Ochsen gegessen und am Nachbartisch ein Gespräch belauscht.“

      „Du hast vor einer Stunde erst gegessen und frisst mir hier den Hammelbraten weg? Gütiger Gott Arnhold, Dich darf man nicht leichtfertig zu Tische bitten, da wird man schnell arm. Wer waren die Männer die Du beobachtet hast?“

      „Ich kenne sie nicht, sie trugen gutes Tuch am Leib und sahen wohlhabend aus. Einer von ihnen hatte einen merkwürdigen Namen, er wurde von dem Anderen Jokoff genannt. Mehr kann ich Dir zu den beiden nicht sagen. Sie flüsterten sehr eindringlich miteinander.“

      „Jokoff? Man erzählt sich, dass in der Familie Moderitz seit Generationen nur Jungen geboren werden, und damit das so bleibt, kriegen sie alle einen Namen mit J verpasst. Du kennst doch auch Jorge, Jost und Jesco. Ob dieser Jokoff wohl dazugehört? Es gibt noch einen Jander, und der ist Mitglied im Stadtrat. Sollte der sich erdreisten, die Ratsbesprechungen mit seinen Brüdern auszuwerten?“

      Rikeland kam nicht dazu seine Gedanken weiter auszuführen. Trine, die Magd, bat ihn ins Kontor zu kommen, die alte Benedicta wolle ihn sprechen.

      Als hätte ihn ein wildes Tier angefallen, sprang er vom Tisch auf und riss dabei den Bierkrug um. Das der Inhalt sich über den Teller und die lederne Hose seines Gastes ergoss schien ihn nicht zu stören. Hastig durchquerte er den Raum und polterte die Stufen zur unteren Etage hinunter.

      Hegemann blieb verwundert zurück und schüttelte den Kopf. Was war nur in seinen Freund gefahren? Die alte Benedicta war weiß Gott kein Weib, deretwegen ein Mann den Kopf verlieren konnte. Mindestens sechzig Jahre musste sie schon zählen, er würde sich glücklich schätzen, wenn er dieses Alter jemals erreichen sollte.

      Der Tisch war vom Bier triefend nass, seine Hose durchgeweicht, aber das hielt ihn nicht davon ab, sich das letzte Stück Braten zu angeln und es genüsslich zu verschlingen. Johan würde schon wiederkommen, bis dahin hatte er Muße noch die Kanne Bier zu leeren.

      Johan Rikeland stand unterdessen atemlos vor der Frau und herrschte sie an. „Was hast Du mir zu geben, Vettel, her damit, schnell, schnell.“

      Die Alte wühlte unter ihren Röcken einen Beutel hervor und griff hinein. Die Sache schien ihr selber nicht geheuer, und so hielt sie ihm zaghaft zwei kleine Engelsfiguren hin, eine schwarze und eine weiße. Rikeland griff sich ans Herz und taumelte zurück. Damit hatte er nicht gerechnet, welch ein Unglück. Es schien ihm gewiss, dass seinem Hause ab sofort böses Unheil drohte. Zitternd bedeutete er Benedicta den schwarzen Engel auf einen Tisch zu legen. „Den anderen, den bring zurück, und sag, ich bin zur selben Zeit am bekannten Ort.“

      Dann sackte er auf einem Stuhl zusammen. So fand ihn wenig später Arnhold Hegemann, der sich anschickte heimwärts zu gehen.

      März 1250 - Jokoff Moderitz

      Eisig pfiff der Wind durch die Bäume.

      Der Winter war mit ganzer Härte noch einmal zurückgekehrt und machte allen das Leben schwer. Die Tiere in Wald und Flur hatten sich verkrochen, und die Menschen taten es ihnen gleich. Wer nicht unbedingt musste, der blieb in Haus oder Hütte und hielt sich warm, soweit er noch irgend etwas besaß, das er verfeuern konnte.

      Diese unwirtliche Zeit war aber auch die Zeit der Halunken und Verbrecher. Niemand sah sie, wenn sie sich nachts durch die Städte und Dörfer stahlen. Die Menschen hatten alle Fensterläden verbarrikadiert, um dem Wind keinen Einlass zu gewähren.

      In einer solchen Nacht schlich eine Handvoll düsterer Gestalten etwa zwei Wegstunden von Wismar entfernt durch das Gehölz einer Niederung. Hier verlief die sonst stark belebte Handelsstraße nach Lübeck. In der heutigen Nacht ließ nicht einmal ein Käuzchen seine unheilvollen Schreie hören.

      Die Männer froren erbärmlich, aber der Gedanke an das, was sie vorhatten, ließ sie die Kälte ertragen. Im Schutz einer Baumgruppe lauerten sie auf ihr Opfer.

      Dieses sollte Bernhard Rikeland sein, der unvorsichtigerweise in einer Schänke Lübecks geäußert hatte, dass er noch in der kommenden Nacht weiter nach Wismar reisen wolle. Er sei jetzt kurz vor der Heimat, und könne nicht abwarten endlich wieder zu Hause zu sein. Zwei Jahre war er unterwegs, vornehmlich in Flandern um Tuch einzukaufen und für das Geschäft seines Vaters neue Handelspartner zu finden. Die Männer am Tisch hinter ihm beachtete er nicht. Das hätte er aber besser getan, dann wäre ihm Jokoff Moderitz aufgefallen, der mit seinen Brüdern eilig aufbrach, noch bevor sie ihr Bier gänzlich ausgetrunken hatten.

      Nun horchten sie in die Nacht hinein und brauchten auch nicht lange zu warten. Schon bald ertönte das Rumpeln des Pferdegespannes, und trotz des pfeifenden Windes vernahmen sie die heitere Unterhaltung Bernhard Rikelands und seines Begleiters. Die beiden schienen, wie ihre Pferde, den heimischen Stall schon fast zu riechen. Sie lachten ausgelassen.

      Die Pferde scheuten plötzlich und zwei Männer griffen ihnen in die Zügel. Zwei andere hangelten sich sofort auf den Wagen, während ein Fünfter sich breitbeinig vor dem Fuhrwerk aufbaute.

      „Sei gegrüßt, Bernhard Rikeland, warst lange weg.“

      „Jokoff Moderitz, warum stellst Du Dich mir in den Weg wie ein Wegelagerer? Mach Platz, ich habe es eilig.“

      „Eilig um zu Deinem Liebchen zu kommen?“

      „Ich war mehr als zwei Jahre unterwegs und freue mich auch darauf Agnes wiederzusehen, ja, das ist richtig. Und wenn sie immer noch will, dann wird sie meine Frau.“

      „Meine Schwester wirst Du nicht bekommen, die Familie hat sie ausgestoßen, verjagt, sie lebt jetzt im neuen Hospital vor den Toren der Stadt.“

      „Nur weil sie mich liebt und Ihr mich nicht leiden könnt? Du und Deine Familie, Ihr seid gottlos und brutal. Ich werde sie da sofort rausholen und zu mir nehmen.“

      „Das sollte Dir schwerfallen, sie ist ehrlos, Dein Vater wird es nicht dulden, dass Du eine Hure mit einem Kind bei Dir aufnimmst.“

      „Ein Kind, wieso ein Kind?“

      „Ach, tu nicht so als wissest Du es nicht, hast sie erst geschwängert, und Dich dann aus dem Staub gemacht. Hättest sie vorher heiraten sollen. Unsere ganze Familie hat unter ihrem Fehltritt zu leiden. Viele haben sich von uns abgewandt.