Das Geheimnis der Baumeisterin. Petra Block

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Название Das Geheimnis der Baumeisterin
Автор произведения Petra Block
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847682066



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Haus in der Lübschen Straße unweit des Hospitals vom Heiligen Geist.“

      „Die meisten der Frauen sind Witwen und nicht unvermögend. Sie leben nach eigenen Regeln und können den Konvent auch wieder verlassen und heiraten wenn sie wollen. Du solltest Dich nicht mit ihnen abgeben. Man sagt ihnen ungeheuerliche Dinge nach.“

      „Ungeheuerliche Dinge? Erzähl mir davon.“ Dem Knaben fiel vor Spannung fast das Essen aus dem Mund. Rikeland druckste herum. „Nun ja, sie leben wohl nicht so keusch wie Gott es für die Menschen vorgesehen hat.“

      „Trotzdem lässt Du sie in unser Haus?“

      „Nur um die Wäsche zu holen, sie zu säubern und Näharbeiten auszuführen. Deine Herumtreiberei auf den Baustellen beschert uns immer wieder zerfledderte Hosen. Trine ist alt geworden, sie schafft es kaum noch das Haus zu versorgen. Ich sollte mich nach einer jüngeren Magd umsehen.“

      Conrad beschloss später über das Gehörte nachzudenken und sich mit seinem Freund Gottfried über die Beginen zu unterhalten. Jetzt gab es wichtigere Dinge zu besprechen.

      „Wegen der Baustellen und meiner Ausbildung Vater, ich kann doch auf Dein Versprechen hoffen, dass Du mich nicht in das Tuchgeschäft zwingen wirst?“

      „Ich weiß längst, dass Du einen einmal gefassten Entschluss selten rückgängig machst. Deine Begeisterung für Steine und Bauwerke verfolge ich, seit Du den ersten Backstein gestohlen hast. Meine Angst Dich deswegen eines Tages am Pranger zu finden oder gar einer schlimmeren Bestrafung ausgesetzt sehen, war immer unermesslich.“

      Conrad blickte stumm auf den Tisch.

      „Ich kann nicht anders Vater. Nicht stehlen, nein das meine ich nicht. Gottes Gebote sind mir wichtig und ich habe nie etwas anderes genommen als Steine, das kannst Du mir glauben. Nur bauen, Vater, bauen will ich. Steine sind so lebendig wie ein Schaf oder ein Hund. Ein einzelner hat wahrlich kein Herz, aber alle zusammen haben viel mehr, als die meisten Menschen sehen können. Sie geben den Gebäuden ein Gesicht. Die Häuser schauen mich an, wenn ich vorüber gehe. Atmen sie nicht? Hat nicht jedes einen anderen Geruch, gerade so, wie jeder Mensch anders aus dem Halse riecht? Und hast Du sie schon einmal reden hören? Sie sprechen zu mir. Ein Haus hat nicht nur eine Seele, es beherbergt die Seelen aller Menschen, die einmal in ihm wohnten. Holzhäuser gehen schnell kaputt, sie brennen ab oder fallen zusammen, dann ist auch das Leben aus ihnen gewichen. Steinhäuser werden alles in sich bewahren. Noch in hundert Jahren können sie den Menschen erzählen was sie jemals erlebt haben.“

      Johan Rikeland legte seinem Sohn beschwichtigend die Hand auf den Arm. „Du brauchst Dich nicht so in Zorn zu reden mein Junge. Zu Bodecker gehe ich gleich morgen früh. Ich wollte ihm schon gestern sagen, dass Du Dich in vierzehn Tagen bei Baumeister Egidius Medenge vorstellen wirst. Übrigens meinte der Du würdest auch einen vortrefflichen Holzfäller abgeben.“

      Conrad wurde rot bis über die Ohren. Erwischt! Seit einiger Zeit half er den Bauleuten Holz für die Brennöfen des Ziegeleihofes heranzuschaffen. Die Wälder um Wismar herum gaben reichlich Brennholz her und ihm war es ein Bedürfnis sich auszutoben und nach dem Unterricht richtig in Schweiß zu geraten. Er bekam nichts dafür, doch er konnte seinen Teil zum Bau der neuen Georgskirche beitragen, wenn auch heimlich. Nun würde sich aber alles ändern, in zwei Wochen durfte er offiziell mitbauen. Freudestrahlend fiel er seinem Vater um den Hals.

      An diesem Abend lag Conrad glücklich in seinem Bett. Gleich morgen wollte er zu Egidius Medenge gehen und sich entschuldigen. Nichts sollte seinen Start als Baugehilfe beschweren. Er wusste, dass er einen langen Weg vor sich haben würde. Seine Gedanken kreisten aber nur kurz um Backsteine und Kirchen. Immer wieder gingen ihm die Worte Johan Rickelands im Kopf herum. Beginen lebten unkeusch und trieben ungeheuerliche Dinge. Seine Phantasie reichte nicht aus um zu einem Ergebnis zu kommen. Endlich riss ihn der Schlaf mit sich fort und Conrad träumte von einer riesigen Kirche, wie sie selbst Wismar nicht besaß. Ihm kam es vor als stäche sie mit ihrer endlos langen Kirchturmspitze Gott in seinen Allerwertesten. An dicken Pfeilern prangten mächtige Frauenköpfe mit grünen Augen und roten wallenden Haaren. Ihre Münder waren weit aufgerissen und lachten ihn schamlos aus.

      Gallus Sympathicus - Der Erzähler

       Frauen, unter ihnen viele wohlhabende Witwen, schlossen sich seit Beginn des 13. Jahrhunderts zu religiösen Gemeinschaften zusammen. Sie waren autonom, selbständig und finanziell unabhängig. Man nannte sie Beginen, aber auch Polternonnen oder Seelschwestern. Sie legten nur ein Gelübde auf Zeit ab und konnten, wann immer sie wollten, den Beginenhof verlassen, aus dem Konvent austreten, heiraten und ein bürgerliches Leben führen. Ihre Aufgabe sahen sie nicht nur in religiösen, sondern auch sehr praktischen Zwecken. So widmeten sie sich u.a. der Krankenpflege, der Rettung moralisch Gefallener oder übten das Textilhandwerk aus. Der Klerus konnte mit den selbstbewussten Damen, die einerseits wahrhaftig nach christlichem Glauben lebten, andererseits klösterliche Regeln missachteten, nicht viel anfangen, Er verdächtigte einige von ihnen der Häresie und verbot sie ab und an. Besonders die deutschen Bischöfe kämpften vehement gegen die Beginen.

       Männer, die sich auch zu solchen Gemeinschaften zusammenschlossen, nannte man Begarden, mancherorts auch Lollarden.

       In Wismar lebten die Frauen im Marianischen Konvent, Lübsche Straße Ecke Beguinenstraße, zusammen und waren dem Franziskanerorden angeschlossen. Lustigerweise hielten sich zeitweilig in unserer Stadt mehr Beginen auf, als Graue Mönche zu finden waren.

       Zu einem der vorigen Kapitel möchte ich nur soviel anmerken, dass der Übeltäter, welcher für das Grauen in Wismar verantwortlich war, nichts mit dem Stammbaum derer von Gallus zu tun hat, wenngleich uns auch eine geringfügige Namensähnlichkeit verbindet. Wie entsetzlich!

      Februar 1263 - Begierden

      Er durfte nicht hier sein, aber die Gier nach Rache war größer.

      Hier, in der dreckigsten Kaschemme die er je gesehen hatte, wollte er einen Mann treffen, dem jeder Bürger Wismars aus dem Wege ging, den Anführer einer Kinderbande, die in den Wäldern und Dörfern zwischen Lübeck, Rostock und Schwerin ihr Unwesen trieb.

      Die Tranfunzel ließ seine Augen tränen und verrußte ihm das Gesicht, aber das war auch gut so. Niemand sollte ihn erkennen, darum zog er die Kapuze seines Umhanges tiefer ins Gesicht. Die Männer an den anderen Tischen vergnügten sich mit kreischenden Dirnen. Ihm war das Treiben in der Schänke „Zur Fackel“ höchst zuwider. Oh, Mädchen mochte er schon, aber als Mitglied des Stadtrates konnte er sich bessere Weiber leisten.

      Die Tür öffnete sich lautlos und niemand nahm Notiz von der eintretenden Gestalt. Lediglich der Hauch des Winters streifte kurz alle Anwesenden im Schankraum. Wortlos setzte sich der Kerl neben ihn, nahm ihm den Becher Bier weg und leerte ihn in einem Zug.

      Ein übler Dunst breitete sich um den Eingetretenen aus.

      „Welcher von euch bist Du?“ fragte er.

      „Ist das wichtig?“

      „Sicher, ich kenne meine Feinde gern.“

      „Warum Feind? Ich habe nichts mit Dir.“

      „Hinterher schon, es ist immer so. Also?“

      „Jander“

      „Der Ratsherr persönlich?“ Leises Lachen ertönte. „Ihr Moderitzbrüder macht noch Dunklere Geschäfte als meine Bande. Es soll mir ein Vergnügen sein, für Euch zu arbeiten. Und Euch soll es ordentlich was kosten.“

      „Psst, sei doch still! Du wirst nicht zu kurz kommen, vorausgesetzt das Ergebnis fällt so aus, wie ich es mir vorstelle.“

      „Seit dem beschlossenen Hansebündnis vor vier Jahren ist es riskant geworden, die Handelswege zu belagern.“

      „Wegelagerei