Undercover - Auftrag. Jürgen H. Ruhr

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Название Undercover - Auftrag
Автор произведения Jürgen H. Ruhr
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738044966



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ich einfach ein. Nein, Chrissi saß noch nicht an ihrem Schreibtisch. Aber ein großer Zettel lag da auf ihrem Tisch. ‚Bin kurz beim Zahnarzt - Birgit‘, stand da. Aha. Hätte sie mir das nicht sagen können, bevor sie einfach davonzog? Ich beschloss, einmal mehr mit Bernd über unsere Hilfskraft zu sprechen. So konnte das ja auf gar keinen Fall weitergehen!

      Und Kaffee war auch keiner da.

      Zurück im Büro suchte ich in der Akte nach der Rufnummer dieser Frau ‚Ottkans‘. Nicht einmal die hatte Birgit notiert. Seufzend recherchierte ich im Internet. Wenigstens dort fand ich die Telefonnummer der Dame nach einiger Sucherei.

      „Frieda Ottkans.“ Gut, dass die Frau zu Hause war. Wo sollte sie um halb zehn Uhr morgens auch stecken? Aber man konnte ja nie wissen, so alte Leutchen fanden ja immer einen Grund, das Haus zu verlassen.

      „Hallo, ist da jemand?“ Die Stimme klang ungeduldig. Ich räusperte mich. „Jonathan Lärpers von der Detektei Argusauge - nein, Tschuldigung nur Argus ohne Auge.“ Ich korrigierte mich schnell, damit auch ja kein Missverständnis aufkam.

      „Hallo, wer ist da? Auge? Detektei? Ich kenne keine Detektei Lärkers. Und sprechen sie doch nicht so schnell, ich kann sie ja kaum verstehen.“

      Auch das noch: Die Frau schien ziemlich taub zu sein. Wie alt war meine Frieda Ottkans eigentlich? Wieder etwas, das Birgit hätte notieren müssen.

      „Jonathan Lärpers. Von der Detektei Argus.“ Ich sprach jetzt im Zeitlupenmodus. „Sie haben uns angerufen. Wegen der Vermisstensache.“

      Eine Pause entstand.

      „Vermisstensache? Wird jemand vermisst? Hallo, sind sie noch am Apparat Herr Argus?“ - „Jonathan Lärpers. Detektei Argus. Sie haben uns angerufen. Vermissen sie etwas?“

      Die Dame schien sich zu besinnen. „Ach ja, stimmt. Ich rief sie ja an. Haben sie ihn denn schon gefunden?“

      Das war also des Pudels Kern. Die Frau vermisste einen Angehörigen. Vielleicht ihren Mann. Ob sie das schon der Polizei gemeldet hatte? Fragen über Fragen. Ging uns diese Vermisstensache überhaupt etwas an?

      „Frau Ottkans, waren sie schon bei der Polizei? Und ist die Frist von vierundzwanzig Stunden denn schon abgelaufen?“ Bevor eine Person nicht vierundzwanzig Stunden verschwunden war, rührte die Polizei keinen Finger. Oder heißt es ‚krümmte keinen Finger‘?

      Frieda Ottkans klang jetzt ziemlich hysterisch am anderen Ende. „Vierundzwanzig Stunden? Warum sollte ich so lange warten? Gestern war ich bei der Polizei. Die haben sich das aber nur aufgeschrieben und gesagt, sie rufen mich wieder an. Aber niemand hat sich gemeldet und heute Morgen habe ich ihre Telefonnummer im Telefonbuch gefunden. Oder war das gestern? Sie machen mich ganz durcheinander! Sie mit ihren vierundzwanzig Stunden. Haben sie ihn denn schon gefunden? Wie war noch ihr Name? Lätters? Sind sie die Polizei?“

      Ich beschloss, dass dieses Hin und Her am Telefon wenig sinnvoll wäre. Die Dame schien mir ziemlich verwirrt. Oder aufgeregt. Oder beides. „Ich komme gleich zu ihnen, Frau Ottkans. Die Adresse habe ich ja. Warten sie bitte zu Hause auf mich, in gut einer halben Stunde bin ich bei ihnen.“ - „Gut, gut. Sie haben ihn also gefunden? Sind sie der Polizist mit dem ich gesprochen habe?“

      Ich schüttelte den Kopf. Was stand mir da bevor? „Nein, Frau Ottkans. Ich habe ihn noch nicht gefunden. Und ich bin Jonathan Lärpers von der Detektei Argus!“ Das auf meinen Lippen schwebende ‚Auge‘ verkniff ich mir.

      Natürlich parkte ich letztlich doch in der Tiefgarage, nachdem ich einige Runden in der Rheydter Innenstadt auf der Suche nach einem Parkplatz drehen musste. Die Parkgebühren würde mir Bernd aber auf jeden Fall erstatten müssen. Zumal ich jeden Cent brauchte, denn es wurde allmählich Zeit, dass ich mir einen neuen Wagen zulegte. Mein alter Ford gab mittlerweile so merkwürdige Geräusche von sich, dass ich befürchtete, er könne jederzeit auseinanderfallen.

      Noch lief der Wagen allerdings und nachdem ich die Fahrertür beim Aussteigen gegen einen Pfeiler stieß, sinnierte ich längere Zeit darüber nach, ob es überhaupt einen Sinn machte, einen neuen Wagen zu kaufen. Irgendwie schaffte ich es ja immer wieder, neue Beulen in das Blech zu bekommen. Seufzend begab ich mich auf den Weg zu Frau Ottkans.

      Das Alter der Dame lag mit Sicherheit weit über achtzig Jahre, jedoch machte sie einen noch recht rüstigen Eindruck auf mich. „Wollen sie nicht hereinkommen, junger Mann?“ Noch leicht keuchend - immerhin befanden wir uns hier im dritten Stock eines Hauses ohne Aufzug - stützte ich mich am Türrahmen ab. Vielleicht sollte ich doch wieder etwas mehr trainieren; in letzter Zeit kam das Ausdauertraining immerhin ein wenig zu kurz ...

      Die alte Frau winkte einladend mit der Hand. Ich hatte mich noch gar nicht vorgestellt, wie konnte sie so vertrauensvoll sein? Mein Detektivsinn erwachte.

      „Wissen sie denn, wer ich bin? Sie bitten mich so vertrauensvoll herein.“ - „Natürlich, sie sind doch der Polizist, der meinen Männe gefunden hat. Kommen sie herein.“

      Ich seufzte. „Gute Frau, ich bin weder Polizist, noch habe ich ihren Männe gefunden.“ Wenigstens war jetzt klar, dass es um ihren verschwundenen Ehemann ging. Die Sache fing an spannend zu werden. „Ich bin Jonathan Lärpers von der Detektei Argus“, fügte ich hinzu und trat in die Wohnung.

      Doch jetzt stellte die Frau sich mir in den Weg: „Sie sind nicht von der Polizei? Ich schreie, wenn sie näher kommen! Verlassen sie sofort meine Wohnung! Wieso geben sie sich eigentlich als Polizist aus, wenn sie keiner sind? Und wo ist mein Männe?“

      Rasch ging ich den Schritt zurück in den Hausflur. „Sie haben uns doch angerufen“, versuchte ich es verzweifelt erneut. „Die Detektei! Wir sollen ihnen helfen, ihren Mann wiederzufinden.“

      Jetzt sah mich die Alte skeptisch an. „Warum sagen sie das denn nicht gleich? Faseln da immer wieder was von Polizei. Aber wieso suchen sie meinen Mann?“

      Im Geiste raufte ich mir die Haare. Allmählich wurde mir auch klar, warum die Informationen in meiner Akte so spärlich vorhanden waren.

      „Kommen sie doch herein. Sie müssen nicht im Hausflur stehen bleiben.“ Erneut winkte sie mir, die Wohnung zu betreten. Vorsichtig folgte ich ihr, immer damit rechnend, wieder hinausgeworfen zu werden. Im kleinen Wohnzimmer nötigte sie mich, auf einem abgewetzten Sessel Platz zu nehmen.

      „Darf ich ihnen einen Tee anbieten?“

      Noch bevor ich ablehnen konnte, verschwand die Frau in der Küche. Ein Kaffee wäre mir jetzt lieber gewesen. Dann kramte ich die Ein-Blatt-Akte hervor und fing an, mir einige Notizen zu machen. ‚Wohnung im dritten Stock. Alter: sehr alt.‘ Ich nahm mir vor, Frieda Ottkans nach ihrem genauen Alter zu fragen. Dann notierte ich weiter: ‚Verschwunden: Ehemann, genannt auch Männe‘. Wie alt mochte der sein? Konnte man bei den beiden schon von Demenz sprechen?

      Plötzlich klapperte Geschirr vor mir. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass die Frau wieder zurückgekommen war. Vorsichtig goss sie mir aus einer uralten Kaffeekanne ein.

      „Danke, Frau Ottkans.“ Ich griff zur Tasse.

      „Vorsicht heiß. Der Tee ist frisch aufgebrüht.“ - „Ja, danke Frau Ottkans. Das dachte ich mir schon fast.“ Vorsichtig nippte ich an dem Getränk. Was war das denn für ein Tee? Der schmeckte nach nichts. Nach Wasser, warmen Wasser.

      „Zucker, Herr L...?“ - „Lärpers, Jonathan Lärpers. Von der Detektei Argus“, half ich ihr auf die Sprünge.

      „Wollen sie nun Zucker oder nicht?“ - „Ja, bitte. Drei Würfel.“ Ein bisschen Geschmack wäre ja nicht schlecht.

      Frieda Ottkans schüttelte mit dem Kopf. „Habe ich nicht.“

      Jetzt war es an mir, ungläubig den Kopf zu schütteln. Erst bot sie mir Zucker an und dann besaß sie gar keinen? „Aber sie haben doch gerade selbst gefragt, ob ich Zucker möchte?“ Ich musste sehr ratlos ausgesehen haben, denn jetzt lachte die Frau: „Keine Würfel. Aber natürlich habe ich Zucker. Sehen sie - hier.“ Damit reichte sie mir eine Zuckerdose, die wohl ebenso alt war wie die Kaffeekanne.

      „Also,