Lost in Privilege. Markus Gammersbach

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Название Lost in Privilege
Автор произведения Markus Gammersbach
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754132159



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in die Zukunft. War das Leben mit Anfang 20 so schön vorgeplant, sieht die Realität fünf Jahre später oft ganz anders aus. Auf einmal haben wir noch immer nicht unsere große Liebe kennengelernt, finden trotz erfolgreich absolviertem Studium nicht den entsprechenden Job oder können uns all die Dinge nicht leisten, die wir so gerne hätten.

      Die Sinnkrise

      Dass die Sinnkrise von Millennials ein weit verbreitetes Phänomen ist, belegen mittlerweile diverse Studien. Einige von ihnen haben ihr sogar in Anlehnung an die bekannte Midlife-Crisis den Namen Quarterlife-Crisis verpasst. Ob die Sinnkrise in den Zwanzigern ähnlich einnehmend ist wie die Krise um den 50. Geburtstag, kann und möchte ich nicht beurteilen. Fest steht allerdings, dass sich viele von uns in einer Situation voller Zweifel wiederfinden.

      Laut einer Umfrage vom Online-Netzwerk LinkedIn bedeutet das konkret, dass eine solche Krise bei bis zu 75 Prozent der Millennials auftreten kann. Dazu wurden 2017 ca. 6.000 Personen zwischen 25 und 33 Jahren befragt. Die Ergebnisse dieser Umfrage möchte ich an dieser Stelle gerne präsentieren:

       80% fühlten sich unter Druck gesetzt, bis zum 30. Lebensjahr Erfolg zu haben

       59% verspürten Unsicherheit über die nächsten Schritte (beruflich & privat)

       54% waren frustriert über die Karrieremöglichkeiten

       49% hatten das Gefühl, nicht genug zu verdienen

       48% waren verunsichert durch Vergleiche mit anderen

       44% fühlten sich in einer Sackgasse

       43% waren der Ansicht, bis jetzt zu wenig gereist zu sein

       35% verspürten Druck, zu heiraten und Kinder zu kriegen

       33% fühlten sich, als hätten sie persönliche Ziele nicht erreicht

      Je nach Ausprägung kann sich aus diesen Gedanken ein stark verzerrter Blick auf die eigenen Lebensumstände entwickeln, der von fehlendem Selbstvertrauen und einer angespannten Grundstimmung begleitet wird. Wie lange diese Empfindungen anhalten, ist völlig individuell. Sie können nur für ein paar Tage oder für Wochen und Monate den Alltag bestimmen. Teilweise kann sich eine Sinnkrise auch mehrere Jahre hinziehen, in denen regelmäßig Phasen voller Unsicherheit und Zweifel auftreten.

      Auch wenn in früheren Generationen die Aufmerksamkeit für ein solches Thema nicht so ausgeprägt war, ist die Sinnkrise in den Zwanzigern ein charakteristisches Merkmal der Millennials. Klassische Auswirkungen einer solchen Krise lassen sich dabei auch in der Social-Media-Welt recht gut beobachten.

      In Instagram-Feeds von Millennials sind zahlreiche Beiträge zu finden, die auf ironische Art und Weise die Lebensumstände und das eigene Gefühlsleben illustrieren. Recht oft befassen sich diese mit dem eigenen Single-Leben, finanziellen Sorgen, der Ahnungslosigkeit in Bezug auf die eigene Karriere oder mit übermäßigem Alkoholkonsum, um all das kurzzeitig verdrängen zu können. Ich möchte diesem Internetphänomen nicht zu viel Aufmerksamkeit schenken, doch finde ich es interessant, dass dadurch scheinbar eine Möglichkeit gesucht wird, die eigenen Unsicherheiten mit anderen zu teilen und ihnen auf eine ironische Art zu begegnen, um sich weniger schlecht zu fühlen.

      Durch die Corona-Krise ist es durchaus wahrscheinlich, dass sich die Quantität und auch die Intensität von persönlichen Sinnkrisen innerhalb der Millennials nochmals verstärken wird. Genau wie alle anderen Generationen müssen wir die neuen Herausforderungen meistern, vor die uns die Pandemie gestellt hat. Dabei sind wir aber gleichzeitig noch mit den bereits vorhandenen Problemen der Mittzwanziger konfrontiert, die dadurch noch mehr Bedeutung erlangen könnten. Die Suche nach einem Job ist noch einmal schwerer geworden. Gesellschaft und Urlaube, um aus dem Gedankenchaos zu entfliehen, sind nicht mehr so unbeschwert möglich wie noch im Sommer 2019.

       Das Thema der Sinnkrise oder auch Quarterlife-Crisis wird somit aller Voraussicht nach in den nächsten Jahren noch deutlich präsenter, sodass immer mehr Millennials vor der Aufgabe stehen werden, sich mit einer solchen Phase auseinanderzusetzen.

      

      

       Kapitel 2

EIN MILLENNIAL STELLT SICH VOR

      Nach den Hintergrundinformationen zu den Millennials möchte ich nun noch einen Vertreter dieser Generation etwas genauer vorstellen: mich.

      Die Idee des eigenen Buches kam mir im Sommer 2020. Damals hatte ich gerade meinen Master erfolgreich absolviert und befand mich von Montag bis Freitag in einem Eight-to-five-Job. Auch wenn die Wochenendaktivitäten aufgrund von Corona stark beeinträchtigt waren, gab es durchaus andere Möglichkeiten, sich die Zeit zu vertreiben. Was also brachte mich dazu, meine Freizeit zu opfern und mich stundenlang vor den Laptop zu setzen?

      Davon werde ich auf den folgenden Seiten ebenso berichten wie von meiner eigenen Geschichte. Mein Buch soll keine Autobiografie sein, in der ich kleinschrittig meine bisherigen 27 Jahre wiedergebe. Dafür war mein Alltag dann doch meistens sehr durchschnittlich. Die vorgestellten Ansätze leben aber von meinen persönlichen Erfahrungen. Um diese zu verstehen und entsprechend einordnen zu können, sollten vorab einige Stationen aus meinem Leben bekannt sein.

      Dazu werfe ich einen kurzen Blick auf meine Jugendzeit, auf die Schul- und Studienzeit, prägende Momente und Gefahrensituationen, die Gründe für meinen Umzug nach Hamburg, die Auslöser meiner Sinnkrise und schließlich die Schritte, die mich dazu gebracht haben, diese Krise beenden zu wollen. Ich bin mir darüber im Klaren, dass dadurch sehr viel Persönliches in diesem Buch steckt. Meiner Ansicht nach kann aber genau das dabei helfen, sich intensiv mit diesem Thema auseinanderzusetzen und vielversprechende Schlüsse für den eigenen Alltag zu ziehen.

      DIE GRÜNDE FÜR DIESES BUCH

      Kreativität

      Ich kann nicht von mir behaupten, dass es schon immer mein Traum war, ein eigenes Buch zu verfassen. Allerdings war ich in meinem Umfeld schon früh dafür bekannt, gute Texte schreiben zu können. Oft bekam ich Lob für die passende Formulierung von Mails, Nachrichten oder Geburtstagskarten. Im Studium schrieb ich gerne Hausarbeiten und merkte, dass ich mich bei wissenschaftlichen Texten teilweise minutenlang mit der Formulierung einzelner Sätze beschäftigen konnte, bis sie mir schließlich passend erschienen. Auch während der Anfertigung meiner Masterarbeit blitzten zwischendurch Momente auf, in denen ich fast schon Spaß am Schreiben hatte. Jedoch hatte ich nie die Absicht, diesem Bereich besondere Aufmerksamkeit zu schenken.

      Ein wichtiger Grund für meinen kleinen Ausflug in die Autorenwelt war daher die Erkenntnis über die eigene Kreativität. Ich glaube nicht, dass sie von jetzt auf gleich einfach so da war, zumindest komme ich rückblickend zu diesem Schluss. Wahrscheinlich hatte ich sie schon immer in mir, was mir in dieser Zeit durch verschiedenste Umstände erst so richtig bewusst wurde.

      Ich weiß nicht, inwieweit ich mit 27 Jahren ohnehin einen neuen Zugang zu meiner Kreativität gefunden hätte oder ob der Corona-Lockdown einen großen Anteil daran hatte. Auf jeden Fall wurde dieser Prozess durch Social Distancing beschleunigt, weil ich mich über einen längeren Zeitraum viel intensiver mit mir und meinen Gedanken beschäftigen konnte. Dadurch hatte ich die Möglichkeit, meine wahren Interessen zu erkennen und entsprechend auszuleben. Das Ergebnis war ein kreatives Projekt, was ich mir kurz zuvor selbst nicht zugetraut hätte.

      Vielleicht dauerte es auch deshalb so lange, weil ich nicht in mein eigenes Weltbild eines Kreativen passte. Mein privates aber vor allem berufliches Umfeld wird bestätigen können, dass ich generell ein Fan von Struktur und Ordnung bin und es damit auch gerne mal übertreibe. Ein Kreativer war für mich jemand, der wie ein zerstreuter Professor in seinem eigenen Chaos lebt und seine Ideen wirr und ohne offensichtliche Struktur auf Schmierzetteln aufschreibt. Mittlerweile weiß ich, dass sich strukturiertes Arbeiten und Kreativität keinesfalls ausschließen.

      Mitteilungsbedürfnis

      Natürlich